Hikayat Faridah Hanom 15 - Übersetzung
Faridah Hanom, die am Morgen mit dem Zug von Alexandria in Richtung Kairo abgefahren war, kam am Mittag am Haus ihres Vaters an. Als sie das Haus betrat, saßen ihre Eltern und ihr Bruder Muhammad gerade im Esszimmer und waren mit dem Essen fertig. Sie waren äußerst erstaunt in Anbetracht dessen, dass Faridah Hanom alleine und unangekündigt kam, zumal sie wussten, dass ihr Ehemann Badruddin Efendi zu dieser Zeit schon einige Tage in Kairo war. Als Faridah Hanom eintrat und ihren Vater erblickte, lief sie ohne Gruß und Handkuss zu ihm, warf sich auf die Knie und vergrub ihr Gesicht laut weinend in seinem Schoß. Zwar stellte ihr Vater ihr einige Fragen und versuchte ihren Kopf hochzuheben, doch wollte sie ihn nicht hochheben, so sehr war sie in Weinen vertieft. Als ihre Mutter und ihr Bruder Muhammad Efendi…
ihren Zustand sahen, wussten sie, wie unglücklich sie war, und brachen selbst in Weinen aus. Auch Kasim Bey hielt es nun nicht mehr aus und hatte angesichtsdessen, dass seine Tochter ganz mager und blass war, großes Mitleid mit ihr. Er weinte, strich seiner Tochter über den Kopf und redete ihr gut zu. Dann wischte er die Tränen seiner Tochter ab, umarmte und küsste sie, zog einen Stuhl heran und forderte sie auf, sich zu setzen. Faridah Hanom stand auf und küsste die Hand ihres Vaters. Dann ging sie und küsste auch die Hand ihrer Mutter und ihres Bruders. Rasch umarmte und küsste ihre Mutter sie. Dann wandte sich Faridah Hanom ihrem Vater zu und sagte: „Anakanda ist hergekommen, um ihre Seele ihrem Vater anzuvertrauen. Lieber stirbt sie von seiner Hand als durch das qualvolle Leben in der Hand eines anderen Mannes.“ Während Faridah Hanom dies sagte, holte sie ihre Pistole hervor und übergab sie ihrem Vater. Kasim Bey erschrak angesichtsdessen, was er von seiner Tochter hörte und sagte: „Was ist denn mit Tuan geschehen? Erzählt es dem Vater klipp und klar!" Faridah Hanom antwortete: „Anakanda betet immer wieder zu Gott und bittet Ihn, sie vor der Gefahr zu bewahren, aufsässig zu sein oder sich dem Willen der Eltern, die es von klein auf ernährt und aufgezogen haben, zu widersetzen. Aus diesem Grund erduldet sie große Qual. Fast drei Jahre schon ist sie krank, weil sie der Vater gerne mit Badruddin Efendi verheiraten möchte. Da ihr sehr an dem Wohlgefallen des Vaters gelegen ist, das heißt dem Wohlgefallen, an das das Kind neben dem Wohlgefallen Gottes glaubt, ist sie vor den Augen der Menschen…
die Ehefrau Badruddins geworden, mit einer Ordnung, die das Gesicht des Vaters wahrt und unsinniges Gerede verschwinden lässt, dass der Vater Schwierigkeiten bekomme, sich gegenüber einer Tochter zu verteidigen, wenn er ihr eine hohe Bildung mitgegeben habe. Da Anakanda überzeugt ist, dass das Bestreben des Vaters allein auf das Wohlergehen und zufriedene Leben Anakandas, die seine einzige Tochter ist, ausgerichtet ist, hat sich in ihrem Herzen das Gefühl eingestellt, dass es einen großen Fehler begeht, wenn es den Zustand, den sie erleidet, vor dem Vater verbirgt, ein Zustand, der im Widerspruch zu dem Wohlergehen steht, das sich der Vater für ihr eheliches Leben wünscht. Badruddin ist ihr weder ebenbürtig [Fn.], noch weiß er darüber Bescheid, was ihm gegenüber seiner Ehefrau obliegt. Seitdem Anakanda mit ihm zusammen ist, hat sie jegliche Freude am Leben verloren. Das größte Unglück für Anakanda besteht darin, dass er jede Nacht erst um zwei, drei Uhr nach Hause zurückkommt und dann nur, wenn er den Kopf schon voll Arrack hat. Der Vater kann der Tochter glauben, die beim Namen Gottes, des Allmächtigen schwört, dass sie bis jetzt noch Jungfrau ist. Ihr ist es lieber, dass der Vater ihr jetzt in die Brust schießt, als dass sie seine Stimme hört, die ihr gebietet, zu Badruddin zurückzukehren."
Kasim Bey erschrak sehr über die Worte seiner Tochter und glaubte ihr alles, was sie sagte, nachdem sie geschworen hatte, dass sie noch Jungfrau ist. Er wurde ganz bekümmert und fürchtete, dass es tatsächlich den Ruin seiner Tochter bedeuten würde, wenn er sie zwänge, zu Badruddin zurückzukehren.
Er seufzte tief, und er wusste nichts anderes zu tun als den Tag zu verfluchen, an dem er seine Einwilligung gegeben hatte, dass Badruddin seine Tochter heiratet. Als Kasim Beys Ehefrau seinen Zustand sah, ergriff sie die Gelegenheit, ihn zur Rede zu stellen, und sagte: „So endet es mit demjenigen, der seinen eigenen Plan bei einer Angelegenheit durchsetzt, die gemeinsame Beratung erfordert. Tuan ist jemand, der seine Tochter in die Höhle des Verderbens wirft und einen wertvollen Edelstein, dessen Wert in seiner Bildung liegt, einem verrückten Arrack-Säufer wie seinem Neffen anvertraut, obwohl er sehr genau weiß, dass seine Tochter ihn nicht mag, so dass sie sogar mehrere Krankheiten, die sie dem Tod nahebrachten, erlitt. Sie ertrug es und gehorchte Tuans Befehl, weil sie ein vernünftiges und gebildetes Kind von anständigen Leuten ist. Bei Gott dem Allmächtigen, wenn Faridah zur Hälfte eine Frau wäre, die nicht weiß, was Ehre und Würde sind, und Tuan sie gezwungen hätte, einen Mann zu heiraten, den sie nicht mag, wäre Tuans Haupt mit einigem Dreck besudelt und sein Leben wäre mit einer solchen Schande bedeckt worden, dass sie nicht mehr verschwinden würde, wie lang Tuan auch leben mag. Nun bedenke Tuan, wenn ein solcher Schaden seinem Kind zustößt, dann liegt die Verantwortung für dieses Verbrechen allein bei ihm.“
Kasim Bey hörte, wie seine Frau ihm schwere Vorwürfe machte, und senkte seinen Kopf, bis sie zu Ende gesprochen hatte. Dann hob er seinen Kopf wieder, sah hinüber zu seinem Sohn Muhammad Efendi und fragte: „Was ist denn Tuans Meinung in dieser Angelegenheit?“ Muhammad Efendi antwortete: „Anakanda ist fest…
davon überzeugt, dass die Worte Faridahs in keinster Weise erlogen sind, denn er kennt das Naturell Badruddins sehr gut von früher. Da der Vater aber zu der Zeit, als er zustimmte, dass Badruddin Faridahs Ehemann wird, sich nicht beraten oder Anakanda fragen wollte, hat sich dieser nicht getraut, hinderlich zu sein oder seine Missbilligung über den Wunsch des Vaters zum Ausdruck zu bringen. Der Vater sollte unbedingt wissen, was der Grund dafür war, dass Faridah zum ersten Mal schwer krank wurde. Der Grund war, dass Badruddin ihr den Weg versperrte und sie bedrängte, als sie aus dem Garten zurück ins Haus gehen wollte. Er sagte damals in Anakandas und Faridahs Anwesenheit, nur noch wenige Tage, dann werde Faridah seine Ehefrau und werde dann zu spüren bekommen, wie er sie bestraft. Deswegen ist es kein Wunder, dass Badruddin das verwirklicht hat, was er Faridah versprochen hat, nachdem sie seine Frau geworden ist.“
Als Kasim Bey die Worte seines Wortes gehört hatte, wandte er sich zu seiner Frau und sagte: „Es ist alles richtig, was Tuan sagt. Von diesem Tag an obliegt es Beta, sich für die Trennung Faridahs von Badruddin einzusetzen, um ihr Leben zu schützen, was auch immer passieren möge.“
Als Faridah Hanoms Dayangs hörten, dass ihre Tuan zurückgekommen war, liefen sie alle zusammen, um sie aufzusuchen. Vor allem Khatun lief herbei, um sie zu treffen. Als Faridah ihren Vater aufgesucht hatte, hatte sie am Rand der Tür gestanden und alles mitbekommen,…
was sich abspielte. Sie hatte großes Mitleid, als sie ihre Tuan so blass und mager sah. Und als ihre Tuan ihr Gesicht weinend im Schoß ihres Vaters vergraben hatte, hatte sie mitgeweint. Schließlich freute sie sich aber sehr, als sie hörte, dass ihr Vater die Worte Muhammad Efendis annahm und Faridah Hanom auftrug, sie möge hochgehen, die Kleidung wechseln und sich vergnügen, um sich von den Strapazen der Reise aus Alexandria zu erholen. Kaum hatte Faridah Hanom den Raum verlassen, kamen alle Dayangs herbei, um sie zu begrüßen, allen voran Khatun, die weinend die Hand ihrer Tuan küsste. Faridah Hanom war sehr gerührt angesichts all der Dayangs, die sie weinend umringten. Dann übergab sie Khatun ihren Koffer, den sie mitgebracht hatte, und sagte: „Sucht doch bitte für Beta etwas zu Essen, denn sie hat seit gestern früh nichts mehr zu Essen bekommen.“ Khatun brachte schnell das Gepäck nach oben und trug den Dayangs auf, ihrer Tuan rasch eine Mahlzeit zu bereiten. Faridah ging unterdessen hoch ins Badezimmer, nahm ein Bad und zog sich neue Kleidung an. Dann ging sie hinaus auf den Anjung und nahm mit großem Vergnügen eine Reismahlzeit zu sich, denn der von ihr ersehnte Wunsch, die Zustimmung ihrer Eltern zu erlangen, hatte sich erfüllt. Das erste Mal nach ungefähr drei Jahren spürte sie wieder Appetit. Und während sie aß, fragte sie Khatun: „Gibt es irgendwelche Nachrichten von Suad, wo sie ist und wie es ihr ergangen ist in dieser Zeit? Denn Beta ist der Dayang, die sie von dem Moment an, als sie den Leib ihrer Mutter verließ, aufgezogen und ihretwegen viele Mühen auf sich genommen hat, ohne jemals einen Fehler zu machen, sehr verbunden.“ Khatun antwortete: „Ja, nachdem sie das Haus verlassen hatte, wohnte sie bei ihrem Bruder. Als aber Shafik Efendi aus dem Sudan zurückkam,…
hat er sie aufgenommen, damit sie zusammen mit seiner Dayang Aliah wohnt, wobei er ihr ausreichend Unterhalt gegeben und ihre Schulden bezahlt hat.“ Faridah Hanom freute sich zu hören, dass ihr Geliebter ihre Dayang aufgenommen hatte, damit sie sicher bei ihm wohnte, und sagte: „Morgen wird Beta den Vater bitten, sie zurückzurufen, damit sie wie früher hier arbeitet.“
In dieser Nacht schlief Faridah Hanom mit Freude und Erleichterung in ihrem Haus, wohlbehütet von ihren Dayangs. Sie war zuversichtlich, dass ihr Leben mit der Zustimmung ihrer beiden Eltern nun den Verlauf nehmen würde, den sie sich ersehnte, und war sich sicher, dass der vergangene Tag Gewissheit gebracht hatte, dass nun auch die Zeit für eine neuerliche Zusammenkunft mit ihrem Geliebten gekommen war. Frühmorgens stand sie auf, wusch sich das Gesicht, zog sich an und nahm alleine das Frühstück ein, wobei sie sehr froh und erleichtert war, aufgrund ihrer Zuversicht, nicht mehr zu Badruddin Efendi zurückzukehren. Um zehn Uhr ging sie hinunter, traf ihre Eltern und küsste ihre Hände. Ihr Vater empfing sie freudig und fragte sie nach ihrem Befinden. Sie beantwortete seine Frage mit Worten, die das Herz ihrer Eltern erfreuten. Während Faridah Hanom im Gespräch mit ihrem Vater war, kam plötzlich Badruddin in Kasim Beys Zimmer. Er war sehr erschrocken, als er dort seine Frau bei ihrem Vater sitzen sah, und fragte sie wütend und barsch: „Wer hat Dich hierher gebracht, und wer hat Dir Anweisung gegeben, hierher zu kommen?“
Rasch beantwortete Kasim Bey seine Worte mit der Gegenfrage: „Was wünscht Tuan, und was bedeutet seine Frage an Faridah? Er möge seine Frage bitte an ihren Vater richten, denn sie ist in seinem Haus und in seiner Gegenwart.“
Badruddin Efendi antwortete: „Es ist wirklich ein Untergang der Töchter von Seiten ihrer Eltern, wenn ihr Vater an ihrer Seite spricht und kämpft und sie ihn Schutz nimmt. Wie soll dann die Tochter zur Ordnung gebracht werden und wie soll sie ihre Pflicht gegenüber ihrem Ehemann erkennen? Ayahanda möge wissen, dass Faridah Anakanda gehört, nicht mehr ihm, und dass es seine Pflicht ist, sie über alle Sünden zu unterrichten, die sie begangen hat.“
Kasim Bey wurde wütend, als er hörte, wie grob Badruddin in seiner Anwesenheit sprach, und sagte zornig: „Wenn so dein Benehmen und deine Sprache in meiner Anwesenheit ist, wie wird erst dein Verhalten ihr gegenüber hinter meinem Rücken sein, und zwischen euch beiden. Bei Gott, mein Kind Faridah Hanom ist wirklich in Gefahr, wenn sie noch länger mit dir ist. Das war heute der letzte Tag, an dem du sie sehen konntest. Von heute an ist es auch unmöglich, dass ich ihr noch den Umgang mit dir erlaube.“
Badruddin sprang wütend auf, als er die Worte Kasim Beys hörte, und sagte mit großer Härte: „Nein, nein, und nochmals nein. Ayahanda möge nicht denken, dass Anakanda Faridah durch Talak [Fn.] fallen …
lässt. Niemals. Anakanda wird sie Ayahanda mit Gewalt nehmen, er wird sie von ihm mit einer Stärke bekommen, die größer ist als seine Stärke, so dass er sich ihr fügen muss.“
Nun konnte sich Kasim Bey vor Zorn nicht mehr beherrschen, holte die Pistole aus der Schublade seines Schreibtischs und rief: „Verlass sofort mein Haus. Sonst jage ich dir jetzt diese Pistolenkugel in den Kopf.“
Da erkannte Badruddin das Ergebnis seiner Aufgeblasenheit und Grobheit gegenüber seinem Vaterbruder und Schwiegervater, zumal er den Lauf der Pistole auf sein Gesicht gerichtet sah und die Natur seines Onkels kannte, der sehr furchtlos war, so dass man sich ihm, wenn er etwas gesagt hatte, nicht widersetzen konnte. So verstand er, dass er sich in Gefahr befände, wenn er nicht davonlief. Deshalb sprang er schnell auf und lief geschwind hinaus, bis er zur Hauptstraße gelangt, und kehrte zu sich nach Hause zurück.
Nachdem dies passiert war, dauerte es ungefähr eine halbe Stunde, bis Kasim Bey wieder vernünftig denken konnte und sein Zorn verflogen war. Dann sagte er lächelnd zu Faridah Hanom: „Es ist wahr, was Tuan gesagt hat, dass Badruddin einen üblen Charakter hat. Und es ist wahr, dass mein Kind bei ihm misshandelt wird. Aber all diese Leiden hat Tuan wegen des Vaters durchgemacht. Macht nichts, der Vater wird seinen…
Fehler korrigieren, indem er möglichst schnell Tuans Verstoßung von ihm erreicht. Dann wird er Tuan mit Shafik Talaat Bey verheiraten, wenn er noch einmal kommt, um bei ihm um ihre Hand anzuhalten.“
Faridah Hanom antwortete mit großer Freude und strahlendem Gesicht: „Jetzt hat der Vater gehört und mit eigenem Auge gesehen, wie sein Verhalten und seine Sprache ist. In den 70 Tagen, die Anakanda mit ihm zusammen war, gab es keinen Tag, an dem sie von ihm nicht Qualen erleiden musste. Das Zeichen für Anakandas Ehrlichkeit ist, dass er keinen Wert auf sie legt, und auch sie keinerlei Sympathie für ihn verspürt, so dass sie bis jetzt Jungfrau ist. Wie könnten sonst junge Menschen wie er und die Tochter 70 Tage zusammen sein, ohne dass er ihren Körper berührt, sooft sie auch darum gebeten hat, ohne es freilich zu wünschen.“ Kasim Bey freute sich sehr über die Worte der Tochter und antwortete: „Das ist Tuans Glück. So ist ihr Körper nicht dadurch besudelt worden, dass dieser Hund an ihm geleckt hat. Tuan ist also immer noch rein.“ Dann ließ Kasim Bey ein Telegramm nach Alexandria zu Badruddins Vater schicken, mit der Aufforderung, dass er möglichst bald in die Hauptstadt kommen möge. Faridah Hanom ihrerseits bat ihren Vater um Erlaubnis, Suad zurückrufen zu dürfen, weil es keinen Grund mehr gab, auf sie zornig zu sein. Kasim erlaubte dies, wobei er sagte: „Was Tuan möchte, wird der Vater ihr nicht verbieten. Wo ist sie jetzt?“ Faridah Hanom antwortete: „Anakanda hat über sie keine bestätigte Nachricht erhalten, aber nachdem der Vater die Erlaubnis gegeben hat, kann sie sie suchen lassen.“ Dann ging Faridah Hanom…
hoch, rief Khatun und trug ihr auf, ihren Bruder Ibrahim zu rufen, damit er Suad auftrage, zurück nach Hause zu kommen. Nachdem diese Nachricht bei Suad angekommen war, ausgerichtet durch Ibrahim, freute sie sich sehr, informierte Aliah über alles, was Ibrahim gesagt hatte, und bat Aliah, Shafik Efendi mitzuteilen, dass sie darum bitte, noch diesen Tag zu ihrer Tuan zurückkehren zu dürfen. Aliah ging rasch zu Shafik Efendi und berichtete ihm alles, was Ibrahim ihm von Suad mitgeteilt hatte. Shafik Efendi freute sich sehr und fühlte augenblicklich Erquickung in allen Gliedern, als er die Worte Aliahs hörte, beugte den Kopf und überlegte: „Gott sei Dank habe ich mich nicht in diese Angelegenheit eingemischt, denn dieses Recht ergibt sich einzig und allein aus der Pflicht für sie und ihre Eltern, für die Zufriedenheit ihrer Tochter zu sorgen, da Badruddin jede Nacht Arrack trinkt.“ Dann sagte Shafik Efendi zu Aliah: „Gut, Ibu, lasst sie zu ihrer Tuan zurückkehren. Aber ruft sie vorher hierher, damit Beta sie noch einmal sprechen kann.“ Aliah ging hinaus, rief Suad und brachte sie zu Shafik Efendi. Als die beiden ins Zimmer kamen, fanden sie dort Shafik Efendi liegend vor. Man sah seinen Augen an, dass er geweint hatte. Rasch traten die beiden ein, gingen zu Shafik und küssten ihm die Hände. Suad weinte heftig, weil sie an ihre Tuan denken musste und Mitleid mit Shafik Efendi hatte, dessen Gesicht durch seine Liebe eine ganz andere Farbe angenommen hatte als sonst. Shafik stand auf, weil er sich nicht mehr beherrschen konnte, angesichts dessen, dass Suad so sehr an seine Geliebte Faridah Hanom denken musste. Seitdem sie in sein Haus umgezogen war, war er kein einziges Mal mit ihr zusammengetroffen, um sein Herz davor zu schützen, sich Gedanken hinzugeben,…
die zu sehr von Liebesleidenschaft beherrscht waren und die, wenn sie sich zu sehr in die Angelegenheit mischten, den Namen anständiger und gebildeter Leute beschmutzen würden. Da sich aber an diesem Tag die Eltern Faridah Hanoms ihrer Angelegenheit angenommen hatten, verschwand diese Furcht aus seinem Herzen. Deswegen sagte er zu Suad: „Meine Ibu möge zurückkehren und ihre Tuan treffen. Sie möge ihr den Gruß von Betas grenzenloser Liebessehnsucht überbringen. Ihre Vermutung, dass Beta verheiratet ist, so wie sie verheiratet ist, ist völlig falsch. Denn Beta hält dauerhaft an seinem Treueschwur ihr gegenüber fest, seit dem Tag, an dem er mit ihr Hand gehalten hat, bis jetzt. So Gott will, wird er daran festhalten, bis er stirbt. Beta ist deshalb so lange ruhig geblieben, weil er sicher glaubt, dass Ibus Tuan nicht möchte, dass man über ihn sagt, dass er ein Störer des Familienfriedens ist. Da er sich nicht einen Ruf zuziehen wollte, der bei anständigen und gebildeten Menschen als sehr schmutzig gilt, war es ihm lieber, sein Leben auf dem Schlachtfeld zu opfern. Es ist nämlich für ihn recht, das Wohl des eigenen Lebens zu schützen, das von ihm für gut befunden wird, dass niemand etwas Abschätziges über ihn sagen kann, zumal seine beiden Eltern es erlaubt haben und einverstanden waren. Denn die Sache des friedlichen Lebens ist das höchste Ziel, dem alle vernünftigen Menschen nachstreben müssen, auf einem Weg, der frei ist von der Beschmutzung des edlen Namens, das heißt auf dem Weg von Recht und Gesetz. Wenn es wirklich so ist, wie Ibrahim von Khatun gehört hat, dass ihr Vater Betas Namen erwähnt und gesagt hat, dass sie mit ihm verheiratet werden soll, dann kann Ibu ihrer Tuan ausrichten, dass Betas Leben in ihrer Hand ist. Wenn…
sie wünscht, dass er lebt, kann er leben. Wenn nicht, wird er bestimmt bald sterben. Denn er kann solche Liebesleidenschaft nicht länger aushalten. Und wenn Ibu in Erfahrung bringt, dass Khatuns Nachricht nicht richtig ist, ist es nicht nötig, dass sie sie über Betas Zustand informiert, damit die Leute nicht sagen, dass er sie dazu anstachelt und anfeuert, eine Trennung mit ihrem Gatten herbeizuführen.“ Dann holte Shafik Efendi zehn Pfund von seinem Tisch und überreichte sie Suad. Suad stand auf, küsste seine Hand und ging zusammen mit Aliah hinaus, die eine Droschke für sie rufen ließ, in die sie ihr Gepäck lud. Suad gab allen Anwesenden zum Abschied die Hand und stieg in die Kutsche, die sie zum Haus von Kasim Bey brachte. Als sie dort angekommen war, übergab sie ihr Gepäck einer Dayang und ging schnurstracks zu ihrer Tuan Faridah Hanom ins Zimmer. Diese schaute gerade dort Khatun dabei zu, wie sie ihre Sachen in ihrem Zimmer ordnete und aufräumte. Suad trat schnell hinzu und küsste weinend ihre Hände und Knie. Faridah Hanom war angesichts des Zustands ihrer Dayang sehr gerührt und sagte: „Beruhigt Euch, Ibu, das ganze Ungemach ist jetzt vorbei. Ibu kann zurückkommen, so wie es immer war, und sich um Betas Dinge und die Dayangs kümmern.“ Da beruhigte sich Suad. Kurz danach ging sie hinaus, schaute nach ihrem Zimmer und brachte ihre Sachen in Ordnung.
Als Faridah Hanom mit dem Aufräumen fertig war, nahm sie ein Bad, zog sich um und ging hinunter, um zusammen mit ihrem Vater eine Mahlzeit einzunehmen. Während dieser Mahlzeit sagte ihr Vater: „Es ist schon einige Tage her, dass wir das Telegramm nach Alexandria geschickt haben, Badruddins Vater ist aber noch nicht gekommen, und es gibt auch noch keine Antwort von ihm.“ Während er dies sagte, kam der Pförtner herein und teilte mit, dass ein Gerichtszusteller draußen sei, der die Hanom…
zu sprechen wünsche. Kasim Bey erschrak, stand auf und fragte: „Welche Hanom wünscht er zu sprechen?“ Dann ging er selbst hinaus und traf den Gerichtszusteller, um seinen Brief anzunehmen. Es war eine Vorladung von Badruddin, der von Faridah Hanom forderte, in das Haus des Gehorsams zurückzukehren, weil sie sonst zu einer Strafe wegen Nuschūz [Fn.] verurteilt werde. Kasim Bey nahm die Vorladung mit großer Wut auf Badruddin entgegen, wies Muhammad Efendi an, die Sache mit allen Unterlagen, die damit zusammenhingen, einem großen Rechtsanwalt zu übergeben, und erlaubte nicht, dass Faridah Hanom selbst bei dieser Angelegenheit erschien. Als Faridah Hanom sah, was ihr Vater tat, war sie sehr gerührt. Sie sagte: „Anakanda hofft sehr auf die Vergebung des Vaters. Wenn es keinen Zorn hervorruft, kann sie ehrfürchtig etwas in dieser Angelegenheit sagen. Denn sie denkt, dass diese Angelegenheit glücklicherweise sehr schnell zu lösen ist, wenn sie den Vater nicht fürchten muss.“ Kasim Bey: „Wie das? Anakanda möge sprechen, damit der Vater hört. Sie braucht den Zorn des Vaters nicht zu fürchten.“ Faridah Hanom: „Am besten ist es, wenn wir vorher unserem Rechtsanwalt klarmachen, dass Anakandas Heirat mit Badruddin ungültig ist.“ Kasim Bey war über die Worte seiner Tochter erstaunt und sagte: „Wie kommt Tuan darauf, dass sie nicht gültig ist, wo doch der Vater sie verheiratet hat?“ Faridah antwortete: „Das ist richtig. Nach unserem Recht kann der Wali mujbir (der Vater oder das Familienoberhaupt, Fn) die Tochter oder Enkeltochter mit einem ebenbürtigen Mann (mit einer angemessenen Brautgabe) verheiraten, ohne die Notwendigkeit, ihre Zustimmung einholen zu müssen. Wenn aber der Vater…
bzw. das Familienoberhaupt weiß, dass sie mit dem Ehemann nicht einverstanden ist, oder er dies aufgrund von bestimmten Anzeichen, die in den Büchern der Fiqh-Gelehrten genannt werden, erschließen kann, dann geht seine Vollmacht, sie ohne ihre Zustimmung verheiraten zu dürfen, verloren. Wenn er sie dann trotzdem verheiratet, ist diese Eheschließung nicht gültig. Weiß der Vater nicht, dass Anakanda Badruddin nicht ausstehen kann? Ist sie nicht ungefähr drei Jahre krank gewesen, weil sie ihn nicht heiraten wollte? Und als sie schließlich dem Wunsch des Vaters gefolgt ist, geschah dies nur äußerlich, nicht weil sie damit einverstanden war, sondern nur weil sie den Vater fürchtete. Deshalb hat sich Anakanda ihm bis jetzt auch noch nicht hingegeben, sondern ist weiter Jungfrau geblieben.“
Muhammad Efendi antwortete rasch auf die Worte seiner Schwester: „Das ist schon richtig, was Tuan sagt. Aber wenn wir diese Aussage beim Richter vorbringen, dann wird er sicherlich verlangen, dass Tuan selbst vor dem Gericht erscheint und die Unfreiwilligkeit vor ihm eidlich bezeugt. Denn der Richter kann diese Aussage nicht allein dadurch als gültig akzeptieren, dass er sie vom Rechtsanwalt vernimmt. Wenn aber Tuan selbst vor Gericht erscheinen würde, wäre dies eine große Schande für uns, und es wäre auch eine große Schande für den Vater, zu sagen, dass er Tuan gegen ihren Willen verheiratet hat.“ Dann wandte sich Muhammad seinem Vater zu und sagte: „Anakanda bittet, dass der Vater sich nicht in diese Angelegenheit einmischen möge. Er möge ihn nur mit Badruddin streiten lassen und dann das Ergebnis zur Kenntnis nehmen, indem er die gültige Scheidungsurkunde entgegennimmt.“ Kasim Bey freute sich sehr, als er seine beiden Kinder so sprechen hörte. Dann sagte er: „Gut, so wie Tuan es wünscht,…
soll er es machen.“ Muhammad Efendi stand auf, nahm alle Papiere und verabschiedete sich, um seiner Arbeit nachzugehen. Auch Faridah Hanom verabschiedete sich und ging hoch auf ihr Zimmer. Sie rief Khatun, wechselte ihre Kleidung, legte sich auf ihre Chaiselongue und wies Khatun an, ihr Haar zu lösen und Rosenwasser hinzustellen. Kurz danach kam Suad hinzu und setzte sich an ihr Fußende. Faridah Hanom schaute lächelnd zu Suad und fragte: „Und ist sie schön, Ibu, die Ehefrau, die Euer Tuan aus Sudan mitgebracht hat?“ Suad war erstaunt über die Frage ihrer Tuan und sagte: „Welche Ehefrau denn, Tuan?“ Faridah Hanom sagte: „Kommt schon! Meine Ibu hat doch einige Zeit im Haus ihres Tuans gewohnt. Unmöglich, dass sie seine Frau nie zu Gesicht bekommen hat. Nach dem, was die Leute sagen, ist sie sehr schön, und Ibus Tuan liebt sie so sehr, dass er sich nicht von ihr trennen kann und nie ausgeht.“ Suad war sehr erstaunt über die Worte ihrer Tuan und sagte: „Es ist nicht wahr, was die Leute sagen, Tuan. Denn die Dayang hat nie jemanden in seinem Haus sagen hören, dass er mit einer Ehefrau zurückgekehrt ist. Das Einzige, was sie in seinem Haus sagen, ist, dass Kakanda sehr bekümmert ist und seine Eltern um seine Gesundheit besorgt sind. Die Dayang ist zu ihm gegangen und hat ihn gebeten, hierher zurückkehren zu dürfen. Sie war sehr gerührt, ihn zu sehen. Sein Körper ist ausgezehrt, sein Körper blass. Als er die Dayang erblickte, weinte er.“ Dann erzählte Suad, was Shafik gesagt und wie er sich verhalten hatte, und was er ihr aufgetragen hatte, ohne irgendetwas auszulassen. Faridah Hanom konnte sich kaum beherrschen, als sie die Worte Suads über die Zärtlichkeit ihres Geliebten hörte, und schluchzte. Als sie sich wieder beruhigt hatte, sagte Suad: „Die Dayang denkt, dass Tuan am besten mit Kakanda zusammentreffen und ihn hierher rufen oder selbst aufbrechen sollte,…
wie früher. Lasst doch die Dayang ihm das mitteilen, denn sie fürchtet sehr, dass sich seine Krankheit verschlimmert.“ Faridah Hanom antwortete: „Lasst das erst einmal, Ibu, bis Betas Angelegenheit mit Badruddin erledigt ist, denn es ist unschön, wenn er mit ihr zusammentrifft und kost, solange bekannt ist, dass sie mit jemand anderem verheiratet ist.“ Suad antwortete: „Wer außer der Dayang und seiner Dayang Aliah kann das schon wissen, Tuan, wenn es, wie sonst, in Tuans Garten oder bei einer gemeinsamen Kutschenfahrt mit ihm geschieht.“
Faridah Hanom lächelte, als sie die Worte ihrer Dayang hörte, und war ganz gerührt darüber, dass sie so sehr um ihren Geliebten in seiner Liebesleidenschaft besorgt war. Dann sagte sie: „So geht es nicht, Ibu. Ein derartiges ungutes Handeln sollten wir nicht nur deswegen sein lassen, weil wir fürchten, dass die Leute es erfahren, sondern wir müssen es aus Furcht vor dem Schmutz und Dreck dieser Angelegenheit selbst sein lassen. Es ist so wie bei jemandem, der fürchtet getötet zu werden: Das, wovor er sich fürchtet ist ja nicht, dass die Leute erfahren, dass er stirbt, sondern der Tod selbst. Für edle und gebildete Menschen ist zwar Sterben das Herausfahren von Geist und Nyawa aus dem Körper, doch das Begehen von schmutzigen schlechten Handlungen ist das Herausfahren von Geist und Nyawa des Tugendempfindens, das alle Menschen haben müssen, die ein Leben vollkommener Humanität und Bildung besitzen. Prinzipiell fürchten und bedauern alle edlen, gebildeten Menschen den Verlust von Geist und Nyawa des Tugend- und Humanitätsempfindens mehr als das Herausfahren von Geist und Nyawa an sich aus ihrem Körper, weil letzteres…
ihren Körper schützt, wenn er innerhalb von 24 Stunden begraben wird. Der Verlust von Geist und Nyawa des Tugend- und Humanitätsempfindens aber macht ihn zu einem Kadaver, der vor den Augen aller Menschen geht, die auf immer den Geruch seiner verkommenen Verhaltensweise riechen. Es nützt dann nichts, sich fein zu kleiden, sich mit Diamanten und Brillanten zu schmücken, im Buggy oder Pferdegespann zu fahren, weil diese Kadavereigenschaft immer an ihm hängenbleibt, selbst wenn er einige Millionen Ringgit besitzt. Es ist diese Art von Kadaver, die von Gott im Koran [Fn.] und durch die Zunge all Seiner Gesandten verflucht wird. Ibu nehme Beta und ihren Tuan als Beispiel: Gibt es noch größere Liebe als zwischen ihnen beiden? Aber ist zwischen ihnen beiden irgendetwas vorgefallen, das das Leben einer Jungfrau oder edler Menschen beschmutzt? Wenn die beiden nicht den Schmutz der äußerst unanständigen Handlung hassen würden, hätten sie dann so lange standhaft sein können, dass er sogar in den Krieg zog, um sein Leben hinzugeben, und sie ungefähr drei Jahre lang von einer Krankheit erfasst wurde, die sie dem Tode nahebrachte? Einmal angenommen, Beta und er wollten sich nur vergnügen, ohne das Leben eines Kadavers zu fürchten, wer könnte ihnen dies auf lange Sicht verbieten. Niemand. Beta und er enthalten sich nicht deshalb der schmutzigen Handlung, weil sie nur die Menschen fürchten. Was sie darüber hinaus in Wirklichkeit verabscheuen und hassen, ist die Begehung einer Handlung, die sich für anständige und gebildete Leute nicht ziemt. Denn wenn sie leben würden wie lebende Kadaver, würden sie bis zu ihrem Lebensende Besudelung erleiden.“ Suad sagte: „Es ist völlig richtig, was Tuan sagt,…
aber die Dayang hat das eben gesagt, weil sie großes Mitleid hat, wenn sie an Kakanda denkt, dessen Zustand sich seit seiner Rückkehr aus Alexandria sehr verändert hat. Er isst und trinkt nicht mehr und geht nicht mehr wie sonst spazieren. Er sitzt nur noch in seinem Zimmer. Wer auch immer sein Zimmer betritt, sieht an seinen Augen die Spuren des Weinens. Wenn seine Eltern kommen, tut er so, als ob er völlig gesund und munter sei, weil er nicht möchte, dass sie sich Sorgen machen. Es gibt andere Dayangs und Diener, die ständig weinen angesichts des Zustands ihres Tuan.“ Faridah Hanom wurde nachdenklich und überlegte einen Augenblick, als sie die Worte ihrer Dayang hörte. Dann stand sie auf, ging an ihren Schreibtisch und sagte: „Gut, einverstanden. Beta kann ihm einen Brief schreiben und ihm mitteilen, was sich zwischen ihr und Badruddin ereignet hat, damit sein Herz etwas Erleichterung findet. Und diesen Brief kann ihm meine Ibu selbst überbringen, so dass sie ihm auch mitteilen kann, was sie hier gehört hat, um seine Trübsal etwas zu vertreiben. Allerdings ist es jetzt noch nicht möglich, dass Beta mit ihm zusammentrifft, denn ihre Angelegenheit mit Badruddin ist noch nicht beendet. Ibu möge ihm auch Betas Sehnsuchtsgruß ausrichten. Ihre Liebessehnsucht nach ihm ist nicht geringer als die seine. Aber wenn Beta nur in ihrem Zimmer sitzenbleibt, so wie er, kann dann eine Leistung erbracht werden, um das gewünschte Ziel zu erreichen? Da die Angelegenheit Badruddins ihre eigene Angelegenheit ist, kann er sich natürlich nicht einmischen. So hofft Beta, dass er sich geduldet und nicht zu sehr seinem Herzen folgt.“ Dann holte Faridah Hanom Papier und Tinte heraus und schrieb den folgenden Brief:
Mein einziger Geliebter Shafik Efendi,…
nachdem Beta es ihrem Vater mitgeteilt und seine Erlaubnis erhalten hat, kann sie es jetzt auch Tuan mitteilen: Ihre Eheschließung mit Badruddin ist ungültig, weil die Voraussetzung dafür, dass der Wali mujbir (der Vater oder das Familienoberhaupt) seine jungfräuliche Tochter oder Enkeltochter ohne ihre Zustimmung verheiraten kann, ist, dass er keine Kenntnis darüber hat, dass sie den Mann als Bräutigam ablehnt. Wenn er aber weiß, dass seine Tochter oder Enkeltochter damit nicht einverstanden ist, kann er sie nur mit ihrer Zustimmung verheiraten. Wenn er sie trotzdem verheiratet, ist die Eheschließung nicht gültig. Nun hat er bei Betas Eheschließung nicht ihre Zustimmung eingeholt, obwohl die Eltern und alle Hausbewohner ganz klar wissen, dass sie Badruddin nicht mag, so dass sie deshalb sogar ungefähr drei Jahre lang krank war. Da Beta nicht will, dass er ihr Ehemann wird, hat sie sich auch ihm bis jetzt nicht hingegeben und ist Jungfrau geblieben.
Vorhin hat ihr Vater eine gerichtliche Vorladung für sie von Badruddin entgegengenommen. Betas Antwort darauf ist, wie oben beschrieben, allerdings will ihr Bruder Muhammad Efendi sie nicht vor Gericht benutzen, weil er, wie er sagt, fürchtet, dass sie vom Richter aufgefordert werden könnte, persönlich vor Gericht zu erscheinen und vor ihm eine eidliche Aussage zu machen, die ihren Vater blamiert. Deshalb ist Muhammad Efendi imstande, ziemlich schnell den Prozess zu führen.
Die in ihrer Treue beständige
Faridah'
Nachdem Faridah Hanom den Brief fertiggeschrieben hatte, steckte sie ihn in einen Umschlag, beschriftete ihn mit der Adresse, hüllte ihn in ein Seidentaschentuch, das sie mit Duftwerk einparfümierte, und überreichte ihn Suad. Suad nahm ihn rasch entgegen, ging hinaus, nahm ihren Schleier und lief zum Haus von Shafik Efendi. Dort angekommen, unterrichtete sie Aliah über den Zustand ihrer Tuan Faridah Hanom und zeigte ihr den Brief, den sie geschickt hatte. Aliah freute sich sehr, als sie die Nachricht von Suad hörte, und nahm sie mit hinein zu Shafik Efendi.
Shafik Efendi hatte zu dieser Zeit gerade sein rituelles Gebet verrichtet und sprach gerade im Sitzen ein Bittgebet. Als Aliah und Suad hereinkamen, stand er auf, setzte sich auf seinen Sessel und begrüßte die beiden. Suad küsste sogleich die Hand von Shafik Efendi und holte den Brief hervor. Shafik Efendi nahm den Brief entgegen, küsste ihn und legte ihn ehrfürchtig und mit den Tränen in den Augen auf den Kopf und sagte: „Welchen Nutzen soll es haben, dass Ibu etwas bringt, das Betas Krankheit vergrößert? Ist nicht schon genug Unglück über ihn gekommen? Mit der Ehefrau eines Mannes Botschaften auszutauschen, wird das Unglück nur noch vergrößern und Betas Namen vor den Augen der Menschen und dem Angesicht Gottes in Verruf bringen.“
Gleich antwortete Suad auf die Worte Shafik Efendis: „Nein, Tuan. Der Prozess von Ibus Tuan mit ihrem Ehemann hat nichts mit Tuan zu tun. Er wird von ihrem Vater und ihrem Bruder geführt. Öffnet bitte den Brief!“ Dann erzählte Suad alles, was bezüglich ihrer Tuan geschehen war. Shafik freute sich sehr, öffnete dann den Brief und las ihn. Dann überlegte er und dachte über die Worte seiner Geliebten nach.
Er fand, dass ihre Überlegung sehr richtig war, nahm Papier und Feder und schrieb den folgenden Antwortbrief:
Geist meines Körpers Faridah Hanom,
Dies ist der erste Tag, an dem Abang die Welt wieder in hellerem Licht sieht und wieder richtig atmen kann, weil er den Brief seiner Nyawa gelesen hat, die sehr richtig gemäß dem erhabenen islamischen Gesetz hinsichtlich ihrer Eheschließung mit Badruddin erklärt, dass sie ungültig ist. Ausgehend davon ist es nun Abang gleichgültig, ob irgendjemand seine Beziehung mit seiner Nyawa kennt, denn das, was gefordert ist, ist, dass man keine schmutzigen Handlungen begeht, nicht dass man lediglich vor der Rede der Menschen flieht. Deshalb hofft Abang, dass seine Nyawa ihn wieder aufleben lässt, indem sie ihm erlaubt, wieder den Glanz ihres Gesichtes zu sehen, dessen Wert für sein Leben in dieser Welt so groß ist, dass er ihn nicht ermessen kann.
In unendlicher Sehnsucht, Shafik
Dann faltete er den Brief, steckte ihn in ein Kuvert, schrieb die Adresse darauf und händigte ihn Suad aus. Suad verabschiedete sich, ging hinaus, kehrte zu ihrer Tuan zurück und überreichte ihr den Brief Shafik Efendis. Faridah Hanom hatte großes Mitleid, als sie den Brief ihres Geliebten las. Dann dachte sie bei sich: „Ich sollte ihn doch lieber treffen, damit seine Wehmut verfliegt.“ Da es aber schon Abend war, beschloss sie, seinen Brief erst am Morgen zu beantworten. Am nächsten…
Morgen stand sie auf, nahm ein Bad, kleidete sich an und frühstückte. Dann setzte sie sich hin und schrieb ihrem Geliebten den folgenden Brief:
Mein geliebter Shafik,
Seinem Wunsch entsprechend kann Tuan heute Nacht wie früher um ein Uhr zu Betas Haus kommen.
Treuergeben, Faridah
Dann steckte sie den Brief ins Kuvert, beschriftete ihn mit der Adresse und ging hinunter, um den Diener zu beauftragen, den Brief in den Postkasten zu werfen. Als sie unten ankam, sah sie ihre Eltern und ihren Bruder Muhammad Efendi sitzend im Gespräch, wobei sie die Zeitung al-Ahram in der Hand hielten. Als Kasim Bey seine Tochter Faridah Hanom sah, rief er sie. Faridah Hanom trat ein, küsste die Hände ihrer Eltern und setzte sich in die Nähe ihres Vaters. Kasim Bey schaute lächelnd zu seiner Tochter und sagte: „Vielleicht ist das ein Fall wie der von Tuan mit diesem Satan.“ Dann reichte er die Zeitung Faridah, die sie rasch entgegennahm und Folgendes darin las:
Frage an den erhabenen Tuan, Mufti von Ägypten, und alle Gelehrten des Islams:
Was sagen sie über einen Vater, der seine jungfräuliche Tochter, die eine hohe Bildung besitzt, mit einem ungebildeten Mann verheiratet, der ständig…
Arrack trinkt, ohne ihre Zustimmung einzuholen, nachdem er weiß, dass seine Tochter ihn nicht mag und mit ihm nicht einverstanden ist? Nachdem sie nun von ihm verheiratet worden ist, ist die Tochter einige Monate bei ihrem Mann geblieben, ohne sich ihm bis jetzt hinzugeben. Sie mögen uns bitte eine Fatwa gemäß dem Gesetz der wahren islamischen Religion erteilen: Ist ihre Ehe gültig oder nicht? Und gibt es ein Gebot, aufgrunddessen die Frau gezwungen werden kann, sich hinzugeben?
Ein Muslim
Als Faridah Hanom den Text fertiggelesen hatte, sagte sie zu ihrem Vater: „Sehr schön, dass der Vater nun die Antwort eines Gelehrten oder Mufti zu dieser Angelegenheit hört, damit er weiß, ob die gestrige Aussage der Tochter richtig war oder nicht.“ Faridah Hanom sagte dies und dachte bei sich: „Das ist niemand anders als Shafik Efendi, der an den Herausgeber der Zeitung geschrieben hat, weil er vielleicht meine Rede noch genauer überprüfen und sich seine Meinung bilden möchte, um nicht einen Fehler zu begehen, wenn er mit mir zusammentrifft.“ Dann schaute sie zu ihrem Bruder Muhammad Efendi hinüber, der lächelnd zu ihr schaute. Da verstand Faridah Hanom sein Lächeln. Dann stand sie auf, verabschiedete sich bei ihren Eltern und ging hoch auf ihr Zimmer, ohne den Brief abzuschicken, weil sie sich sicher war, dass es Shafik Efendi gewesen war, der die Anfrage in der Zeitung gestellt hatte, damit mit der Fatwa des Muftis oder der Gelehrten seine Skrupel verschwänden. Deshalb wollte sie erst einmal hören, was die Antwort in der Zeitung war. Zwei Tage später…
kam eine Dayang von Faridah Hanoms Mutter hoch, um sie zu ihren Eltern zu rufen. Faridah Hanom ging schnell hinunter und traf ihre Eltern und Muhammad Efendi mitten im fröhlichen Gespräch an. Als ihr Vater sie kommen sah, sprang er auf, nahm ihre Hand, umarmte und küsste sie und sagte: „Der Vater hat das Geld für Tuans Unterricht nicht umsonst ausgegeben.“ Dann reichte er ihr die al-Ahram-Zeitung und sagte: „Lest die Antwort des Muftis von Ägypten zu dem Fall, der wie der Fall von Tuan mit Badruddin ist.“ Faridah Hanom nahm die Zeitung und las darin Folgendes:
An den Tuan Muslim,
Zu seiner Frage, die er in der glanzvollen Zeitung al-Ahram bezüglich des Vaters gestellt hat, der seine Tochter mit einem Mann verheiratet hat, von dem er weiß, dass sie ihn nicht mag und mit ihm nicht einverstanden ist usw. ist die Antwort gemäß dem hochheiligen Gesetz der islamischen Religion, dass diese Eheschließung nicht gültig ist. Dem Richter obliegt es, den Mann dazu zu zwingen, die Frau aufzugeben, von der er meint, dass sie seine Ehefrau ist.
Der ägyptische Staatsmufti
Faridah Hanom legte die Zeitung auf den Tisch und schaute zu ihrem Bruder Muhammad Efendi. Kasim Bey fragte ihn: „Was ist Tuans Meinung dazu?“
Muhammad Efendi antwortete: „Anakanda denkt, dass er diese Waffe vor Gericht nicht nutzen will, weil er nicht will, dass…
der Name des Vaters und von Faridah an die Öffentlichkeit gelangen. Er will die Angelegenheit soweit wie möglich im Stillen abwickeln. Selbst wenn sich das etwas in die Länge zieht, das macht nichts.“
Als Faridah Hanom die Worte ihres Bruders hörte, dachte sie bei sich: „Wenn es der Wunsch meines Bruders ist, die Situation von mir und meinem Geliebten hinauszuzögern, dann wird sein Kummer noch weiter zunehmen. Wenn es so ist, dann treffe ich lieber mit ihm zusammen, um zu überlegen, wie wir die Trennung zwischen mir und Badruddin vor der Öffentlichkeit beschleunigen können.“ Dann verabschiedete sie sich von ihren Eltern und ging hoch auf ihr Zimmer. Sie nahm den Brief, den sie schon geschrieben hatte und änderte nur das Datum. Dann ließ sie Khatun ihren Bruder Ibrahim rufen, um den Brief zu überreichen, denn sie fürchtete, dass der Brief ihren Geliebten nicht mehr am gleichen Tag erreichen würde, wenn er in den Briefkasten geworfen würde, weil es schon Mittag war. Khatun führte schnell den Befehl ihrer Tuan aus. So kam der Brief, überbracht von Ibrahim, am Nachmittag bei Shafik Efendi an.
Nachdem Shafik Efendi die Antwort des Muftis auf die Frage in der Zeitung gelesen hatte, freute er sich sehr, wie wenn er von den Toten auferweckt worden wäre, weil nun all seine Skrupel und Bedenken verflogen. Und er wartete nur noch sehnsüchtig auf die Antwort seiner Geliebten auf seinen Brief. Kurz danach trat Ibrahim ein, brachte den Brief von Faridah Hanom und übergab ihn seinem Tuan. Shafik Efendi öffnete ihn rasch. Als er seinen Inhalt zur Kenntnis genommen hatte, freute er sich sehr und bereitete sich darauf vor, seine Geliebte zum ersten Mal seit langer Zeit wiederzutreffen.…