Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 33/latex

Aus Wikiversity

\setcounter{section}{33}






\zwischenueberschrift{Die jacobische Varietät}

Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} vom \definitionsverweis {Geschlecht}{}{} $g$. Wir betrachten die Abbildung \maabbeledisp {} { \pi_1(X)} { { \Gamma { \left( X, \Omega_{X } \right) } }^{ * } } {\gamma} { { \left( \omega \mapsto \int_\gamma \omega \right) } } {,} von der Fundamentalgruppe in den Dualraum zum Raum der globalen holomorphen Differentialformen, jedem geschlossenen stetigen Weg $\gamma$ wird die Auswertung zugeordnet, die zu einer holomorphen Differentialform $\omega$ das Wegintegral über $\gamma$ berechnet. Die Wohldefiniertheit der Abbildung beruht darauf, dass die Wegintegrale nach Satz 17.7 nur von der Homotopieklasse des Weges abhängen, unabhängig vom gewählten Aufpunkt sind und dass Wegintegrale linear in den Differentialformen sind. Ferner ist die Zuordnung ein \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismus}{}{,} da Wegintegrale mit der Verknüpfung von Wegen verträglich sind. Da der Dualraum wie jeder Vektorraum eine kommutative Gruppe ist, faktorisiert die Abbildung durch die erste Homologiegruppe
\mathl{H_1(X, \Z)}{,} die man ja als \definitionsverweis {Abelianisierung}{}{} der Fundamentalgruppe auffassen kann.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} und sei
\mathl{{ \Gamma { \left( X, \Omega_{X } \right) } }^{ * }}{} der \definitionsverweis {Dualraum}{}{} des Raumes der globalen \definitionsverweis {holomorphen Differentialformen}{}{} auf $X$. Dann nennt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Per} }
{ \defeq} { { \left\{ \omega \mapsto \int_\gamma \omega \mid \gamma \in \pi_1 (X) \right\} } }
{ \subseteq} { { \Gamma { \left( X, \Omega_{X } \right) } }^{ * } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das \definitionswort {Periodengitter}{} von $X$.

} Das Periodengitter ist also das Bild des oben beschriebenen Gruppenhomomorphismus. Es handelt sich unmittelbar um eine Untergruppe des Dualraumes ${ \Gamma { \left( X, \Omega_{X } \right) } }^{ * }$.

Die Dimension von
\mathl{\Gamma { \left( X, \Omega_{X } \right) }}{} und seines Dualraumes ist das \definitionsverweis {Geschlecht}{}{} $g$ von $X$. Bei einer gegebenen \definitionsverweis {Basis}{}{}
\mathl{\omega_1 , \ldots , \omega_g}{} von
\mathl{\Gamma { \left( X, \Omega_X \right) }}{} ist die Auswertung längs $\gamma$ durch das \stichwort {Periodentupel} {} \zusatzklammer {oder den \stichwort {Periodenvektor} {}} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Per} { \left( \gamma \right) } }
{ \defeq} { \left( \int_\gamma \omega_1 , \, \ldots , \, \int_\gamma \omega_g \right) }
{ \in} { {\mathbb C}^g }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} festgelegt, es liegt das kommutative Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix} \pi_1(X) & \stackrel{ }{\longrightarrow} & { \Gamma { \left( X, \Omega_X \right) } }^{ * } & \\ & \searrow & \downarrow \cong \!\!\! \!\! & \\ & & {\mathbb C}^g & \!\!\!\!\! \!\!\! \\ \end{matrix}} { }
vor, wobei der vertikale Pfeil rechts eine Linearform \maabb {\ell} { \Gamma { \left( X, \Omega_X \right) } } { {\mathbb C} } {} auf das Auswertungstupel
\mathl{\left( \ell(\omega_1) , \, \ldots , \, \ell (\omega_g) \right)}{} abbildet. Das Bild von \maabbeledisp {} { \pi_1(X) } { {\mathbb C}^g } { \gamma} { \left( \int_{\gamma} \omega_1 , \, \ldots , \, \int_{\gamma} \omega_g \right) } {,} nennt man das \stichwort {Periodengitter} {} zur gegebenen Basis, es steht unter der vertikalen Abbildung in Bijektion zum Periodengitter.

Da die erste Homologiegruppe gleich $\Z^{2g}$ ist, kann man eine \definitionsverweis {Basis}{}{}
\mathl{\gamma_1 , \ldots , \gamma_{2g}}{} finden, und das Periodengitter wird von den zugehörigen Auswertungen bzw. den zugehörigen Periodenvektoren \definitionsverweis {erzeugt}{}{.} Es liegt das kommutative Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix} \pi_1 (X) & \stackrel{ }{\longrightarrow} & { \Gamma { \left( X, \Omega_X \right) } }^{ * } & \\ \downarrow & & \downarrow \cong \!\!\!\!\! & \\ \Z^{2g} & \stackrel{ }{\longrightarrow} & {\mathbb C}^g & \!\!\!\!\! \\ \end{matrix}} { }
vor.

Das Periodengitter ist in der Tat ein Gitter im Dualraum.




\inputfaktbeweis
{Kompakte riemannsche Fläche/Holomorphe Differentialformen/Dualraum/Periodengitter/Gitter/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist das \definitionsverweis {Periodengitter}{}{} ein \definitionsverweis {Gitter}{}{} in ${ \Gamma { \left( X, \Omega_{X } \right) } }^{ * }$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir fixieren eine \definitionsverweis {Basis}{}{}
\mathl{\omega_1 , \ldots , \omega_g}{} von
\mathl{\Gamma { \left( X, \Omega_X \right) }}{.} Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Per} (\gamma) }
{ \defeq} { \left( \int_\gamma \omega_1 , \, \ldots , \, \int_\gamma \omega_g \right) }
{ \in} { {\mathbb C}^g }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} der Periodenvektor zu einem geschlossenen Weg $\gamma$. Zu einer Basis
\mathl{\gamma_1 , \ldots , \gamma_{2g}}{} von
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ H_1(X, \Z) }
{ = }{ \Z^{2g} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist zu zeigen, dass die $2g$ Vektoren
\mathl{\operatorname{Per} (\gamma_1) , \ldots , \operatorname{Per} (\gamma_{2g})}{} über $\R$ linear unabhängig sind. Es seien
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \alpha_i }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i = 1}^{2g} \alpha_i \operatorname{Per} (\gamma_i) }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dann gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i = 1}^{2g} \alpha_i \int_{\gamma_i} \omega_j }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle holomorphen Basisformen $\omega_j$. Dann gilt auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i = 1}^{2g} \alpha_i \int_{\gamma_i} \overline{ \omega }_j }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle konjugierten Differentialformen, siehe Bemerkung 24.7. Die beiden Unterräume
\mathl{H^0(X, \Omega_X)}{} und
\mathl{H^0(X, \overline{ \Omega }_X)}{} erzeugen über den Ausschitt
\mathdisp {0 \longrightarrow H^0(X, \Omega_X) \longrightarrow H^1(X, {\mathbb C}) \longrightarrow H^1(X, {\mathcal O}_{ X }) \longrightarrow ...} { }
der langen exakten Kohomologiesequenz zu Lemma 15.8 bzw. das antiholomorphe Analogon den $2g$-dimensionalen Raum
\mathl{H^1(X, {\mathbb C})}{.} Somit gilt auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i = 1}^{2g} \alpha_i \int_{\gamma_i} c }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für jede Kohomologieklasse
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c }
{ \in }{ H^1(X, {\mathbb C}) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Nach Korollar 23.9 ist wegen der Übereinstimmungen der Dimensionen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H^1(X, {\mathbb C}) }
{ \cong} { \operatorname{Hom}_{ \Z } { \left( H_1(X,\Z), {\mathbb C} \right) } }
{ \cong} { \operatorname{Hom}_{ \R } { \left( H_1(X,\R), {\mathbb C} \right) } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dann geht
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \sum_{i = 1}^{2g} \alpha_i \gamma_i }
{ \in }{ H_1(X, \R) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} unter jeder Auswertung rechts auf $0$ und muss daher selbst $0$ sein. Somit sind alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \alpha_i }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}





\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {kompakten}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ nennt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ J(X) }
{ \defeq} { { H^0(X, \Omega_X) }^{ * } / \operatorname{Per} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei $\operatorname{Per}$ das \definitionsverweis {Periodengitter}{}{} bezeichnet, die \definitionswort {Jacobische Varietät}{} zu $X$.

}

Die jacobische Varietät ist eine kompakte \definitionsverweis {komplexe Lie-Gruppe}{}{} der Dimension $g$, man spricht auch vom \stichwort {Jacobischen Periodentorus} {.}


\inputfaktbeweis
{Riemannsche Flächen/Kompakt/Jacobische Varietät/Funktiorialität/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Eine \definitionsverweis {holomorphe Abbildung}{}{} \maabb {p} {X} {Y } {} zwischen \definitionsverweis {kompakten}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} \definitionsverweis {riemannschen Flächen}{}{} \mathkor {} {X} {und} {Y} {}}
\faktfolgerung {induziert in natürlicher Weise einen \definitionsverweis {Homomorphismus}{}{} \maabbdisp {} { J(X)} {J(Y) } {} zwischen den zugehörigen \definitionsverweis {jacobischen Varietäten}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 33.2. }






\zwischenueberschrift{Der Satz von Abel-Jacobi}

In der Theorie der kompakten riemannschen Flächen nehmen einerseits die meromorphen Funktionen mit den Konzepten Hauptdivisor und Divisorenklassengruppe und andererseits die holomorphen Differentialformen mit den Wegintegralen eine wichtige Stellung ein. Der Satz von Abel-Jacobi stiftet eine Beziehung zwischen diesen beiden Seiten.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} und sei $\operatorname{Div}\, (X)_0$ die \definitionsverweis {Divisorengruppe}{}{} auf $X$ vom Grad $0$. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{J(X) }
{ = }{ { \Gamma { \left( X, \Omega_X \right) } }^{ * } /\operatorname{Per} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die \definitionsverweis {Jacobische Varietät}{}{} zu $X$. Dann nennt man die Abbildung \maabbeledisp {} {\operatorname{Div}\, (X)_0 } { J(X) } { \sum_{i \in I} P_i - \sum_{i \in I} Q_i} { { \left( \omega \mapsto \sum_{i \in I} \int_{P_i}^{Q_i} \omega \right) } } {,} die \definitionswort {Abel-Jacobi-Abbildung}{.} Dabei ist jeweils ein stetiger Weg von $Q_i$ nach $P_i$ zu wählen.

}





\inputfaktbeweis
{Kompakte riemannsche Fläche/Divisorengruppe Grad 0/Jacobische Varietät/Abbildung/Wohldefiniert/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist die \definitionsverweis {Abel-Jacobi-Abbildung}{}{} \maabbeledisp {} { \operatorname{Div}\, (X)_0 } { J(X) } { \sum_{i \in I} P_i - \sum_{i \in I} Q_i} { { \left( \omega \mapsto \sum_{i \in I} \int_{P_i}^{Q_i} \omega \right) } } {,} von der Gruppe der \definitionsverweis {Weildivisoren}{}{} auf $X$ vom Grad $0$ in die \definitionsverweis {Jacobische Varietät}{}{} $J(X)$ ein wohldefinierter \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismus}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Zunächst ist zu zeigen, dass das Ergebnis unabhängig von dem gewählten Weg von $Q_i$ nach $P_i$ ist. Wenn $\gamma, \gamma'$ zwei solche Wege sind, so ist $\gamma^{-1} \gamma'$ eine geschlossener Weg mit $P_i$ als Auf- und Endpunkt und es gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_{ \gamma' } \omega }
{ =} { \int_{ \gamma \gamma^{-1} \gamma' } \omega }
{ =} { \int_{ \gamma } \omega + \int_{ \gamma^{-1} \gamma' } \omega }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle holomorphen Differentialformen $\omega$. Da die Abbildung $\omega \mapsto \int_{ \gamma^{-1} \gamma' } \omega$ zum Periodengitter gehört, stimmen die Auswertungen zu $\gamma$ und zu $\gamma'$ in $J(X)$ überein.

Es ist ferner zu zeigen, dass die Abbildung unabhängig davon ist, welchen positiven Punkt des Weildivisors man mit welchem negativen Punkt zusammenordnet. Es seien dazu Punkte $Q_1,Q_2,P_1,P_2$ gegeben und sei $\gamma_1$ ein stetiger Weg von $Q_1$ nach $P_1$, $\gamma_2$ ein stetiger Weg von $Q_2$ nach $P_2$ und $\delta$ ein stetiger Weg von $P_1$ nach $P_2$. Dann ist, da man mit beliebigen verbindenden Wegen arbeiten kann,
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \int_{Q_1}^{P_2} \omega + \int_{Q_2}^{P_1} \omega }
{ =} { \int_{ \gamma_1 \delta } \omega + \int_{ \gamma_2 \delta^{-1} } \omega }
{ =} { \int_{ \gamma_1 } \omega + \int_{ \delta } \omega + \int_{ \gamma_2 } \omega + \int_{ \delta^{-1} } \omega }
{ =} { \int_{ \gamma_1 } \omega + \int_{ \gamma_2 } \omega }
{ =} { \int_{Q_1}^{P_1} \omega + \int_{Q_2}^{P_2} \omega }
} {} {}{.} Die Homomorphismuseigenschaft ist klar.

}





\inputfaktbeweis
{Kompakte riemannsche Fläche/Divisorenklassengruppe Grad 0/Jacobische Varietät/Abel-Jacobi-Abbildung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann induziert die \definitionsverweis {Abel-Jacobi-Abbildung}{}{} einen \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismus}{}{} \maabbeledisp {} { \operatorname{DKG} { \left( X \right) }_0 } { J(X) } { [\sum_{i \in I} P_i - \sum_{i \in I} Q_i]} { { \left( \omega \mapsto \sum_{i \in I} \int_{P_i}^{Q_i} \omega \right) } } {,} von der \definitionsverweis {Divisorenklassengruppe}{}{} von $X$ vom Grad $0$ in die \definitionsverweis {Jacobische Varietät}{}{} $J(X)$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach Lemma 33.6 liegt ein Gruppenhomomorphismus \maabbeledisp {} { \operatorname{Div}\, (X)_0 } { J(X) } { \sum_{i \in I} P_i - \sum_{i \in I} Q_i} { { \left( \omega \mapsto \sum_{i \in I} \int_{P_i}^{Q_i} \omega \right) } } {,} vor. Nach Satz 27.10 gehört zu jedem \definitionsverweis {Hauptdivisor}{}{} und jeder globalen holomorphen Differentialform $\omega$ der Ausdruck
\mathl{\sum_{i \in I} \int_{P_i}^{Q_i} \omega}{} zur Periodengruppe $\operatorname{Per} (\omega)$. Ferner zeigt der Beweis zu Satz 27.10, dass die Zugehörigkeit zur Periodengruppe auf der Existenz von Wegen beruht, die unabhängig von der Differentialform sind. Daher gehört die Auswertung
\mathl{\omega \mapsto \sum_{i \in I} \int_{P_i}^{Q_i}}{} zum \definitionsverweis {Periodengitter}{}{,} siehe Aufgabe 33.3. Deshalb faktorisiert die Abel-Jacobi-Abbildung durch die Restklassengruppe modulo der Hauptdivisoren, also durch die Divisorenklassengruppe.

}


Diese Abbildung nennt man ebenfalls \stichwort {Abel-Jacobi-Abbildung} {.} Wir möchten zeigen, dass diese Abbildung ein Isomorphismus ist, dies ist der Inhalt des Satzes von Abel-Jacobi. Aus der Exponentialsequenz \zusatzklammer {siehe Beispiel 11.14 und Lemma 25.13} {} {} erhält man eine exakte Sequenz
\mathdisp {0 \longrightarrow H^1(X,\Z) \longrightarrow H^1 (X, {\mathcal O}_{ X } ) \longrightarrow H^1(X, {\mathcal O}_{ X } ^{\times} ) \cong \operatorname{DKG} { \left( X \right) } \longrightarrow H^2 (X, \Z) \longrightarrow 0} { . }
Die hintere Abbildung ist dabei die Gradabbildung und somit liegt eine kurze exakte Sequenz
\mathdisp {0 \, \stackrel{ }{\longrightarrow} \, H^1(X,\Z) \, \stackrel{ }{ \longrightarrow} \, H^1 (X, {\mathcal O}_{ X } ) \, \stackrel{ }{\longrightarrow} \, \operatorname{DKG}_0 { \left( X \right) } \,\stackrel{ } {\longrightarrow} \, 0} { }
vor. Über die Abel-Jacobi-Abbildung ist die Gruppe rechts mit der jacobischen Varietät verbunden. Es liegt die Situation
\mathdisp {\begin{matrix} 0 & \stackrel{ }{\longrightarrow} & H^1(X,\Z) & \stackrel{ }{\longrightarrow} & H^1 (X, {\mathcal O}_{ X } ) & \stackrel{ }{\longrightarrow} & \operatorname{DKG}_0 { \left( X \right) } & \stackrel{ }{\longrightarrow} & 0 & \\ \downarrow & & \!\!\!\!\! ? \downarrow & & \downarrow ? \!\!\!\!\! & & \downarrow & & \downarrow & \\ 0 & \stackrel{ }{\longrightarrow} & H_1(X, \Z) & \stackrel{ \int }{\longrightarrow} & { H^0(X, \Omega_X) }^{ * } & \stackrel{ }{\longrightarrow} & J & \stackrel{ }{\longrightarrow} & 0 &\!\!\!\!\! \end{matrix}} { }
vor, wobei die untere Zeile die jacobische Varietät definiert und wobei wir die vertikalen Abbildungen links und in der Mitte noch nicht festgelegt haben.





\inputfaktbeweis
{Exponentialsequenz/Jacobische Varietät/Kommutativität mit Serre Dualität/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann kommutiert das Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix} H^1(X, {\mathcal O}_{ X } ) & \stackrel{ H^1( \exp ) }{\longrightarrow} & H^1(X, {\mathcal O}_{ X } ^{\times} )_0 \cong \operatorname{DKG}_0 { \left( X \right) } & \\ \!\!\!\!\! \operatorname{Res} \downarrow & & \downarrow & \\ { H^0(X, \Omega) }^{ * } & \stackrel{ }{\longrightarrow} & J & \!\!\!\!\! . \\ \end{matrix}} { }
Dabei steht links der Isomorphismus der \definitionsverweis {Serre-Dualität}{}{} und rechts die \definitionsverweis {Abel-Jacobi-Abbildung}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die horizontalen Abbildungen sind surjektiv. Da alle Abbildungen \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismen}{}{} sind, genügt es, die Aussage für das \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{}
\mathl{[P]-[Q]}{} zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P,Q }
{ \in }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} von
\mathl{\operatorname{DKG}_0 { \left( X \right) }}{} und ein irgendwie gewähltes Urbild
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c }
{ \in }{ H^1(X, {\mathcal O}_{ X } ) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zu zeigen. Es sei $\gamma$ ein stetiger Weg von $Q$ nach $P$. Die Divisorklasse $[P] -[Q]$ wird unter der Abel-Jacobi-Abbildung auf die Auswertung $\omega \mapsto \int_\gamma \omega$ für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \omega }
{ \in }{ H^0(X,\Omega) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und die Kohomologieklasse $c$ wird unter der Residuenabbildung auf die Linearform $\omega \mapsto \operatorname{Res}_{ } \left( H^1(c\omega) \right)$ abgebildet. Es ist also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ [ \omega \mapsto \operatorname{Res}_{ } \left( H^1(c\omega) \right)] }
{ =} { [ \omega \mapsto \int_\gamma \omega ] }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} in $J$ zu zeigen. Wir überdecken den Weg $\gamma$ mit Kreisscheiben und wählen Übergangspunkte. Wegen der Additivität der Abbildungen können wir annehmen, dass die beiden Punkte in einer offenen Kreisscheibe $U_1$ liegen. Da die Wegintegrale nur von der Homotopieklasse des Weges abhängen, kann man $\gamma$ im Kartenbild durch den direkten linearen Weg von $Q$ nach $P$ ersetzen. Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ U_2 }
{ \defeq} { X \setminus \gamma([0,1]) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Damit sind wir in der Situation von Beispiel 25.14, d.h. die auf
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ U_1 \cap U_2 }
{ =} { U_1 \setminus \gamma([0,1]) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definierte holomorphe Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h(z) }
{ =} { \ln \left( z-P \right) - \ln \left( z-Q \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} repräsentiert eine Kohomologieklasse $c$, die auf
\mathl{[Q] - [P]}{} abbildet. Wir möchten diese Kohomologieklasse im Sinne von Korollar 25.6 repräsentieren. Dazu seien
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \gamma([0,1]) }
{ \subseteq} { U_1' }
{ \subseteq} { U_1^{\prime \prime} }
{ \subseteq} { U_1 }
{ } { }
} {}{}{} offenen Scheibenumgebungen mit unterschiedlichen Radien \zusatzklammer {im Kartenbild} {} {.} Wir können $h$ durch die entsprechende Funktion auf $U_1' \setminus \gamma([0,1])$ bzw. $U_1^{\prime \prime} \setminus \gamma([0,1])$ ersetzen. Wir wählen eine $C^\infty$-differenzierbare Funktion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g }
{ \in }{ H^0(U_1, { \mathcal E } ) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die auf $U_1'$ den Wert $1$ und außerhalb von $U_1^{\prime \prime}$ den Wert $0$ besitzt \zusatzklammer {siehe Satz 25.3} {} {.} Diese können wir durch $0$ auf ganz $X$ fortsetzen. Die offenen Mengen \mathkor {} {U_1'} {und} {U_2} {} bilden nach wie vor eine offene Überdeckung von $X$ und die Funktion $0$ auf $U_1'$ und $gh$ auf $U_2$ bilden eine ${ \mathcal E }$-Realisierung der Kohomologieklasse, da die Differenz auf dem Durchschnitt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ U_1' \cap U_2 }
{ =} { U_1' \setminus \gamma([0,1]) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gleich
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ gh }
{ = }{ h }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ = }{ gh }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf $U_2$. Es ist dann $d^a f$ gleich $0$ auf $U_1'$, da $h$ holomorph ist, und damit ist $d^a (f)$ ein globales Element von
\mathl{H^0 (X, { \mathcal E }^{(0,1)} )}{,} das ein Urbild der Kohomologieklasse $c$ ist. Nach Lemma 16.16 wird diese Form unter dem durch eine holomorphe Differentialform $\omega$ definierten Homomorphismus auf $\omega \wedge d^a f$ in
\mathl{H^0(X, { \mathcal E }^{(2)} )}{} abgebildet. Dieses repräsentiert das Bild der Kohomologieklasse $c$
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Res}_{ } \left( H^1(\omega)(c) \right) }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_X \omega \wedge d^a f }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_X \omega \wedge d f }
{ =} { { \frac{ 1 }{ 2 \pi { \mathrm i} } } \int_{A_2'} \omega \wedge d f }
{ } { }
} {}{}{,} wobei $A_2'$ der Abschluss von $U_2'$ sei und wobei die letzte Umformung statthaft ist, da ja $df$ außerhalb von $A_2'$ gleich $0$ ist. Es sei $\delta$ der einfach durchlaufene Rand von $A_2'$. Nach Stokes ist dieses Integral gleich
\mathdisp {\int_{\delta} f \omega} { . }

}





\inputfaktbeweis
{Kompakte riemannsche Fläche/Divisorenklassengruppe Grad 0/Jacobische Varietät/Abel-Jacobi/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist die \definitionsverweis {Abel-Jacobi-Abbildung}{}{} \maabbeledisp {} { \operatorname{DKG} { \left( X \right) }_0 } { J(X) } { [\sum_{i \in I} P_i - \sum_{i \in I} Q_i ] } { { \left( \omega \mapsto \sum_{i \in I} \int_{P_i}^{Q_i} \omega \right) } } {,} von der \definitionsverweis {Divisorenklassengruppe}{}{} auf $X$ vom Grad $0$ in die \definitionsverweis {Jacobische Varietät}{}{} $J(X)$ ein \definitionsverweis {Gruppenisomorphismus}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Abbildung ist nach Lemma 33.7 ein wohldefinierter Gruppenhomomorphismus. Aus Lemma 33.8 folgt, dass er surjektiv ist.

}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} und sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{Q }
{ \in }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein fixierter Punkt. Dann nennt man die Abbildung \maabbeledisp {} {X} { J(X) } {P} { { \left( \omega \mapsto \int_Q^P \omega \right) } } {,} die \definitionswort {natürliche Abbildung in die Jacobische}{.} Dabei ist ein stetiger Weg von $Q$ nach $P$ zu wählen.

}

Man beachte, dass $\int_Q^P \omega$ vom gewählten Weg abhängt, die Differenz aber ein Periodentupel zu einem geschlossenen Weg ist und also im Periodengitter liegt. Daher ist die Abbildung in die Jacobische wohldefiniert.