Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2015)/Vorlesung 28
- Konstruierbare Einheitswurzeln
Definition
Es sei . Man sagt, dass das regelmäßige -Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, wenn die komplexe Zahl
eine konstruierbare Zahl ist.
Die Menge der komplexen Einheitswurzeln , , bilden die Eckpunkte eines regelmäßigen -Ecks, wobei eine Ecke bildet. Alle Eckpunkte liegen auf dem Einheitskreis. Die Ecke ist eine primitive Einheitswurzel; wenn diese mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, so sind auch alle weiteren Eckpunkte konstruierbar. Bei kann man sich darüber streiten, ob man von einem regelmäßigen -Eck sprechen soll, jedenfalls gibt es die zugehörigen Einheitswurzeln und diese sind aus , also erst recht konstruierbar. Das regelmäßige Dreieck ist ein gleichseitiges Dreieck und dieses ist konstruierbar nach Beispiel 27.7, da der dritte Kreisteilungskörper eine quadratische Körpererweiterung von ist (man kann einfacher auch direkt zeigen, dass ein gleichseitiges Dreieck aus seiner Grundseite heraus konstruierbar ist). Das regelmäßige Viereck ist ein Quadrat mit den Eckpunkten , und dieses ist ebenfalls konstruierbar. Das regelmäßige Fünfeck ist ebenfalls konstruierbar, wie in Beispiel 27.9 bzw. Aufgabe 27.15 gezeigt wurde. Wir werden im Folgenden sowohl positive als auch negative Resultate zur Konstruierbarkeit von regelmäßigen -Ecken vorstellen.
Lemma
Sei , . Dann gelten folgende Aussagen.
- Das regelmäßige -Eck, , ist konstruierbar.
- Wenn das regelmäßige -Eck konstruierbar ist, so sind auch das regelmäßige -Eck und das regelmäßige -Eck konstruierbar.
- Wenn und teilerfremd sind und wenn das regelmäßige -Eck und das regelmäßige -Eck konstruierbar sind, so ist auch das regelmäßige -Eck konstruierbar.
Beweis
(1) folgt daraus, dass eine Winkelhalbierung stets mit Zirkel und Lineal
durchführbar
ist.
(2). Nach Voraussetzung ist
konstruierbar.
Dann ist auch nach
Satz 25.9
die Potenz
konstruierbar.
(3). Es seien nun
und
konstruierbar und
und
teilerfremd. Nach
dem Lemma von Bezout
gibt es dann ganze Zahlen mit
.
Daher ist auch
konstruierbar.
Aus diesem Lemma kann man in Zusammenhang mit den oben erwähnten Konstruktionsmöglichkeiten folgern, dass die regelmäßigen -Ecke, die regelmäßigen -Ecke und die regelmäßigen -Ecke für jedes konstruierbar sind.
Satz
Es sei eine natürliche Zahl derart, dass das regelmäßige -Eck konstruierbar ist.
Dann ist eine Zweierpotenz.
Beweis
Die Voraussetzung besagt, dass die primitive Einheitswurzel konstruierbar ist. Dann muss nach Korollar 26.7 der Grad des Minimalpolynoms von eine Zweierpotenz sein. Nach Korollar 27.14 ist das Minimalpolynom von das -te Kreisteilungspolynom, und dieses hat den Grad . Also muss eine Zweierpotenz sein.
Er beruht darauf, dass der -te Kreisteilungskörper den Grad besitzt und dass im konstruierbaren Fall der Grad einer Körpererweiterung eine Zweierpotenz sein muss.
- Winkeldreiteilung
Wir sind nun in der Lage, das Problem der Winkeldreiteilung zu beantworten.
Korollar
Das regelmäßige -Eck ist
nicht mit Zirkel und Lineal konstruierbar.
Beweis
Wäre das regelmäßige -Eck konstruierbar, so müsste nach Satz 28.3 eine Zweierpotenz sein. Es ist aber .
Satz
Es ist nicht möglich, einen beliebig vorgegebenen Winkel mittels Zirkel und Lineal in drei gleich große Teile zu unterteilen.
Beweis
Es genügt, einen (konstruierbaren) Winkel derart anzugeben, dass nicht konstruierbar ist. Wir betrachten Grad, welcher konstruierbar ist, da die dritten Einheitswurzeln konstruierbar sind, weil sie nämlich in einer quadratischen Körpererweiterung von liegen. Dagegen ist der Winkel nicht konstruierbar, da andernfalls das regelmäßige -Eck konstruierbar wäre, was nach Korollar 28.4 aber nicht der Fall ist.
Wir geben noch einen weiteren Beweis, dass die Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal nicht möglich ist, der nicht auf der allgemeinen Irreduzibilität der Kreisteilungspolynome
(die wir nicht bewiesen haben)
beruht.
Bemerkung
Wir zeigen direkt, dass man den Winkel Grad nicht konstruieren kann (obwohl man Grad konstruieren kann). Aufgrund der Additionstheoreme für die trigonometrischen Funktionen gilt
und damit
Also wird vom Polynom annulliert. Dieses Polynom ist nach Aufgabe 28.2 irreduzibel. Also muss es nach Lemma 23.2 das Minimalpolynom von sein. Daher kann nach Korollar 26.7 nicht konstruierbar sein und damit ebensowenig .
- Fermatsche Primzahlen
Die Frage der Konstruierbarkeit von regelmäßigen -Ecken führt uns zu Fermatschen Primzahlen.
Definition
Eine Primzahl der Form , wobei eine positive natürliche Zahl ist, heißt Fermatsche Primzahl.
Es ist unbekannt, ob es unendlich viele Fermatsche Primzahlen gibt. Es ist noch nicht mal bekannt, ob es außer den ersten fünf Fermat-Zahlen
überhaupt weitere Fermatsche Primzahlen gibt.
Lemma
Bei einer Fermatschen Primzahl hat der Exponent die Form mit einem .
Beweis
Wir schreiben mit ungerade. Damit ist
Für ungerades gilt generell die polynomiale Identität (da eine Nullstelle ist)
Also ist ein Teiler von . Da diese Zahl nach Voraussetzung prim ist, müssen beide Zahlen gleich sein, und dies bedeutet .
Satz
Ein reguläres -Eck ist genau dann mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn die Primfaktorzerlegung von die Gestalt
hat, wobei die verschiedene Fermatsche Primzahlen sind.
Beweis
Für die andere Richtung muss man aufgrund von Lemma 28.2 lediglich zeigen, dass für eine Fermatsche Primzahl das regelmäßige -Eck konstruierbar ist. Dies haben wir für explizit getan. Gauss selbst hat eine Konstruktion für das reguläre -Eck angegeben. Für die anderen Fermatschen Primzahlen (bekannt oder nicht)
folgt die Konstruierbarkeit aus der Galoistheorie.