Kurs:Vorkurs Mathematik (Osnabrück 2021)/Vorlesung 1/kontrolle
- Ganze Zahlen und Rechengesetze
Wir arbeiten mit den folgenden Mengen, deren Kenntnis wir voraussetzen.
die Menge der natürlichen Zahlen (mit der ).
die Menge der ganzen Zahlen.
Diese Mengen sind mit den natürlichen Operationen Addition und Multiplikation versehen, an deren Eigenschaften wir erinnern.[1]
Die Mathematik wird zumindest prinzipiell ausgehend von wenigen (logischen und mengentheoretischen) Grundprinzipien (Axiome) systematisch aufgebaut. In einem mathematischen Kurs, insbesondere für Anfänger, setzt man aber doch oft gewisse mathematische Objekte mit ihren typischen Operationen und Eigenschaften voraus. Beispielsweise hinterfragt man häufig nicht die natürlichen Zahlen mit ihrer Addition oder die reellen Zahlen mit ihrer Anordnung. In diesen Fällen muss man aber explizit machen, was genau man jetzt voraussetzt und was nicht. Was man nicht voraussetzt, muss man aus den vorausgesetzten Tatsachen erschließen.
Insbesondere werden im Mathematikstudium die meisten Gesetzmäßigkeiten, die man aus der Schule kennt, ausgehend von wenigen Grundgesetzen, begründet. Es gehört zum Studieren, zu erkennen, welche Grundtatsachen in welchem Kontext vorausgesetzt werden und daher erlaubt sind und welche nicht. Es hilft wesentlich im Verstehen der Zusammenhänge, sich von Gewohnheiten zu lösen und nur erlaubte Mittel zu verwenden. Die aus der Schule vertrauten Tatsachen werden recht schnell erarbeitet und stehen dann wieder zur Verfügung.
Gegen einen noch stärker logisch-systematischen Aufbau der Mathematik spricht die didaktische Erfahrung, dass man sich dann in Begrifflichkeiten verlieren kann. Im Rahmen der mathematischen Logik wird ein solcher Aufbau durchgeführt, der konsequente Aufbau des Zahlensystems aus grundlegendsten Prinzipien wird im BEU-Studiengang durchgeführt, da ja dort auch auf die entsprechende Vermittlung der Zahlenbereiche vorbereitet werden soll.
Die Addition auf erfüllt die folgenden Eigenschaften.
- Es ist
Mathematische Aussagen werden häufig mit Variablen formuliert, typischerweise mit Buchstaben, die jede beliebige Zahl aus dem gegebenen Zahlenbereich oder allgemeiner beliebige Elemente aus einer Menge repräsentieren können. Solche Aussagen sind in der Regel Allaussagen, (siehe aber auch Bemerkung weiter unten.), die eben für alle Objekte gelten. Eine Allaussage ist wahr, wenn bei jeder Einsetzung, in der die Variablen durch (beliebige konkrete) Elemente der Menge ersetzt werden, eine wahre Aussage auf der Elementebene entsteht. Es finden sich Formulierungen wie „für alle“, „für jedes“, „für ein beliebiges“, wobei aber stets eine Menge, auf die sich die Allaussage bezieht, gegenwärtig ist. Manchmal wird die Allformulierung auch weggelassen und muss aus dem Kontext erschlossen werden. Dies ist zumeist unproblematisch, da man ja in der Mathematik an allgemeingültigen Aussagen interessiert ist. In formaler Schreibweise wird auch das Symbol , der Allquantor, verwendet (siehe hierzu auch Bemerkung weiter unten.).
Wenn man eine „Formel“ mit Variablen formuliert, so kommen darin gewisse Variablen mehrfach vor. Die Gültigkeit für alle bedeutet dabei, dass man eine Variable überall dort, wo sie vorkommt, durch das gleiche Element ersetzen muss. Das Assoziativgesetz
bedeutet, dass man für jeweils beliebige Zahlen einsetzen darf, aber natürlich links und rechts für die gleiche Zahl einsetzen muss.
Gelegentlich gilt eine Aussage für nahezu alle Elemente, aber mit gewissen Ausnahmen, die dann unbedingt explizit angegeben werden müssen. So kann man innerhalb der reellen Zahlen durch jede reelle Zahl dividieren, aber eben nicht durch die .
für beliebige (alle) Zahlen , d.h. die Addition ist assoziativ.
Ein wichtiges Prinzip der Mathematik wie einer jeden Wissenschaft ist, dass in ihr Fachbegriffe eine große Rolle spielen. Diese haben eine spezifische Bedeutung, die man im Allgemeinen nicht aus der zugrunde liegenden Wortbedeutung erschließen kann. Diese spezifische Bedeutung, der richtige Kontext u.s.w. muss man lernen. Ohne die Kenntnis dieser Vokabeln ist eine wissenschaftliche Kommunikation nicht möglich. Deshalb gehört das Vokabellernen mit zum Studieren. Dies ist insbesondere in der Mathematik von der Schule her etwas ungewohnt, wo Mathematik eher nicht als „Lernfach“ gilt.
Die mathematischen Fachbegriffe werden in der Regel in expliziten Definition präzise fixiert, seltener auch „en passant“. Der Anspruch an eine mathematische Definition ist, dass man in allen Situationen, wo sie grundsätzlich anwendbar ist, prinzipiell entscheiden kann, ob sie zutrifft oder nicht zutrifft. Die Begriffe sind daher logisch aufgebaut und können dabei Bezug auf zuvor definierte Begriffe nehmen. Sie haben eine völlig andere Struktur wie normalsprachliche Begriffe wie beispielsweise „Strauch“ oder „Bach“, die durch typische Beispiele vermittelt werden (so „lernt“ auch die KI), die für einen Großteil der Objekte die richtige Vorstellung vermitteln, in Grenzfällen aber zu Unklarheiten führen.
Definitionen gehen einher mit typischen Sprechweisen.
Häufig werden mathematische Begriffe von einer spezielleren Situation auf eine allgemeinere Situation ausgeweitet. So hat man die Addition von natürlichen Zahlen, von ganzen Zahlen, von reellen Zahlen, die Addition in Vektorräumen, etc. Die bezeichnet eine Zahl, dann aber auch das neutrale Element in einer Gruppe, die konstante Funktion mit dem Wert .
Ein mathematischer Begriff kann unterschiedlich aber mit gleichem Inhalt definiert werden. So gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine gerade Zahl zu definieren, oder eine rationale Zahl, oder die Determinante einer quadratischen Matrix. Wenn man sich für eine Definition entschieden hat (sagen wir in einem Kurs, in einem Buch), so ist es ein wichtiges Anliegen zu zeigen, dass die gewählte Definition inhaltsgleich zu anderen möglichen Definitionen ist.
Das mathematische Vokabular ist historisch gewachsen, es ist wenig ergiebig, sich Gedanken über die Ursprünge zu machen. Viele Begriffe wie etwa „irreduzibel“ kommen in verschiedenen mathematischen Gebieten vor und haben dort ihre jeweilige Bedeutung. Gelegentlich besteht Uneinigkeit, wie ein Begriff zu fassen ist, ob beispielsweise die zu den natürlichen Zahlen gehört oder nicht. Im Großen und Ganzen ist aber die Mathematik begrifflich einheitlich aufgebaut.
- Es ist
für beliebige Zahlen , d.h. die Addition ist kommutativ.
- Es gilt
für jedes (man sagt, dass das neutrale Element der Addition ist).
Ein wichtiges Prinzip der Mathematik liegt in der Bedeutung von Eigenschaften. In vielerlei Hinsicht sind die Eigenschaften eines Objektes wichtiger als die Objekte selbst, in einem gewissen Sinne konstituieren die Eigenschaften erst die Objekte. Die ist durch die Eigenschaft gekennzeichnet, dass ihre Summe mit jeder anderen (egal ob natürlich oder reell) Zahl wieder jene Zahl ergibt, oder ist durch die Eigenschaft gekennzeichnet, dass ihre Summe mit wiederum ergibt.
Diese strukturellen Eigenschaften treten in recht verschiedenen Kontexten auf und geben Anlass zu neuen Begrifflichkeiten wie neutrales Element oder inverses Element. Wichtig sind insbesondere solche Eigenschaften, die ein Element, das diese Eigenschaft besitzt, sogar eindeutig festlegen. Es gibt dann nur ein Element mit dieser Eigenschaft.
- Zu jedem
besitzt die Eigenschaft
(man sagt, dass das negative Element zu ist).
Neben Allaussagen gibt es Existenzaussagen. Diese besagen, dass es in einem bestimmten Kontext ein Element mit einer bestimmten Eigenschaft gibt. In der Mathematik bedeutet Existenz immer die Existenz von mindestens einem Objekt. Neben „es gibt“ trifft man auf Formulierungen wie „es existiert“, „man findet“, „man kann finden“ oder „wir wählen“. In formaler Schreibweise wird auch das Symbol , der Existenzquantor, verwendet (siehe hierzu auch Bemerkung weiter unten.).
Zum Beispiel gibt es innerhalb der natürlichen Zahlen ein Zahl, die addiert zu jeder beliebigen Zahl jene Zahl ergibt, nämlich die . Dass eine gegebene natürliche Zahl gerade ist kann man dadurch ausdrücken, dass es eine weitere natürliche Zahl mit der Beziehung . gibt. Zu einer ganzen Zahl gibt es eine dazugehörige negative Zahl. Eine Gleichung kann eine Lösung besitzen, aber im Allgemeinen ist nicht jede Zahl eine Lösung.
Die Existenz eines Objektes ergibt sich, wenn man ein solches explizit angeben kann. Sie kann aber auch anders, etwa durch die Existenz gewisser anderer Objekte erschlossen werden. Wenn die Existenz eines Objektes bekannt ist, so wird in einer mathematischen Argumentation häufig ein solches Element „hergenommen“, irgendwie bezeichnet und dann weiterverarbeitet. Dabei darf dann nur die reine Existenz des Objektes verwendet werden, keine weiteren Eigenschaften, die man ja nicht kennt. Man darf ein solches existierendes Objekt beliebig bezeichnen, allerdings nur mit einem Buchstaben, der im gegebenen Kontext nicht verbraucht ist.
Von der reinen Existenz muss man die Frage unterscheiden, ob es mehrere Objekte gibt, die eine gewisse Eigenschaft erfüllen, oder aber nur ein einziges. Im letzteren Fall spricht man von der eindeutigen Existenz.
Die Multiplikation auf erfüllt die folgenden Eigenschaften.
- Es ist
für beliebige (alle) Zahlen , d.h. die Multiplikation ist assoziativ.
- Es ist
für beliebige Zahlen , d.h. die Multiplikation ist kommutativ.
- Es gilt
für jedes (man sagt, dass das neutrale Element der Multiplikation ist).
Man spricht auch vom Assoziativgesetz der Addition u.s.w.. Addition und Multiplikation sind durch das sogenannte Distributivgesetz miteinander verbunden. Dieses besagt
für alle .
Auf den ganzen Zahlen ist die Größer/Gleich-Beziehung (oder Ordnungsbeziehung) definiert. Man schreibt , wenn mindestens so groß wie ist. Eine ganze Zahl ist genau dann eine natürliche Zahl, wenn ist. Die Beziehung gilt genau dann, wenn es eine natürliche Zahl mit gibt. Für die Ordnungsbeziehung gelten die folgenden Regeln, und zwar für beliebige ganze Zahlen :
- Es ist (dies nennt man die Reflexivität der Ordnung).
- Aus und folgt (dies nennt man die Transitivität der Ordnung).
- Aus und folgt (dies nennt man die Antisymmetrie der Ordnung).
- Aus folgt (dies nennt man die Additivität der Ordnung).
- Aus und folgt (dies nennt man die Multiplikativität der Ordnung).
- Aus und (also negativ) folgt .
Bei der Multiplikation mit einer negativen Zahl dreht sich also die Ordnungsbeziehung um.
- Induktion
Die natürlichen Zahlen sind dadurch ausgezeichnet, dass man jede natürliche Zahl ausgehend von der durch den Zählprozess (das sukzessive Nachfolgernehmen)
erreichen kann. Daher können mathematische Aussagen, die von natürlichen Zahlen abhängen, mit dem BeweisprinzipIn der Mathematik möchte man die Gültigkeit von Aussagen nachweisen, begründen, zeigen, beweisen. Ein Beweis stellt die stringenteste Art einer mathematischen Argumentation dar. In einem mathematischen Beweis wird allein durch logisches Schlussfolgern bei konsequenter Verwendung der Begriffe gemäß ihrer Definitionen und von schon bereits bewiesenen Aussagen die Wahrheit von neuen Aussagen erwiesen. Es ist ein Hauptziel der fachmathematischen Ausbildung, Beweise auf ihre Korrektheit hin beurteilen und die grundlegenden Beweistechniken anwenden zu können.
Man unterscheidet direkter Beweis, Beweis durch vollständige Induktion, Beweis durch Fallunterscheidung, Beweis durch Widerspruch. Ein komplexer Beweis ist üblicherweise eine Kombination aus diesen Grundtypen.
Eine bewiesene mathematische Behauptung nennt man einen Satz (bzw. Lemma oder Proposition oder Korollar).
Wir betrachten in der Ebene eine Konfiguration von Geraden und fragen uns, was die maximale Anzahl an Schnittpunkten ist, die eine solche Konfiguration haben kann. Dabei ist es egal, ob wir uns die Ebene als einen (eine kartesische Ebene mit Koordinaten) oder einfach elementargeometrisch vorstellen, wichtig ist im Moment allein, dass sich zwei Geraden in genau einem Punkt schneiden können oder aber parallel sein können. Wenn klein ist, so findet man relativ schnell die Antwort.
Doch schon bei etwas größerem (?) kann man ins Grübeln kommen, da man sich die Situation irgendwann nicht mehr präzise vorstellen kann. Aus einer präzisen Vorstellung wird eine Vorstellung von vielen Geraden mit vielen Schnittpunkten, woraus man aber keine exakte Anzahl der Schnittpunkte ablesen kann. Ein sinnvoller Ansatz zum Verständnis des Problems ist es, sich zu fragen, was eigentlich passiert, wenn eine neue Gerade hinzukommt, wenn also aus Geraden Geraden werden. Angenommen, man weiß aus irgendeinem Grund, was die maximale Anzahl der Schnittpunkte bei Geraden ist, im besten Fall hat man dafür eine Formel. Wenn man dann versteht, wie viele neue Schnittpunkte maximal bei der Hinzunahme von einer neuen Geraden hinzukommen, so weiß man, wie die Anzahl der maximalen Schnittpunkte von Geraden lautet.
Dieser Übergang ist in der Tat einfach zu verstehen. Die neue Gerade kann höchstens jede der alten Geraden in genau einem Punkt schneiden, deshalb kommen höchstens neue Schnittpunkte hinzu. Wenn man die neue Gerade so wählt, dass sie zu keiner der gegebenen Geraden parallel ist (was möglich ist, da es unendlich viele Richtungen gibt) und ferner so wählt, dass die neuen Schnittpunkte von den schon gegebenen Schnittpunkten der Konfiguration verschieden sind (was man erreichen kann, indem man die neue Gerade parallel verschiebt, um den alten Schnittpunkten auszuweichen), so erhält man genau neue Schnittpunkte. Von daher ergibt sich die (vorläufige) Formel
bzw.
also einfach die Summe der ersten natürlichen Zahlen.
Im vorstehenden Beispiel liegt eine Summe vor, wobei die Anzahl der Summanden selbst variieren kann. Für eine solche Situation ist das Summenzeichen sinnvoll. Für gegebene reelle Zahlen bedeutet.
Ein häufiges Missverständnis über die Mathematik ist, dass sie „formal“ sei bzw. dass eine Hauptschwierigkeiten darin liege, ihren Formalismus zu verstehen. Die Mathematik ist präzise, begriffsorientiert, logisch, abstrakt, aber nicht formal. Im Rahmen der Prädikatenlogik lässt sie sich auch formalisieren, das entspricht aber nicht der eigentlichen mathematischen Arbeitsweise. Logische Symbole wie (logische Implikation, logische Äquivalenz, Allquantor, Existenzquantor) sollten daher (insbesondere von Studienanfängern) besser vermieden werden, da sie nicht „wissenschaftlicher“ sind als die direkten Wörter, eine Professionalität vortäuschen und eine unnötige Fehlerquelle darstellen.
Allerdings sieht man in mathematischen Texten neben Zahlen und Variablen eine Reihe von Symbolen wie , die Abkürzungen für mathematische Terme und Sachverhalte darstellen und deren Bedeutung man kennen muss.
Dabei hängen im Allgemeinen die in einer formelhaften Weise von ab, beispielsweise ist im Beispiel , es könnte aber auch etwas wie oder vorliegen. Der -te Summand der Summe ist jedenfalls , dabei nennt man den Index des Summanden. Entsprechend ist das Produktzeichen definiert, nämlich durch
Wir möchten für die Summe der ersten Zahlen, die die maximale Anzahl der Schnittpunkte in einer Konfiguration aus Geraden angibt, eine einfachere Formel angeben. Und zwar behaupten wir, dass
Für kleinere Zahlen stimmt dies aus dem einfachen Grund, dass links und rechts dasselbe herauskommt. Um die Gleichung allgemein zu beweisen, überlegen wir uns, was links und was rechts passiert, wenn wir das um erhöhen, so wie wir in Beispiel 1.1 die Geradenkonfiguration um eine zusätzliche Gerade verkompliziert haben. Auf der linken Seite kommt einfach der zusätzliche Summand hinzu. Auf der rechten Seite haben wir den Übergang von nach . Wenn wir zeigen können, dass die Differenz zwischen diesen beiden Brüchen ebenfalls ist, so verhält sich die rechte Seite genauso wie die linke Seite. Dann kann man so schließen: die Gleichung gilt für die kleinen , etwa für . Durch den Differenzenvergleich gilt es auch für das nächste , also für , durch den Differenzenvergleich gilt es für das nächste , u.s.w. Da dieses Argument immer funktioniert, und da man jede natürliche Zahl irgendwann durch sukzessives Nachfolgernehmen erreicht, gilt die Formel für jede natürliche Zahl.
Die folgende Aussage begründet das Prinzip der vollständigen Induktion.
Für jede natürliche Zahl sei eine Aussage gegeben. Es gelte
- ist wahr.
- Für alle gilt: wenn gilt, so ist auch wahr.
Dann gilt für alle .
Wegen der ersten Voraussetzung gilt . Wegen der zweiten Voraussetzung gilt auch . Deshalb gilt auch . Deshalb gilt auch . Da man so beliebig weitergehen kann und dabei jede natürliche Zahl erhält, gilt die Aussage für jede natürliche Zahl .
Der Nachweis von heißt dabei der Induktionsanfang und der Schluss von auf heißt der Induktionsschritt. Innerhalb des Induktionsschrittes nennt man die Gültigkeit von die Induktionsvoraussetzung. In manchen Situationen ist die Aussage erst für
für ein gewisses
(definiert oder)
wahr. Dann beweist man im Induktionsanfang die Aussage und den Induktionsschluss führt man für
durch.
Wir begründen nun die Gleichheit
mit dem Induktionsprinzip.
Beim Induktionsanfang ist , daher besteht die Summe links nur aus einem Summanden, nämlich der , und daher ist die Summe . Die rechte Seite ist , sodass die Formel für stimmt.
Für den Induktionsschritt setzen wir voraus, dass die Formel für ein gilt, und müssen zeigen, dass sie dann auch für gilt. Dabei ist beliebig. Es ist.
Bei einer Termumformung wird entlang einer Gleichungskette ein Term, also ein mathematischer Ausdruck, der ein mathematisches Objekt repräsentiert, in einen anderen Term überführt, und damit gezeigt, dass es sich um das gleiche Objekt handelt (nicht um den gleichen Term, ein Term ist als Symbolkette nur zu sich selbst identisch). In solchen Termumformungen werden Gesetze angewendet, Rechnungen durchgeführt, umgestellt, Klammern ausgewertet, eingesetzt, vereinfacht. Jede Termumformung muss begründet werden (oder zumindest begründet werden können). Auf eine bereits etablierte Gleichung kann man beidseitig (links und rechts) die gleiche mathematische Operation (beispielsweise quadrieren) anwenden und erhält dann eine neue Gleichung. In komplexeren Termen kann man Teilterme durch gleichwertige Ausdrücke ersetzen.
Typische Beispiele:
Dabei haben wir für die zweite Gleichheit die Induktionsvoraussetzung verwendet. Der zuletzt erhaltene Term ist die rechte Seite der Formel für , also ist die Formel bewiesen.
Aussagen, die durch Induktion bewiesen werden können, können manchmal auch auf andere Art bewiesen werden. Im vorstehenden Beispiel gibt es die elegantere und einsichtigere Lösung,
Der wichtigste Aspekt eines Beweises ist seine logische Korrektheit, was man Zeile für Zeile nachprüfen kann. Darüber hinaus soll er natürlich auch verständlich, überzeugend, nachvollziehbar und einsichtig sein. Man hat einen Beweis verstanden, wenn man ihn in seinen Grundzügen vom Verständnis heraus reproduzieren kann. Dabei ist die Beweisidee wichtiger als die Details.
Eine einsichtige Beweisidee, eine Visualisierung, eine Illustration unterstützt das Verständnis. Allerdings gibt es nicht immer eine klare Idee, ziemlich oft muss man auch einfach nur anerkennen, dass der Beweis funktioniert. Wenn man mit den wesentlichen Beweistechniken vertraut ist und etwas Übung hat, kann man auch sperrige Beweise gut nachvollziehen. Die Anschauung selbst ist kein Beweismittel, bei einer suggestiven Argumentation sollte man lieber vorsichtig sein, falsche Beweise können sehr einleuchtend sein.
Typische Beispiele:
Eine Illustration für das Kommutativgesetz der Multiplikation. Für natürliche Zahlen sehr einleuchtend. Für negative Zahlen aussagelos. Für positive reelle Zahlen, wenn man an Flächeninhalte denkt, auch einsichtig. Aber was ist ein Flächeninhalt? Ist es nicht eher so, dass das Produkt der Streckenlängen eines Rechtecks ein sinnvoller Kandidat für den Flächeninhalt ist, weil die Kommutativität gilt?
Eine Illustration für das Distributivgesetz für natürliche Zahlen.
Links eine Illustration der ersten binomischen Formel und rechts eine für die binomische Formel zum Exponenten 3. Gilt es für negative Zahlen? Wie sieht es bei höheren Exponenten aus?
die Zahlen einmal aufsteigend und einmal absteigend untereinander hinzuschreiben, also
Spaltenweise ergibt sich , und diese Summe kommt -mal vor. Also ist
- Division mit Rest
Jede natürliche Zahl lässt sich bekanntlich als eine Ziffernfolge „im Zehnersystem“ ausdrücken. Dies beruht auf der (sukzessiven) Division mit Rest.
Es sei eine fixierte positive natürliche Zahl.
Dann gibt es zu jeder natürlichen Zahl eine eindeutig bestimmte natürliche Zahl und eine eindeutig bestimmte natürliche Zahl[2] , , mit
Zur Existenz. Dies wird durch Induktion über bewiesen. Es sei fixiert. Der Induktionsanfang für ergibt sich direkt mit und . Für den Induktionsschluss sei die Aussage für bewiesen, d.h. wir haben eine Darstellung mit
und müssen eine ebensolche Darstellung für finden. WennBei einem Beweis durch Fallunterscheidung geht man folgendermaßen vor: Man möchte eine Aussage beweisen. Man verwendet nun eine zusätzliche Eigenschaft , die nicht zu den Voraussetzungen gehört, bei den gegebenen Voraussetzungen gibt es Situationen, wo diese Eigenschaft gilt, und Situationen, wo diese Eigenschaft nicht gilt. Nun beweist man einerseits (Fall 1) die Aussage unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass die Eigenschaft gilt, und sodann beweist man in einer davon unabhängigen Überlegung (Fall 2) die Aussage unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass die Eigenschaft nicht gilt. Da gilt oder nicht gilt, hat man alle Möglichkeiten erfasst und generell bewiesen. Der Vorteil ist, dass man jeweils mit stärkeren Voraussetzungen arbeiten kann.
Dabei können beide Fälle gleich schwer sein, es kann auch ein Fall deutlich einfacher als der andere Fall sein, oder ein Fall kann aus einem zuvor bewiesenen Satz folgen, im andern Fall muss man sich was neues einfallen lassen. In einem Beweis durch Fallunterscheidung kann man die beiden Fälle mit der bestimmenden Eigenschaft explizit auflisten, oder aber durch Formulierungen wie „zunächst betrachten wir die Situation, dass ...“, „wenn ...“ bzw. „... sei also nun ... “, „ist hingegen ... “ andeuten. Es gibt auch Fallunterscheidungen, wo die Situation in mehr als zwei Fälle aufgespaltet wird.
Dieses Argumentationsmuster kann mit anderen Beweisschemata beliebig kombiniert werden.
Typische Beispiele:
ist, so ist
und wegen ist dies eine gesuchte Darstellung. Ist hingegen , so ist
und dies ist eine gesuchte Darstellung.
Bei einem Eindeutigkeitsbeweis möchte man zeigen, dass ein mathematisches Objekt (ein Element einer Menge) durch gewisse Eigenschaften eindeutig festgelegt ist, dass es also nur ein Objekt gibt, dass diese Eigenschaften erfüllt. Dabei geht man so vor: Man „nimmt“ Elemente und her, die jeweils die Eigenschaften erfüllen, das sind lediglich Benennungen für Objekte, man weiß nichts über sie, außer dass sie die Eigenschaften erfüllen. Dann zeigt man, dass sie übereinstimmen, dass also gilt (man kann sich das auch so vorstellen: eine erste Person denkt an ein Objekt mit den Eigenschaften, eine zweite Person denkt unabhängig davon an ein Objekt mit den Eigenschaften. Dann ist zu begründen, dass beide Personen an das gleiche Objekt denken). Es ist entscheidend, dass die beiden hypothetischen Objekte (ihre Zweiheit ist hypothetisch) unterschiedlich bezeichnet werden, auch wenn sich in der Argumentation dann ergibt, dass sie gleich sind.
Oft verwendet man in einer solchen Situation zueinander ähnliche Symbole, etwa und (oder ). Dies macht man insbesondere dann, wenn in der Formulierung des Satzes, der bewiesen werden soll, das Element, dessen Eindeutigkeit erwiesen werden soll, mit bezeichnet wird. Dann unterstützt die Bezeichnung den Ansatz, dass es sich um Objekte handelt, die beide die Eigenschaften des Satzes erfüllen.
,
wobei die Bedingungen jeweils erfüllt seien. Es sei ohne EinschränkungMit der Formulierung „ohne Einschränkung“ oder „ohne Beschränkung der Allgemeingültigkeit“ (o.B.d.A.) oder „wir dürfen annehmen“ meint man, dass man in einem gegebenen Beweiskontext eine zusätzliche Annahme machen darf, die die folgende Argumentation abkürzt. Dabei darf keine substantiell neue Voraussetzung hinzugenommen werden, da die Voraussetzungen ja in der zu beweisenden Aussagen fixiert sind.
Typische Situationen liegen vor, wenn die Anordnung symmetrisch ist, also beispielsweise eine Aussage über zwei Zahlen, und , gemacht wird, und die Zahlen in der Aussage gleichberechtigt vorkommen. Dann kann man direkt sagen, dass ist, da man dies ja durch eine Umbenennung erreichen könnte. Manchmal kann man durch ersetzen, dann kann man annehmen, dass ist. Oder bei einer geometrischen Anordnung, wo sowohl die Voraussetzungen als auch die Folgerung unter einer Verschiebung beibehalten wird, kann man einen Punkt in den Nullpunkt verschieben.
Typische Beispiele:
.
Dann gilt
.
Diese Differenz ist nichtnegativ und kleiner als , links steht aber ein Vielfaches von , sodass die Differenz sein muss und die beiden Darstellungen übereinstimmen.
Mit der Division mit Rest können wir die Existenz und Eindeutigkeit der üblichen Zifferndarstellung einer natürlichen Zahl beweisen. Hinter der Zifferndarstellung verbirgt sich eine Mischung aus Addition, Multiplikation und Potenzierung.
Zu jeder natürlichen Zahl
gibt es eindeutig bestimmte natürliche Zahlen und mit und mit (außer bei )
mit der EigenschaftFür ein mathematisches Objekt gibt es verschiedene Darstellungen. Es gibt in der Regel mehrere gleichberechtigte Darstellungen und man sollte nicht das Objekt mit einer bestimmten Darstellung verwechseln. Eine natürliche Zahl kann in der Ziffernentwicklung im Zehnersystem, in einem anderen Stellenwertsystem, durch eine Anzahl von Einkerbungen, durch ihre Primfaktorzerlegung dargestellt werden. Eine rationale Zahl kann als Bruch oder durch ihre periodische Zifferentwicklung dargestellt werden, ein Vektor kann durch ein Koordinatentupel bezüglich einer gewählten Basis dargestellt werden, eine lineare Abbildung kann durch die Vorgabe von Werten an einer Basis oder durch eine Matrix bezüglich gewählter Basen beschrieben werden.
In der Mathematik interessiert man sich vor allem für Eigenschaften, die wirklich dem Objekt zukommen, nicht einer bestimmten Darstellung, die ja gewechselt werden kann.
Wir beweisen die Existenzaussage durch Induktion über . Für wählt man und . Es sei nun und die Aussage für kleinere Zahlen schon bewiesen. Nach Satz 1.4 mit gibt es eine Darstellung
mit zwischen und . Es ist , deshalb gilt nach Induktionsvoraussetzung die Aussage für . D.h. man kann
mit (bei ist dies als leere Summe zu lesen) und mit schreiben. Daher ist
eine Darstellung der gesuchten Art. Dabei ist
für
und
.
Die Eindeutigkeit folgt ebenfalls aus der Eindeutigkeit bei der Division mit Rest, siehe
Aufgabe 1.28.
Eine entsprechende Aussage gilt für jede Basis
statt
.
Bei
spricht man vom Dualsystem, die einzigen Ziffern sind
und ,
bei
vom Dreiersystem mit den Ziffern u.s.w.. Bei
spricht man vom Hexadezimalsystem und verwendet die Ziffern .
- Fußnoten
- ↑ An verschiedenen Stellen, die man aufklappen kann, erläutern wir wichtige abstrakte Prinzipien der Mathematik, die an der Stelle erstmals vorkommt.
- ↑ Bei denke man an Quotient und bei an Rest.
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