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1-Form/K/Vektorräume/Fokus auf Funktionentheorie/Einführung/Textabschnitt

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Es seien und endlichdimensionale -Vektorräume, offen und eine differenzierbare Abbildung. Der Differentiationsprozess ordnet jedem Punkt eine -lineare Abbildung

zu. Insgesamt liegt also eine Abbildung

vor, das ein neuartiges Objekt darstellt. Dies ist ein grundlegender Unterschied zur eindimensionalen Situation, wo die Ableitung einer Funktion wieder eine Funktion ist.

Dieses neuartige Objekt erfassen wir mit einer neuen Definition.


Es seien endlichdimensionale -Vektorräume und eine offene Teilmenge. Eine -Form (oder Differentialform ersten Grades) auf mit Werten in ist eine Abbildung

Man spricht auch von einer Pfaffschen Form. Ein totales Differential, aufgefasst als eine Abbildung, die den Punkten der Definitionsmenge das zugehörige totale Differential zwischen den umgebenden Vektorräumen zuordnet, ist also eine solche -Form. Der Homomorphismenraum ist dabei selbst ein Vektorraum über , seine Dimension ist das Produkt der beiden Vektorraumdimensionen. Deshalb lassen sich auf eine -Form Konzepte wie Stetigkeit, Differenzierbarkeit u.s.w anwenden. Besonders wichtig sind die -wertigen Differentialformen. Für und schreibt man auch für .



Es seien endlichdimensionale -Vektorräume, sei eine offene Teilmenge und sei die Menge der -Formen auf mit Werten in . Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. ist mit den natürlichen Operationen versehen ein -Vektorraum.
  2. Zu einer Differentialform und einer Funktion

    ist auch , wobei durch

    definiert ist.

  3. Jede -differenzierbare Abbildung

    definiert über das totale Differential eine -Differentialform

    Dies ergibt eine Abbildung

  4. Die Abbildung aus (3) ist -linear.

Beweis

Siehe Aufgabe.


Es sei eine fixierte Basis auf mit den zugehörigen Koordinatenfunktionen . Die -te Koordinatenfunktion

ordnet jedem Vektor den Skalar zu, der durch die eindeutige Darstellung gegeben ist. Diese Koordinatenfunktionen sind lineare Abbildungen. Ihr totales Differential stimmt nach Fakt für jeden Punkt mit der Abbildung selbst überein. Als (-wertige) Differentialform ist also die Abbildung

die jedem Punkt die -te Koordinatenfunktion zuordnet. Mit Hilfe dieser Standarddifferentialformen kann man jede weitere Differentialform einfach ausdrücken.



Es seien endlichdimensionale -Vektorräume, sei eine offene Teilmenge. Es seien die Koordinaten zu einer fixierten Basis auf mit den zugehörigen Differentialformen .

Dann lässt sich jede -wertige -Form auf eindeutig in der Form

mit -wertigen Funktionen

schreiben. Zu einer total-differenzierbaren Funktion ist die zugehörige -Form in dieser Darstellung gleich

Dies beruht darauf, dass jede lineare Abbildung

nach dem Festlegungssatz eine eindeutige Darstellung

mit besitzt. Die zweite Aussage ergibt sich, indem man beide Seiten auf einen Punkt und auf einen Vektor der den Koordinaten zugrunde liegenden Basis anwendet.


Im funktionentheoretischen Kontext ist vor allem die Situation wichtig, in der eine (komplex) differenzierbare Funktion auf einer offenen Teilmenge ist. Das zugehörige totale Differential ist, als Differentialform aufgefasst, die Form . Diese ordnet einem jeden Punkt die komplex-lineare Abbildung

zu, also die Multiplikation mit der Ableitung .


Zu einer offenen Menge und einer holomorphen Funktion nennt man die Differentialform eine holomorphe Differentialform auf .

Dabei ist einfach die Differentialform, die jeden Punkt auf die Identität abbildet.


Auf ist eine holomorphe Differentialform. Es handelt sich um ein Standardbeispiel, an dem sich schon viele Phänomene illustrieren lassen, siehe Beispiel und Beispiel.



Es sei eine offene Teilmenge und

eine reell-partiell differenzierbare Abbildung, die wir in der Form mit reellwertigen Funktionen

schreiben. Die Abbildung

ist dann eine -Form mit Werten in . Wenn man mit die reellwertige Differentialform bezeichnet, die jeden Punkt auf die lineare Projektion , , abbildet, und mit die reellwertige Differentialform bezeichnet, die jeden Punkt auf die lineare Projektion , , abbildet, und diese Formen wiederum in auffasst, so kann man

schreiben. Dies bestätigt man, indem man beide Seiten auf die Standardvektoren und anwendet.


Wenn eine -Form gegeben ist, so kann man sich fragen, ob man sie als totales Differential zu einer differenzierbaren Abbildung realisieren kann. Im eindimensionalen Fall ist dies die Frage nach einer Stammfunktion, im allgemeinen Fall ist aber diese Frage deutlich schwieriger, und eine Reihe von neuartigen Problemen tritt auf.

  1. Es gibt vergleichsweise einfach zu formulierende notwendige Bedingungen (symmetrische Form, geschlossene Form), dass eine -Form ein totales Differential ist, also eine Stammform besitzt. Diese sind aber im Allgemeinen nicht hinreichend.
  2. Mit der Hilfe von stetigen Wegen kann man das Problem mit der Hilfe von reell-eindimensionalen Integralen angehen. Allerdings ist die Wahl des stetigen Weges von einem Punkt zu einem anderen wichtig, im Allgemeinen wird das Integrationsresultat vom gewählten Weg abhängen. Wenn aber zwischen den Wegen gewisse topologische Beziehungen bestehen (Homotopien), so ist das Ergebnis wiederum unabhängig vom Weg.
  3. Eine Stammform kann lokal existieren, ohne dass sie global auf ganz existiert. Das bedeutet, dass es für jeden Punkt eine offene Umgebung (typischerweie eine Ballumgebung) geben kann, auf der eine Stammform besitzt, dass man aber diese Stammformen auf den Überlappungen eventuell nicht sinnvoll zusammenkleben kann. Die Differenz zwischen lokalen und globalen Lösungen ist ein typisches Phänomen der höherdimensionalen Analysis.
  4. Die Beziehung zwischen lokalen und globalen Lösungen hängt von topologischen Eigenschaften von ab. Ein instruktives Beispielpaar ist bereits einerseits und andererseits.
  5. Das Problem, eine Stammfunktion zu finden, tritt schon bei stetigen Funktionen mit offen auf. Die Hauptsätze der Integrationstheorie wie Fakt oder Fakt sind mit gutem Grund nur reell formuliert. Obwohl der Differentiationsprozess im Reellen und im Komplexen gleichermaßen durch die Konvergenz des Differentialquotienten gegeben ist, unterscheidet sich die Integrationstheorie in den beiden Fällen deutlich. Ein typisches Beispiel ist die komplexe Invertierungsfunktion

    Gibt es eine komplexe Stammfunktion? Im reellen Fall ist der natürliche Logarithmus eine Stammfunktion, lässt sich diese auf die komplexen Zahlen ausdehnen? Man beachte, dass die Exponentialfunktion im Komplexen nicht injektiv ist, es gibt also keine Umkehrfunktion. Die oben erwähnten Phänomene begegnen schon in dieser sehr speziellen Situation.