Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil III/Vorlesung 63/kontrolle
- Gittermaße
Als weiteres diskretes Maß besprechen wir Gittermaße.
Es sei Die Menge
nennt man das Gitter zum Gitterpunktabstand . Das durch
für definierte Maß heißt das Gittermaß zum Gitterabstand .
- Ausschöpfungseigenschaften
Es sei eine Menge und sei , , eine Folge von Teilmengen in mit für alle . Es sei . Dann sagt man, dass diese Folge eine Ausschöpfung von bildet (oder ausschöpft), und schreibt dafür .
Der wird beispielsweise durch die Bälle oder die Würfel ausgeschöpft.
Es sei eine Menge und sei , , eine Folge von Teilmengen in mit für alle . Es sei . Dann sagt man, dass diese Folge eine Schrumpfung von bildet (oder gegen schrumpft), und schreibt dafür .
Beispielsweise ist eine reelle Intervallschachtelung eine Schrumpfung, bei der der Durchschnitt über alle beteiligten Mengen nur aus einem einzigen Punkt besteht.
Bei einer -Algebra gehört mit einer jeden solchen auf- oder absteigenden Folge von Teilmengen auch die Vereinigung bzw. der Durchschnitt zu . Bei einem Prämaß auf einen Präring setzen wir, wenn wir von Ausschöpfung bzw. Schrumpfung sprechen, voraus, dass die Vereinigung bzw. der Durchschnitt zum Präring gehören.
Wir fassen einige Rechenregeln für Prämaße zusammen.
Es sei eine Menge, ein Präring auf und ein Prämaß auf .
Dann gelten folgende Aussagen.
- Es ist .
- Für Mengen mit gilt . Insbesondere ist ein Prämaß monoton.
- Für Mengen gilt .
- Seien
, ,
und aus mit
[1]
Dann gilt
- Es sei eine
Ausschöpfung
in . Dann ist
wobei diese Folge monoton wachsend ist.
- Es sei eine
Schrumpfung
in und sei
vorausgesetzt. Dann ist
wobei diese Folge monoton fallend ist.
(1) ist in der Definition von
Prämaß
enthalten, da die leere Summe als definiert ist.[2]
(2) folgt direkt aus der Definition, da die
disjunkte Vereinigung
aus
und
ist.
(3) folgt daraus, dass die disjunkte Vereinigung aus den drei Mengen
und
ist.
(4). Wir verwenden den folgenden Standardtrick: Wir schreiben
.
Dann gilt offensichtlich
für alle , wobei die Vereinigungen der jeweils disjunkt sind. Entsprechned Damit gilt
(5). Wir schreiben die einzelnen Teilmengen als disjunkte Vereinigung mittels und . Damit ist
und da dies eine disjunkte Vereinigung ist, gilt . Entsprechend gilt
und daher
(6) Wir setzen . Da , , eine absteigende Folge ist, ist , , eine aufsteigende Folge, und zwar gilt
Daher gilt
nach Teil (5). Somit ist (da ist)
Wenn die Gesamtmenge zu gehört, so ergibt sich die Endlichkeit des Prämaßes sofort aus der Bedingung aufgrund der Monotonie.
Für die Maßtheorie des euklidischen Raumes ist dieser Begriff zu stark, da ja der kein endliches Volumen hat. Aber immerhin kann man den durch die abzählbar vielen Kugeln , , die selbst endliches Volumen haben, ausschöpfen. Diese Eigenschaft wird durch folgende Definition präzisiert.
Es sei eine Menge, ein Präring auf ,
ein Prämaß auf . Dann heißt -endlich, wenn man als eine abzählbare Vereinigung von Teilmengen aus mit
schreiben kann.
- Der Eindeutigkeitssatz für Maße
Der folgende Satz ist der Eindeutigkeitssatz für Maße. Im Wesentlichen besagt er, dass unter gewissen Bedingungen ein Maß auf einem Erzeugendensystem der -Algebra schon eindeutig bestimmt ist.
Es sei ein Messraum und es sei ein durchschnittsstabiles Erzeugendensystem für . Es seien und zwei Maße auf , die auf übereinstimmen. Es gebe eine Ausschöpfung mit und mit
Dann ist
Für jede messbare Menge ist eine Ausschöpfung von , sodass es nach Lemma 63.4 (5) genügt, die Gleichheit
für alle und alle zu zeigen. Es sei fixiert. Wir betrachten das Mengensystem
und wir wollen zeigen, dass dies ganz ist. Da durchschnittstabil ist, gehört nach Voraussetzung jede Menge zu . Wir behaupten, dass ein Dynkin-System ist. Offenbar ist . Seien Teilmengen, die zu gehören. Dann ist
sodass auch zu gehört. Es sei schließlich , , eine abzählbare Familie paarweise disjunkter Teilmengen aus , und sei
Dann ist
sodass auch zu gehört.
Damit ist ein Dynkin-System, das das durchschnittsstabile Erzeugendensystem enthält. Nach
Lemma 61.13
ist daher
,
und es gilt Gleichheit.
- Bildmaße
Es sei ein Maßraum, ein Messraum und
eine messbare Abbildung. Dann nennt man das durch
definierte Maß auf das Bildmaß von unter . Es wird mit bezeichnet.
Das Bildmaß ist in der Tat ein Maß, siehe Aufgabe 63.11.
Es sei
die Exponentialfunktion zur Basis und das Bildmaß zum eindimensionalen Borel-Lebesgue-Maß (das wir zwar noch nicht eingeführt haben, von dem wir hier aber nur verwenden, dass es einem Intervall die Intervallänge zuordnet). Für ein Intervall ist
Wenn man zur Menge aller Städte (auf der Erde oder in Deutschland) die Einwohnerzahl nimmt und davon die erste Ziffer, so kann man beobachten, dass die Ziffer deutlich häufiger vorkommt als die Ziffern . Beispielsweise gibt es in Deutschland relativ viele Städte mit zwischen und Einwohnern, aber keine mit zwischen und Einwohnern. Diese Beobachtung kann man in sehr vielen verschiedenen Situationen machen, und zwar genügt die erste Ziffer dem sogenannnten Benfordschen Gesetz. Wenn man davon ausgeht, dass Städte zu unterschiedlichen Zeitpunkten gegründet werden, dass sie exponentiell wachsen (mit einer kleinen Basis), und dass die Verteilung der Stadtgründungen mit der Zeit gleichverteilt ist (in einem endlichen Zeitintervall), so kann man die Stadtgründungen durch modellieren und erhält für die Verteilung der Stadtgrößen das Maß (bis auf einen Streckungsfaktor mit der Zeit). Es ist dann beispielsweise
und
und entsprechend für die Intervalle , , etc., was das Benfordsche Gesetz erklärt.
Es seien , und Messräume und
messbare Abbildungen. Es sei ein Maß auf .
Dann gilt für die Bildmaße
Beweis
Es seien und Maßräume. Eine messbare Abbildung
heißt maßtreu, wenn für jede messbare Menge die Beziehung
gilt.
Eine messbare Abbildung ist genau dann maßtreu, wenn das Bildmaß von unter ist.
- Produkt von topologischen Räumen
Unter dem Produkt der topologischen Räume und versteht man die Produktmenge zusammen mit derjenigen Topologie (genannt Produkttopologie), bei der eine Teilmenge genau dann offen ist, wenn man sie als Vereinigung von Produktmengen der Form mit offenen Mengen und schreiben kann.
- Fußnoten
- ↑ Man sagt, dass die , , eine Überpflasterung von bilden.
- ↑ Man kann auch, sobald es eine messbare Menge mit endlichem Maß gibt, mittels argumentieren, woraus aus direkt folgt.