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Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2011)/Vorlesung 2/kontrolle

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Körpererweiterungen

In der letzten Vorlesung haben wir gesehen, dass es sinnvoll sein kann, das Studium der Nullstellen eines Polynoms nicht in , sondern in einem kleineren Körper, der umfasst, durchzuführen. Wir stellen dazu die nötige Terminologie zusammen.


Es sei ein Körper. Ein Unterring , der zugleich ein Körper ist, heißt Unterkörper von .

Wenn ein Unterring in einem Körper vorliegt, so muss man nur noch schauen, ob mit jedem von null verschiedenen Element auch das Inverse (das in existiert) enthält. Bei einem Unterring , wobei ein Körper ist, aber nicht, spricht man nicht von einem Unterkörper. Die Situation, bei der ein Körper in einem anderen Körper liegt, wird als Körpererweiterung bezeichnet.


Es sei ein Körper und ein Unterkörper von . Dann heißt ein Erweiterungskörper (oder Oberkörper) von und die Inklusion heißt eine Körpererweiterung.

Für eine Körpererweiterung gilt stets folgende wichtige Beobachtung.


Es sei eine Körpererweiterung.

Dann ist in natürlicher Weise ein - Vektorraum.

Die Skalarmultiplikation

wird einfach durch die Multiplikation in gegeben. Die Vektorraumaxiome folgen dann direkt aus den Körperaxiomen.



Eine Körpererweiterung heißt endlich, wenn ein endlichdimensionaler Vektorraum über ist.


Es sei eine endliche Körpererweiterung. Dann nennt man die - Vektorraumdimension von den Grad der Körpererweiterung.

Der Grad einer endlichen Körpererweiterung wird mit

bezeichnet. Dass man hier von Grad spricht und nicht einfach von Dimension hat seinen Grund darin, dass dieser Grad mit dem Grad von gewissen Polynomen zusammenhängt, worauf wir ausführlich zu sprechen kommen werden. Da bei einer Körpererweiterung sofort eine -Vektorraumstruktur auf zur Verfügung steht, ist es naheliegend, für das Studium der Körpererweiterungen die lineare Algebra einzusetzen. Dies ist besonders bei endlichen Körpererweiterungen ein schlagkräftiges Mittel. Durch diesen Apparat wird unter Anderem die additive Struktur auf einfach beschreibbar, und man kann sich ganz auf die Multiplikation konzentrieren. Aber auch für diese ist die Vektorraumstruktur reich an Konsequenzen. Um ein typisches Beispiel für die lineare Argumentationsweise zu geben, betrachten wir eine endliche Körpererweiterung und ein beliebiges Element . Die Potenzen von , also

bilden eine unendliche Familie (auch wenn es unter den Potenzen Wiederholungen geben kann). Da diese Potenzen alle zu gehören und ein endlichdimensionaler -Vektorraum ist, kann diese unendliche Familie nicht linear unabhängig sein, sondern es muss eine Beziehung der Form

geben, bei der nicht alle Koeffizienten gleich sind. Diese Beobachtung führt zu den Begriffen algebraisches Element und Minimalpolynom.

Die einzige Körpererweiterung vom Grad ist die Identität . Die Körpererweiterungen vom Grad zwei sind aber schon eine umfangreiche Beispielklasse und bekommen einen eigenen Namen. Zu ihnen gehören die beiden letzten Beispiele der ersten Vorlesung.


Eine endliche Körpererweiterung vom Grad zwei heißt eine quadratische Körpererweiterung.



Lemma Lemma 2.7 ändern

Es sei ein Körper mit einer Charakteristik [1] und es sei eine quadratische Körpererweiterung.

Dann gibt es ein  ,  und .

Beweis

Siehe Aufgabe 2.4.




Die Gradformel

Häufig studiert man Körpererweiterungen dadurch, dass man Zwischenkörper , , betrachtet, und die beiden einzelnen (häufig einfacheren) Körpererweiterungen und untersucht. Man spricht von einem Körperturm oder einer Körperkette. In dieser Situation gilt die folgende wichtige Gradformel.



Satz  Satz 2.8 ändern

Es seien und endliche Körpererweiterungen.

Dann ist auch eine endliche Körpererweiterung und es gilt

Wir setzen und . Es sei eine - Basis von und eine -Basis von . Wir behaupten, dass die Produkte

eine -Basis von bilden. Wir zeigen zuerst, dass diese Produkte den Vektorraum über erzeugen. Es sei dazu . Wir schreiben

Wir können jedes als  mit Koeffizienten ausdrücken. Das ergibt

Daher ist eine -Linearkombination der Produkte .
Um zu zeigen, dass diese Produkte linear unabhängig sind, sei

angenommen mit . Wir schreiben dies als . Da die linear unabhängig über sind und die Koeffizienten der zu gehören, folgt, dass ist für jedes . Da die linear unabhängig über sind und ist, folgt, dass für alle ist.




Reine Gleichungen

Die Lösungsformel von Cardano für ein kubisches Polynom zeigt, dass man die Nullstellen eines solchen Polynoms durch arithmetisch verschachtelte reine (zweite und dritte) Wurzeln ausdrücken kann. Solche reinen Wurzeln sind Nullstellen von sogenannten reinen Polynomen, also von Polynomen der Form

wobei ist und die Nullstelle in einem geeigneten Erweiterungskörper von liegen soll. Verglichen mit beliebigen Polynomen gelten solche reinen Polynome als vergleichsweise einfach, insbesondere wenn man an ein reelles positives und seine reelle positive Wurzel denkt (und bei geradem noch die zweite reelle Lösung berücksichtigt). Allerdings zerfällt das Polynom über in Linearfaktoren, so dass bei im Reellen nicht alle komplexen Lösungen sichtbar sind. Ein extremes Beispiel ist dabei das Polynom

bzw. die Gleichung . Dies führt zu den sogenannten Einheitswurzeln.



Einheitswurzeln

Es sei ein Körper und . Dann heißen die Nullstellen des Polynoms

in die -ten Einheitswurzeln in .

Die ist für jedes eine -te Einheitswurzel, und die ist für jedes gerade eine -te Einheitswurzel. Es gibt maximal -te Einheitswurzel, da das Polynom maximal Nullstellen besitzt. Die Einheitswurzeln bilden eine endliche Untergruppe (mit und ist auch , usw.) der Einheitengruppe des Körpers.

Im Reellen gibt es nur die Einheitswurzeln oder und , je nachdem, ob gerade oder ungerade ist. Die komplexen Einheitswurzeln lassen sich einfach beschreiben und besitzen eine einfache geometrische Interpretation.


Es sei .

Die Nullstellen des Polynoms über sind

In gilt die Faktorisierung

Der Beweis verwendet einige Grundtatsachen über die komplexe Exponentialfunktion. Es ist

Die angegebenen komplexen Zahlen sind also wirklich Nullstellen des Polynoms . Diese Nullstellen sind alle untereinander verschieden, da aus

mit sofort, durch Betrachten des Quotienten, folgt, und daraus

Es gibt also explizit angegebene Nullstellen und daher müssen dies alle Nullstellen des Polynoms sein. Die explizite Beschreibung in Koordinaten folgt aus der eulerschen Formel.




Es sei ein Körper.

Dann gilt in die Beziehung

Für jede -te Einheitswurzel gilt

Die erste Aussage ergibt sich durch Ausmultiplizieren der rechten Seite. Zum Beweis des Zusatzes sei eine -te Einheitswurzel gegeben. Nach Definition ist . Wegen muss also das rechte Polynom zu werden, wenn man darin einsetzt.


Zu jedem gibt es einen kleinsten Unterkörper von , der alle -ten Einheitswurzeln enthält, der sogenannte -te Kreisteilungskörper. Wir werden bald sehen, dass der Kreisteilungskörper eine endliche Erweiterung von ist, und dass sein Grad maximal gleich ist. Genauere Gradberechnungen und weitere Strukturuntersuchungen dieser Körpererweiterungen werden im Laufe des Kurses noch folgen.

Mit den Einheitswurzeln lassen sich wiederum die Lösungen zu beliebigen reinen Gleichungen charakterisieren, insbesondere, wenn eine bekannt ist, wie das bei mit der Fall ist.



Es sei ein Körper, und . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Wenn zwei Lösungen der Gleichung sind und , so ist ihr Quotient eine -te Einheitswurzel.
  2. Wenn eine Lösung der Gleichung und eine -te Einheitswurzel ist, so ist auch eine Lösung der Gleichung .

Beweis

Siehe Aufgabe 2.9.




Fußnoten
  1. Diese Bedingung bedeutet, dass ist. Wir werden die Charakteristik eines Körpers bald einführen.


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Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)