Algebraische Differentialoperatoren/Einführung/2/Textabschnitt
- Verknüpfung von Differentialoperatoren
Das folgende Lemma zeigt, wie die induktive Definition für Differentialoperatoren typischerweise funktioniert.
Es sei eine kommutative -Algebra und es sei ein Differentialoperator der Ordnung und ein Differentialoperator der Ordnung .
Dann ist die Hintereinanderschaltung ein Differentialoperator der Ordnung .
Wir führen Induktion über . Bei ist die Verknüpfung einfach . Im Allgemeinen schreiben wir
und die Aussage folgt aus der Induktionsvoraussetzung und der induktiven Definition.
Insbesondere ist die Verknüpfung von Derivationen ein Differentialoperator der Ordnung .
Zu einer kommutativen -Algebra bezeichnet man die Menge aller -Differentialoperatoren auf mit der Verknüpfung als Multiplikation als Ring der Differentialoperatoren. Er wird mit bezeichnet.
Nach Fakt ist ein Unterring des Endomorphismenringes .
Die Identität, also die Multiplikation mit , ist das neutrale Element dieses Ringes. Einfache Beispiele zeigen, dass dieser Ring nicht kommutativ ist.
- Monoidringe
Eine wichtige Beispielklasse von im Allgemeinen singulären Ringen wird durch Monoidringe gegeben. Diese rühren von einer gewissen kombinatorischen Struktur her und sind ein Hauptgegenstand der kombinatorischen kommutativen Algebra bzw. der torischen Geometrie.
Es sei ein kommutatives (additiv geschriebenes) Monoid und ein kommutativer Ring. Dann wird der Monoidring wie folgt konstruiert. Als -Modul ist
d.h. ist der freie Modul mit Basis , . Die Multiplikation wird auf den Basiselementen durch
definiert und auf ganz distributiv fortgesetzt. Dabei definiert das neutrale Element das neutrale Element der Multiplikation.
Monoidringe zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie durch besonders einfache Gleichungen beschrieben werden, nämlich durch binomiale Gleichungen, das sind Gleichungen der Form
Das in der letzten Vorlesung erwähnte Beispiel ist nach einer Variablentransformation (über ) äquivalent zur binomialen Gleichung
Wir beschränken uns auf Monoidringe zu einem endlich erzeugten, torsionsfreien Monoid, das der Kürzungsregel genügt. Das ist im Wesentlichen die torische Situation. Für einen solchen Monoidring wollen wir die Differentialoperatoren verstehen und insbesondere die unitären Operatoren durch eine kombinatorische Invariante quantitativ erfassen, wobei sich dieser Zusammenhang erst später ergeben wird. Wegen der Beziehung
gilt für den Quotientenkörper
sodass man die Differentialoperatoren auf grundsätzlich auch darüber beschreiben kann. Dies führt aber zu ziemlich unübersichtlichen Beschreibungen.
Es sei ein normales torisches positives Monoid in der Form
mit einem positiven rationalen polyedrischen Kegel und dem Gitter (das Differenzengitter zu ) gegeben. Es sei die Dimension von und seien die Facetten von . Zu jeder Facette gibt es eine integrale Linearform
deren Kern ist, die im Innern des Kegels positiv ist und die surjektiv ist. Diese Daten, die durch den Kegel festgelegt sind, geben Anlass zu zwei charakteristischen Polytopen bzw. deren Volumina. Zum einen wird durch
eine zur Facette parallele Hyperebene festgelegt. Die Facettenhyperebenen und diese parallelen Hyperebenen begrenzen ein (kompaktes) Polytop. Dessen Volumen nennen wir die -Signatur des Kegels.
Zum andern wird durch
eine Hyperebene festgelegt. Die Facettenhyperebenen und diese Hyperebenen begrenzen wieder ein (kompaktes) Polytop. Das -fache dessen Volumen nennen wir die -Signatur des Kegels.
Es ist nicht unmittelbar klar, ob und wie man diese als Invarianten der zugehörigen Monoide bzw. Monoidringe beschreiben kann und was ihre ringtheoretische Signifikanz ist.
Wir betrachten den polyedrischen Kegel mit dem zugehörigen Monoid und dem Monoidring
Das Monoid wird erzeugt durch die Standardvektoren und die begrenzenden Linearformen sind , also die Dualbasis dazu. Durch die Hyperflächen und den Kegel wird der -dimensionale Würfel eingegrenzt, der das Volumen besitzt. Durch die Bedingung
wird zusammen mit dem Kegel ein -dimensionaler Standardsimplex festgelegt, der das Volumen besitzt. Multipliziert mit ergibt sich .
Wir erwähnen für das Monoid bzw. den Monoidring
folgende Beobachtung. Wegen
ist die Wirkungsweise der Operatoren auf einem Tupel im Wesentlichen einfach die Verschiebung in Richtung , wobei das Ergebnis als zu interpretieren ist, falls man außerhalb von landet. D.h. dass abgesehen von den Vorfaktoren die Differentialoperatoren , die ja die Basiselemente für alle Differentialoperatoren sind, eine unmittelbare kombinatorische Beschreibung besitzen.
Verschiedene Kegel können zum gleichen Monoid führen, beispielsweise zum regulären Monoid . Wenn Monoiderzeuger für ein Monoid mit
sind, so ist durch ein Isomorphismus
gegeben, der in überführt und auch die Kegel ineinander überführt. Über die duale Abbildung entsprechen sich auch die begrenzenden integralen Linearformen. Da man das Volumen des von Vektoren erzeugten Parallelotops nach Fakt ebenfalls mit dem Betrag der Determinante berechnet, ergibt sich für ebenfalls die Signatur .
Ein Beispiel ist das von und erzeugte Monoid.
Man kann allgemeiner zeigen, dass die eingeführten Signaturen nur von den (Isomorphieklassen der) Monoiden abhängen. Aus einem Isomorphismus ergibt sich nämlich ein Isomorphismus der zugehörigen Differenzengitter und damit auch der Kegel und der Linearformen.
Wir betrachten den rational-polyedrischen Kegel, der im durch die beiden Kanten und begrenzt wird. Das zugehörige Monoid ist durch die drei Erzeuger
gegeben. Dabei ist
Die Summe der beiden ersten Erzeuger stimmt also mit dem -fachen des dritten Erzeugers überein, daher ist der zugehörige Monoidring durch
gegeben. Der Kegel wird wie jeder ebene Kegel durch zwei Kanten begrenzt. Die definierenden integralen Linearformen sind
Beide Linearformen nehmen im Punkt den Wert an. Die Bedingung bestimmt die zur -Achse parallele Gerade der Höhe , die die zweite Kante im Punkt durchstößt. Durch die Bedingung wird wiederum eine Gerade festgelegt, die parallel zur einen Kanten verläuft, und die die erste Kante, also die -Achse, im Punkt durchstößt. Durch die Bedingung und wird ein Parallelogramm (das „ -Signatur-Polytop“) definiert, das vom Ursprung ausgehend von den beiden Vektoren und aufgespannt wird. Sein Flächeninhalt ist nach der Determinantenformel gleich
Dies ist die kombinatorische -Signatur des Kegels.
Die Summe der zwei beschreibenden Linearformen ist
Durch die Gleichung
wird das Parallelogramm in zwei Dreiecke zerteilt, deren Flächeninhalte sind. Durch den Fakultätsfaktor ergibt sich, dass die -Signatur ebenfalls gleich ist.
Ein spitzer polyedrischer Kegel heißt simplizial, wenn die Anzahl seiner Facetten mit der Dimension übereinstimmt.
Im zweidimensionalen ist jeder Kegel simplizial, nämlich durch zwei Kanten begrenzt, in höherer Dimension ist dies aber keineswegs immer der Fall.
Es sei ein spitzer rationaler polyedrischer Kegel, der simplizial sei.
Dann stimmt die -Signatur mit der -Signatur des Kegels überein.
Wir betrachten den rational-polyedrischen Kegel, der im durch ein Quadrat in der -Ebene erzeugt wird, nämlich durch die vier Eckpunkte
Diese vier Eckpunkte erzeugen das Monoid im zugehörigen Kegel. Die Summe des ersten und des vierten Erzeugers stimmt mit der Summe des zweiten und des dritten Erzeugers überein, daher ist der zugehörige Monoidring durch
gegeben. Der Kegel wird durch vier Seiten begrenzt und ist nicht simplizial. Die definierenden integralen Linearformen sind
Das „ -Signatur-Polytop“, das durch die Bedingungen , , gegeben ist, ist eine Doppelpyramide mit dem Quadrat als Grundfläche und der (Einzel)-Höhe, ihr Volumen (also die kombinatorische -Signatur) ist daher
Die Summe der vier Linearformen ist
Somit wird das „ -Signatur-Polytop“ durch
begrenzt, und sein Volumen ist
Die kombinatorische -Signatur ist also
Wir fragen uns, ob es eine ringtheoretische Interpretation für diese Signaturen gibt. Dazu müssen wir die (unitären) Differentialoperatoren auf den Monoidringen verstehen. Dafür ist es hilfreiche, diese als ein direkter Summand eines Polynomringes aufzufassen.
- Direkte Summanden
Es sei ein direkter Summand von -Algebren.
Dann definiert jeder Differentialoperator der Ordnung über
einen Differentialoperator der Ordnung auf , wobei die Projektion längs bezeichnet.
Wir führen Induktion über . Bei ist der Operator die Multiplikation mit einem Element , das auf die Abbildung induziert, was die Multiplikation mit ist.
Es sei nun ein Differentialoperator auf der Ordnung . Die Einschränkung sei mit bezeichnet. Es sei . Dann ist für einerseits
und andererseits
wobei die letzte Gleichung darauf beruht, dass -linear ist. Daher ist die Lie-Klammer von mit der Multiplikation mit die Einschränkung der Lie-Klammer, also nach der Induktionsvoraussetzung ein Differentialoperator der Ordnung .
Es sei ein direkter Summand eines Polynomrings .
Dann gibt es für jedes , , einen Differentialoperator mit .
Sei . Dann gibt es einen Differentialoperator mit . Die Einschränkung ist dann nach Fakt ein Differentialoperator auf mit der gewünschten Eigenschaft, da .
Ein normales torisches positives Monoid besitzt die Form
mit einem positiven rationalen polyedrischen Kegel und dem Gitter . Es sei die Dimension von und seien die Facetten von . Zu jeder Facette gibt es eine integrale Linearform
deren Kern enthält, die im Innern des Kegels positiv ist und die surjektiv ist. Diese Linearformen liefern auf dem Monoidring die Bewertungen, die zu den torischen Primidealen der Höhe , die den Facetten entsprechen, gehören. Diese Linearformen definieren zusammengenommen einen injektiven Monoidhomomorphismus
die wiederum einen injektiven Ringhomomorphismus
ergibt. Dieser ist ein direkter Summand, und zwar ist der Ring der nullten Stufe des Polynomrings unter der Graduierung, die zu gehört ( ist die Divisorenklassengruppe des Monoidringes). Man hat also insbesondere eine Zerlegung
mit
Die Projektion auf die -te Komponente nennen wir .
Über die Abbildung erhält man gemäß Fakt aus den zusammengesetzten partiellen Ableitungen (bzw. ) auf dem Polynomring Differentialoperatoren auf . Insbesondere erhält man für jedes Monom einen „zugehörigen“ kanonischen Differentialoperator durch
Die Wirkungsweise von ist (zu , man könnte auch schreiben)
Dies beruht auf
wobei die erste Alternative genau dann gilt, wenn in jeder Komponente gilt, was zu äquivalent ist. Für normale torische Monoide gibt es also „kombinatorische Operatoren“ wie im Fall . Diese verschieben im Wesentlichen (es kommen eben noch die Vorfaktoren hinzu) die Monome in eine bestimmte Richtung (nämlich die negative Richtung zu einem Monom des Monoids) und das Ergebnis ist als zu interpretieren, wenn das Verschiebungsergebnis außerhalb des Monoids liegt. Die Ordnung des Differentialoperators ist . Es ist
Insbesondere gibt es also zu jedem Monom in einen unitären Operator, der dieses Monom auf abbildet. Dies überträgt sich (in Charakteristik unmittelbar) auf beliebige Elemente eines torischen Monoidringes. Allerdings ist, im Gegensatz zum Polynomring, die Ordnung der zu einem Monom gehörigen unitären Differentialoperatoren komplizierter, nämlich über , zu bestimmen. Durch ist eine natürliche positive -Graduierung auf einem Monoidring gegeben.
Es wird sich später herausstellen, dass die -Signatur (bzw. ihr Kehrwert) ein quantitatives Maß dafür ist, wie sich die Ordnungen der unitären Differentialoperatoren zu den -Ordnungen von Monomen verhalten. Die -Ordnung eines Monoms ist das maximale mit
- Numerische Halbgruppenringe
Wir betrachten abschließend noch eine wichtige Klasse von nichtnormalen Monoidringen, nämlich numerische Halbgruppenringe, die von einem Monoid herrühren. Diese sind kein direkter Summand eines regulären Ringes, dennoch gibt es viele unitäre Operatoren. Diese werden wir rational beschreiben, also als Differentialoperatoren des Quotientenkörpers
(welche bekannt sind), die zusätzlich in überführen.
Auf der Neilschen Parabel, die durch die numerische Halbgruppe
gegeben ist, lassen sich zu jedem Monom , , direkt unitäre Differentialoperatoren rational angeben. Wir betrachten . Dies schickt auf , ist aber nur eine rationaler Operator, da
Diesen Umstand kann man aber durch einen Korrekturterm einfach beheben. Wir betrachten
der Koeffizient rechts ist so gewählt, dass insgesamt auf abgebildet wird. Der Term wird nach wie vor auf abgebildet. Monome der Form , , werden auf skalare Vielfache von abgebildet, das Bild gehört also zum Ring. Somit ist der angegebene Operator ein unitärer Operator für auf .
In der gleichen Weise ergeben sich unitäre Operatoren für , , man kann stets
nehmen.
In derselben Weise kann man zu jeder numerischen Semigruppe für jede Potenz unitäre Operatoren angeben. Zu , , startet man mit . Dann betrachtet man das nächstgrößte Element, sagen wir . Bei
muss man nichts hinzunehmen. Wenn dies aber nicht zu gehört, so nimmt man
wobei der Koeffizient so zu wählen ist, dass das Gesamtergebnis des Operators, angewendet auf , gleich ist. Man fährt induktiv mit dem nächsten fort. Die Hinzunahme der neuen Summanden ändert die Werte des Operators auf den kleineren Potenzen nicht. Jeder Summand hat dabei den Grad . Wenn , wobei die Führungszahl von ist, so landet aus Gradgründen in und man ist fertig.
- Theorie der Differentialoperatoren auf Monoidringen/Textabschnitte
- Theorie der algebraischen Differentialoperatoren/Textabschnitte
- Theorie der direkten Summanden/Textabschnitte
- Theorie der unitären Differentialoperatoren auf Monoidringen/Textabschnitte
- Theorie der additiven Untermonoide von N/Textabschnitte