Zum Inhalt springen

Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2018-2019)/Teil II/Vorlesung 57

Aus Wikiversity



Unabhängige Ereignisse

Bei einem mehrfachen Münzwurf hat das Ergebnis beim -ten Wurf nichts mit dem Ergebnis beim -ten Wurf () zu tun. Die Kenntnis des Ergebnisses beim -ten Wurf erlaubt keine Rückschlüsse auf die anderen Würfe. Wenn man hingegen weiß, dass bei Münzwürfen mal Kopf geworfen wurde, und man schätzen soll, was beim Wurf geworfen wurde, so wird man wohl eher auf Kopf als auf Zahl tippen. Solche Phänomen werden in der Wahrscheinlichkeitstheorie durch die stochastische Unabhängigkeit bzw. Abhängigkeit erfasst.


Zwei Ereignisse und in einem endlichen Wahrscheinlichkeitsraum heißen unabhängig, wenn

ist.

Man spricht auch von stochastischer Unabhängigkeit. Wenn die Ereignisse nicht unabhängig sind, werden sie abhängig genannt.



Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum.

  1. Jedes Ereignis ist zu und zu unabhängig.
  2. Wenn die Ereignisse und unabhängig sind, so sind auch und unabhängig.
  3. Wenn ein Ereignis zu sich selbst unabhängig ist, so ist
  1. Für die leere Menge gilt

    und für die Gesamtmenge ist

  2. Seien und unabhängig. Dann ist nach Lemma 55.8  (3)
    was die behauptete Unabhängigkeit bedeutet.
  3. Die Unabhängigkeit von mit sich selbst bedeutet

    diese Gleichung erfüllen nur die Zahlen und .



Wir betrachten einen Würfelwurf mit dem Laplace-Raum und dabei die Ereignisse

und

Die Ereignisse und sind unabhängig, da

und somit

Ebenso sind und unabhängig (dies folgt auch aus Lemma 57.2  (2)). Dagegen sind und nicht unabhängig, da

ist, aber beide Ereignisse eine positive Wahrscheinlichkeit haben.



In einem Papageienhaus sind die beiden Geschlechter gleichmäßig verteilt und ebenso sind die Farben rot, gelb und grün gleichmäßig und unabhängig vom Geschlecht verteilt. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewählter Papagei ein rotes Weibchen ist, gleich



Wir betrachten die Ziehung der Lottozahlen. Sind die Ereignisse, dass zwei bestimmte Zahlen gezogen werden, unabhängig voneinander? Dazu müssen wir die relevanten Wahrscheinlichkeiten berechnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Zahl, sagen wir die gezogen wird, ist, wie in Beispiel 55.12 berechnet, gleich . Diese Wahrscheinlichkeit ist für jede Zahl gleich. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Zahlen gezogen werden, sagen wir die und die , ist, ebenfalls wie in Beispiel 55.12 berechnet, gleich

Die Produktwahrscheinlichkeit der beiden einzelnen Ereignisse ist hingegen

Die Ereignisse sind also nicht unabhängig.



Es sei ein Laplace-Raum gegeben, dessen Anzahl eine Primzahl ist. Dann sind zwei Ereignisse nur dann unabhängig, wenn eines von ihnen leer oder gleich ist. Die Unabhängigkeitsbedingung bedeutet ja für einen Laplaceraum

Dies bedeutet

Somit teilt die Primzahl das Produkt . Nach dem Lemma von Euklid kann das nur sein, wenn einen der Faktoren teilt. Dann muss aber die Anzahl eines Faktors, sagen wir von , gleich oder sein, was oder bedeutet.


Zu einer Produktmenge und zu heißt die Abbildung

die -te Projektion. Zu einer Teilmenge nennen wir das Urbild

auch den Zylinder über .



Es seien endliche Wahrscheinlichkeitsräume und

der Produktraum.

Dann sind zu Ereignissen und mit die Zylindermengen und unabhängig.

Es ist (sagen wir )

somit folgt die Aussage aus Lemma 56.4  (2).


Diese Aussage bedeutet beispielsweise, dass bei der Hintereinanderausführung von Münzwürfen der -te Münzwurf vom -ten Münzwurf () unabhängig ist. Dies ist natürlich intuitiv klar, die vorstehende Aussage ist eine Bestätigung dafür, dass die Modellierung eines wiederholten Experimentes durch einen Produktraum und das oben formulierte Konzept der Unabhängigkeit sinnvoll sind.


Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum gegeben. Die Ereignisse

heißen paarweise unabhängig, wenn

für alle ist.

Das bedeutet einfach, dass je zwei Mengen der unabhängig sind.


Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum gegeben. Die Ereignisse heißen vollständig unabhängig, wenn für jedes , , und jede -elementige Teilmenge die Gleichheit

gilt.

Da insbesondere für zweielementige Teilmengen diese Gleichung gelten muss, impliziert die vollständige Unabhängigkeit die paarweise Unabhängigkeit. Wenn die Form

hat, so bedeutet die Unabhängigkeit einfach

Das folgende Beispiel zeigt, dass die vollständige Unabhängigkeit echt stärker als die paarweise Unabhängigkeit ist.


Wir betrachten einen dreifachen Münzwurf, also den Wahrscheinlichkeitsraum mit . Das Ereignis, dass bei den ersten beiden Würfen das gleiche Ergebnis herauskommt (also beide Mal Kopf oder beidemal Zahl), sei mit bezeichnet, das Ereignis, dass beim ersten und beim dritten Wurf das gleiche Ergebnis herauskommt, sei mit bezeichnet, und das Ereignis, dass beim zweiten und beim dritten Wurf das gleiche Ergebnis herauskommt, sei mit bezeichnet. Wir behaupten, dass diese Ereignisse paarweise unabhängig sind, aber nicht vollständig unabhängig. Zu gehören genau die Elementarereignisse der Form und , das sind vier Stück. Somit ist die Wahrscheinlichkeit der Einzelereignisse stets . Das Ereignis und tritt genau dann ein, wenn alle drei Münzwürfe das gleiche Ergebnis haben, also nur bei oder . Die Wahrscheinlichkeit davon ist also

Entsprechendes gilt für die Paare und und und . Wenn man dagegen alle drei Ereignisse miteinander schneidet, so ist

Die Wahrscheinlichkeit davon ist nach wie vor , aber das Produkt der drei Einzelwahrscheinlichkeiten ist



Es werde eine Münze -mal hintereinander geworfen. Wir interessieren uns für die Ereignisse , dass sich das Ergebnis vom -ten zum -ten Wurf ändert (). Sind diese Ereignisse vollständig unabhängig? Das ist nicht so unmittelbar klar, da ja und beide auf den -ten Wurf Bezug nehmen. Trotzdem sind diese Ereignisse vollständig unabhängig. Es sei dazu fixiert. Ein Wechsel an der -ten Stelle (verglichen zum Vorgängerwurf) hat die Wahrscheinlichkeit . Wenn gelten soll, so ist der -te Würfelwurf durch das Ergebnis des -ten Würfelwurfs festgelegt. Wenn das Ereignis gelten soll, so gibt es keinerlei Bedingung an den Stellen mit für alle , während dadurch an den Stellen alles fixiert ist. Somit gibt es günstige Kombinationen für dieses Durchschnittsereignis. Seine Wahrscheinlichkeit ist somit

was mit dem Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten übereinstimmt.




Es seien endliche Wahrscheinlichkeitsräume und

der Produktraum. Es seien Ereignisse , ,..., gegeben und es seien die zugehörigen Zylindermengen im Produktraum, also

Dann sind die Ereignisse vollständig unabhängig.

Es sei . Dann ist

wobei

ist, falls ist, und andernfalls

Nach Lemma 56.4  (2) ist

was die vollständige Unabhängigkeit bedeutet.


<< | Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2018-2019)/Teil II | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)