Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil I/Vorlesung 24
- Die Platzierung der rationalen Zahlen auf der Zahlengeraden
Man kann die rationalen Zahlen auf der Zahlengeraden platzieren (die ganzen Zahlen seien dort schon platziert). Die rationale Zahl mit findet man so: Man unterteilt die Strecke von nach in gleichlange Teilstrecken. Die Zahl ist dann die rechte Grenze des (von links) ersten Teilintervalls. Insbesondere ist die Länge des Intervalls, dass -fach nebeneinander gelegt die Einheitsstrecke von bis (das Einheitsintervall) ergibt. Unter Bezugnahme auf elementargeometrische Eigenschaften der Ebene kann man diese Unterteilung folgendermaßen durchführen: Man betrachtet den linearen Graphen zum proportionalen Zusammenhang, der an der Stelle den Wert besitzt. Die Gerade, die senkrecht auf der -Achse steht und durch den Punkt geht, trifft den Graphen in einem Punkt , wobei die Länge der Verbindungsstrecke von zu ist. Aufgrund des Strahlensatzes, angewendet auf die Strahlen -Achse und linearer Graph und die durch und gegebenen parallelen Geraden, gilt die Verhältnisgleichheit
Die Streckenlänge kann man dann parallel auf die -Achse verschieben, das Ergebnis ist der gesuchte Platz für . Umgekehrt formuliert: Da das -fache der Strecke von nach die Länge besitzt, ist das -fache der Strecke gleich der Länge . Achtung! Die Steigung des proportionalen Zusammenhangs (die Proportionalitätskonstante), der an der Stelle den Wert besitzt, ist . Diese Zahl ergibt sich geometrisch, wenn man den Graphen mit der durch gegebenen Geraden (also die Gerade, die parallel zur -Achse ist und durch den Punkt verläuft) schneidet, als Abstand zwischen dem Schnittpunkt und .
Die Addition und die Multiplikation lassen sich ebenfalls auf der Zahlengeraden geometrisch deuten bzw. durchführen. Die Addition von zwei Punkten und ist die vektorielle Addition der Pfeile und , wobei der Startpunkt des einen Vektors parallel verschoben an den Endpunkt des anderen Vektors angelegt wird. Für positive Zahlen bedeutet das einfach, dass die zugehörigen, von ausgehenden Strecken aneinandergelegt werden. Die Korrektheit dieser Interpretation beruht (für rationale Zahlen) darauf, dass man die beiden Strecken als ganzzahlige Vielfache einer Vergleichsstrecke darstellen kann (Übergang zu einem Hauptnenner), also und mit schreiben kann. Dann ist die Hintereinanderlegung der Strecken einfach .
Für die geometrische Deutung der Multiplikation muss man den Strahlensatz heranziehen, man muss die fixiert haben und man muss Zirkel und Lineal zur Verfügung haben. Die zu multiplizierenden Punkte und seien auf der Zahlengerade gegeben, die wir als -Achse in einem Koordinatensystem auffassen. Auf der -Achse (man könnte auch eine andere Gerade durch den Nullpunkt nehmen) markieren wir den Punkt , der zum Nullpunkt den Abstand und somit die Koordinaten besitzt. Wir zeichnen die Gerade durch die beiden Punkte und . Zu dieser Geraden zeichnen wir die parallele Gerade durch den Punkt . Der Schnittpunkt dieser Geraden mit der -Achse sei . Mit dem Strahlensatz gilt dann die Beziehung , also ist
Das Produkt ist also der konstruierte Punkt . Für den Nachweis der Korrektheit dieser geometrischen Multiplikation, die keinen Bezug auf den Strahlensatz nimmt, siehe Aufgabe *****.
Als Punkte auf der Zahlengeraden lassen sich rationale Zahlen ihrer Größe nach vergleichen. In der geometrischen Vorstellung bedeutet für beliebige Punkte und aus der rechten Hälfte der Zahlengeraden (dem positiven Zahlenstrahl), dass die Strecke in der Strecke enthalten ist, bzw., dass rechts von liegt. Für eine rationale Zahl wissen wir, dass ein ganzzahliges (geometrisches) Vielfaches davon, also die -fache Hintereinanderlegung der Strecke, eine ganze Zahl ergibt. Für zwei rationale Zahlen und gibt es daher eine natürliche Zahl mit der Eigenschaft, dass sowohl als auch ganzzahlig sind. Damit können wir den Vergleich von rationalen Zahlen auf den Vergleich von ganzen Zahlen zurückführen. Wenn und mit und ist, so kann man nehmen und erhält die Beziehung
genau dann, wenn in die Beziehung
gilt. Hier begegnen wir wieder dem Überkreuzungsprinzip.
- Die Ordnung auf den rationalen Zahlen
Wir definieren eine Anordnung auf den rationalen Zahlen.
Auf den rationalen Zahlen wird die Größergleichrelation durch (bei positiven Nennern ), falls in gilt, definiert.
Wir müssen zuerst zeigen, dass diese Definition sinnvoll ist, also unabhängig von den gewählten Darstellungen der rationalen Zahlen als Brüche. Seien also
und
mit positiven Nennern. Dann ist
und
Aus
ergibt sich dann gemäß Lemma 19.13 (6) durch Multiplikation mit der positiven ganzen Zahl
Dies schreiben wir als
woraus sich durch Kürzen mit der positiven ganzen Zahl die Abschätzung
ergibt, die
bedeutet. Wegen der Symmetrie der Situation gilt auch die Umkehrung. Die Beziehung ist also unabhängig von dem gewählten Bruchrepräsentanten. Die zugrunde liegende Idee ist, die beiden zu vergleichenden Brüche auf einen gemeinsamen positiven Nenner zu bringen und dann die Zähler zu vergleichen. Es ist
und
Es liegt also einerseits das -Vielfache und andererseits das -Vielfache des gleichen Stammbruches . Es leuchtet ein, dass die Größerbeziehung nur von dem ganzzahligen Vorfaktor abhängt. Daraus und aus der Tatsache, dass man auch drei rationale Zahlen auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann, folgt auch direkt, dass es sich um eine totale Ordnung handelt, siehe Aufgabe 24.28.
Wir wollen die rationalen Zahlen
miteinander vergleichen. Man kann alle diese Zahlen auf den gemeinsamen Nenner bringen, wodurch man die Darstellungen
erhält, aus denen man an den Zählern unmittelbar die Größenverhältnisse ablesen kann. Man kann auch die Brüche paarweise gemäß der Definition vergleichen, wegen
ist beispielsweise
Um die Ordnungseigenschaften der rationalen Zahlen leichter erfassen zu können, empfiehlt es sich, mit angeordneten Körpern zu arbeiten. Dies ist einfach ein angeordneter Ring, der zugleich ein Körper ist.
Ein Körper heißt angeordnet, wenn es eine totale Ordnung auf gibt, die die beiden Eigenschaften
- Aus folgt (für beliebige ),
- Aus und folgt (für beliebige ),
erfüllt.
Die beiden Eigenschaften heißen wieder die Verträglichkeit mit der Addition und die Verträglichkeit mit der Multiplikation. Es wird sich später herausstellen, dass auch die reellen Zahlen einen angeordneten Körper bilden. Elemente mit heißen positiv und mit heißen negativ.
Die rationalen Zahlen bilden mit der in der Definition 24.1 festgelegten Ordnung
einen angeordneten Körper.
Dass eine totale Ordnung vorliegt wird in Aufgabe 24.28 gezeigt. Es sei , und mit positiven Nennern . Durch Übergang zu einem gemeinsamen Hauptnenner können wir direkt annehmen. Sei
also
Dann ist nach Lemma 19.11 (2) auch
und somit ist
Wenn die beiden Brüche und beide sind, so sind alle Zähler und Nenner aus und dies überträgt sich auf , also ist auch dies .
Da ein angeordneter Körper insbesondere ein
angeordneter Ring
ist, gelten die Eigenschaften aus
Lemma 19.13
unmittelbar auch für und für . Die dort angegebenen Regeln gelten bei einem angeordneten Körper auch dann, wenn man mit statt mit arbeitet. Wesentlich neue Aspekte bei einem angeordneten Körper treten in Bezug auf inverse Elemente auf.
In einem angeordneten Körper gelten die folgenden Eigenschaften.
- Aus folgt auch .
- Aus folgt auch .
- Für ist genau dann, wenn ist.
- Aus folgt .
- Für positive Elemente ist äquivalent zu .
Siehe Aufgabe 24.12, Aufgabe 24.13, Aufgabe 24.14, Aufgabe 24.15 und Aufgabe 24.16.
- Der Betrag
In einem angeordneten Körper ist der Betrag eines Elementes folgendermaßen definiert.
Der Betrag ist also nie negativ (da aus die Beziehung folgt, vergleiche Lemma 24.5 (6)) und hat nur bei den Wert , sonst ist er immer positiv. Die Gesamtabbildung
nennt man auch Betragsfunktion. Der Funktionsgraph setzt sich aus zwei Halbgeraden zusammen; eine solche Funktion nennt man auch stückweise linear.
Es sei ein angeordneter Körper.
Dann erfüllt die Betragsfunktion
- Es ist .
- Es ist genau dann, wenn ist.
- Es ist genau dann, wenn oder ist.
- Es ist .
- Es ist .
- Für ist .
- Es ist (Dreiecksungleichung für den Betrag).
- Es ist .
Beweis
Die Zahl nennt man auch den Abstand der beiden Zahlen
und
und die Länge der Strecke
(oder des Intervalls)
von
nach
bzw. von
nach .
Bei
wird die Strecke von nach in
()
gleichlange Streckenabschnitte eingeteilt, wenn man die Zwischenpunkte
betrachtet (bei bzw. ergeben sich Randpunkte).
- Das arithmetische Mittel
- Die Bernoullische Ungleichung
Die folgende Aussage heißt Bernoullische Ungleichung.
Es sei ein angeordneter Körper und eine natürliche Zahl. Dann gilt für jedes mit die Abschätzung
Wir führen Induktion über . Bei steht beidseitig , sodass die Aussage gilt. Es sei nun die Aussage für bereits bewiesen. Dann ist
da Quadrate (und positive Vielfache davon) in einem angeordneten Körper nichtnegativ sind.
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- Überkreuzungsprinzip (MSW)
- Verträglichkeit mit der Addition (MSW)
- Verträglichkeit mit der Multiplikation (MSW)
- Positiv (MSW)
- Negativ (MSW)
- Betragsfunktion (MSW)
- Stückweise linear (MSW)
- Dreiecksungleichung für den Betrag (MSW)
- Abstand (MSW)
- Intervall (MSW)
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