Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2011)/Vorlesung 13/latex

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\setcounter{section}{13}






\zwischenueberschrift{Automorphismen und Nullstellen}





\inputfaktbeweis
{Zerfällungskörper/Operation auf Nullstellen/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ F }
{ \in }{ K[X] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Polynom}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{L }
{ = }{Z(F) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} der \definitionsverweis {Zerfällungskörper}{}{} von $F$. Es seien
\mathl{\alpha_1 , \ldots , \alpha_n}{} die Nullstellen von $F$ in $L$.}
\faktfolgerung {Dann gibt es einen natürlichen \definitionsverweis {injektiven}{}{} \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismus}{}{} \maabbdisp {} { \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K ) } { S(\{\alpha_1 , \ldots , \alpha_n\}) } {} der \definitionsverweis {Galoisgruppe}{}{} in die \definitionsverweis {Permutationsgruppe}{}{} der Nullstellen.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mathl{\varphi \in \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K )}{.} Nach Lemma 8.15 ist
\mathl{\varphi(\alpha_i)}{} wieder eine Nullstelle von $F$, daher muss
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \varphi { \left( \alpha_i \right) } }
{ = }{\alpha_j }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für ein gewisses $j$ sein. Dies definiert ein Abbildung der Nullstellenmenge in sich selbst. Da $\varphi$ \definitionsverweis {injektiv}{}{} ist, ist auch diese induzierte Abbildung injektiv, also nach Lemma 3.14 (Mathematik (Osnabrück 2009-2011)) \definitionsverweis {bijektiv}{}{} und somit eine \definitionsverweis {Permutation}{}{.} Die Gesamtzuordnung ist offenbar ein Gruppenhomomorphismus. Da die Nullstellen ein Erzeugendensystem des Zerfällungskörpers bilden, liegt nach Lemma 8.14 ein injektiver Homomorphismus vor.

}





\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und $A$ eine \definitionsverweis {kommutative}{}{} $K$-\definitionsverweis {Algebra}{}{.} Zwei über $K$ \definitionsverweis {algebraische}{}{} Elemente
\mathl{\alpha , \beta \in A}{} heißen \definitionswort {konjugiert}{,} wenn ihre \definitionsverweis {Minimalpolynome}{}{} übereinstimmen.

}





\inputfaktbeweis
{Zerfällungskörper/Konjugierte Elemente/Automorphismus/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K }
{ \subseteq }{L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {endliche Körpererweiterung}{}{} und es seien \mathkor {} {\alpha} {und} {\beta} {} \definitionsverweis {konjugierte}{}{} Elemente aus $L$.}
\faktvoraussetzung {Es sei $L$ der \definitionsverweis {Zerfällungskörper}{}{} des gemeinsamen Minimalpolynoms $F$ dieser beiden Elemente.}
\faktfolgerung {Dann gibt es einen $K$-\definitionsverweis {Algebraautomorphismus}{}{} $\varphi$ von $L$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \varphi(\alpha) }
{ = }{ \beta }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Zunächst gibt es wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{K[\alpha] }
{ \cong} {K[X]/(F) }
{ \cong} {K[\beta] }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} einen $K$-\definitionsverweis {Algebrahomomorphismus}{}{} $\varphi$ von
\mathl{K[\alpha]}{} nach
\mathl{K[\beta]}{.} Der Körper $L$ ist über diesen beiden Unterkörpern der \definitionsverweis {Zerfällungskörper}{}{} von $F$. Daher gibt es nach Satz 11.5 einen $K$-Algebraautomorphismus von $L$ nach $L$, der $\varphi$ fortsetzt.

}







\zwischenueberschrift{Das Lemma von Dedekind}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Dedekind.jpeg} }
\end{center}
\bildtext {Richard Dedekind (1831-1916)} }

\bildlizenz { Dedekind.jpeg } {unbekannt} {Jean-Luc W} {Commons} {PD} {http://dbeveridge.web.wesleyan.edu/wescourses/2001f/chem160}

Die Menge der Charaktere auf einem Monoid $G$ in einen Körper $K$, also
\mathl{\operatorname{Char} \, (G, K )}{,} ist selbst ein Monoid, und zwar ein Untermonoid des Abbildungsmonoids von $G$ nach $K^\times$. Da Charaktere insbesondere Abbildungen von $G$ nach $K$ sind, kann man von \definitionsverweis {Linearkombinationen}{}{} von Charakteren sprechen. Diese sind im Allgemeinen keine Charaktere mehr. Es gilt die folgende bemerkenswerte Aussage, das \stichwort {Lemma von Dedekind} {.}




\inputfaktbeweis
{Charaktere auf Monoid/Lemma von Dedekind/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $G$ ein \definitionsverweis {Monoid}{}{,} $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und
\mathl{\chi_1 , \ldots , \chi_n \in \operatorname{Char} \, (G, K )}{} seien $n$ \definitionsverweis {Charaktere}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann sind diese Charaktere \definitionsverweis {linear unabhängig}{}{} \zusatzklammer {als Elemente in $\operatorname{Abb} \, { \left( G , K \right) }$} {} {.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a_1 \chi_1 + \cdots + a_n \chi_n }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei die $\chi_i$ verschiedene Charaktere seien und alle
\mathl{a_i \in K}{} von $0$ verschieden seien. Darüber hinaus sei $n$ minimal gewählt mit dieser Eigenschaft. Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \chi(e_G) }
{ = }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist ein einzelner Charakter nicht die Nullabbildung, also linear unabhängig und somit ist zumindest
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \chi_1 }
{ \neq }{ \chi_2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es auch ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g }
{ \in }{ G }
{ }{}
{ }{}
{ }{}
} {}{}{} mit


\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \chi_1 (g) }
{ \neq }{ \chi_2 (g) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir behaupten die Gleichheit \zusatzklammer {wieder von Abbildungen von $G$ nach $K$} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a_1 \chi_1(g) \chi_1 + \cdots + a_n \chi_n (g) \chi_n }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Für ein beliebiges
\mathl{h \in G}{} ist nämlich
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ (a_1 \chi_1(g) \chi_1 + \cdots + a_n \chi_n (g) \chi_n )(h) }
{ =} { a_1 \chi_1(g) \chi_1(h) + \cdots + a_n \chi_n (g) \chi_n(h) }
{ =} { a_1 \chi_1(g \cdot h) + \cdots + a_n \chi_n (g \cdot h) }
{ =} { 0 }
{ } { }
} {} {}{} wegen der Ausgangsgleichung. Wenn man vom
\mathl{\chi_1(g)}{-}fachen der Ausgangsgleichung die zweite Gleichung abzieht, so kann man $\chi_1$ elimineren und erhält eine nichttriviale \zusatzklammer {wegen
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ a_2 }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und der Wahl von $g$} {} {} lineare Relation zwischen
\mathl{\chi_2 , \ldots , \chi_n}{} im Widerspruch zur Minimalitätseigenschaft von $n$.

}







\zwischenueberschrift{Galoiserweiterungen}

Aus dem Lemma von Dedekind ergibt sich eine direkte Abschätzung zwischen der Ordnung der Galoisgruppe und dem Grad einer endlichen Körpererweiterung.





\inputfaktbeweis
{Endliche Körpererweiterung/Galoiszahl und Grad/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ K }
{ \subseteq }{L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {endliche Körpererweiterung}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \# \left( \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K ) \right) } }
{ \leq} { \operatorname{grad}_{ K} L }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach Satz 8.16 ist
\mathl{{ \# \left( \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K ) \right) }}{} endlich. Wir setzen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ = }{ { \# \left( \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K ) \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{ \operatorname{grad}_{ K} L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und müssen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ \leq }{n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zeigen. Nehmen wir also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ > }{n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} an. Es sei
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} eine $K$-\definitionsverweis {Basis}{}{} von $L$ und die Elemente in der Galoisgruppe seien
\mathl{\varphi_1 , \ldots , \varphi_m}{.} Wir betrachten die Matrix
\mathdisp {\begin{pmatrix} \varphi_1(v_1) & \cdots & \varphi_m(v_1) \\ \vdots & \ddots & \vdots \\ \varphi_1(v_n) & \cdots & \varphi_m(v_n) \end{pmatrix}} { . }
Ihr \definitionsverweis {Rang}{}{} ist maximal gleich $n$, da sie nur $n$ Zeilen besitzt. Daher gibt es eine nichttriviale Relation zwischen den $m$ Spalten, sagen wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b_1 \begin{pmatrix} \varphi_1(v_1) \\\vdots\\ \varphi_1(v_n) \end{pmatrix} + \cdots + b_m \begin{pmatrix} \varphi_m(v_1) \\\vdots\\ \varphi_m(v_n) \end{pmatrix} }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei nicht alle $b_j$ gleich $0$ sind. Wir betrachten nun
\mathdisp {\sum_{j = 1}^m b_j \varphi_j} { , }
wobei wir die Automorphismen $\varphi_j$ als \definitionsverweis {Charaktere}{}{} von $L^\times$ nach $L^\times$ auffassen. Für ein beliebiges Element
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v }
{ \in }{ L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} schreiben wir
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{v }
{ = }{\sum_{i = 1}^n a_iv_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Mit diesen Bezeichnungen gilt
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ { \left( \sum_{j = 1}^m b_j \varphi_j \right) } (v) }
{ =} { { \left( \sum_{j = 1}^m b_j \varphi_j \right) } { \left( \sum_{i = 1}^n a_iv_i \right) } }
{ =} { \sum_{j = 1}^m b_j { \left( \varphi_j { \left( \sum_{i = 1}^n a_iv_i \right) } \right) } }
{ =} { \sum_{j = 1}^m b_j { \left( \sum_{i = 1}^n a_i \varphi_j(v_i) \right) } }
{ =} { \sum_{i = 1}^n a_i { \left( \sum_{j = 1}^m b_j \varphi_j(v_i) \right) } }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { 0 }
{ } {}
{ } {}
{ } {}
} {}{,} da ja wegen der obigen linearen Abhängigkeit die Zeilensummen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \sum_{j = 1}^m b_j \varphi_j(v_i) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} sind für jedes $i$. Also liegt eine nicht-triviale Relation zwischen Charakteren vor, was nach Satz 13.4 nicht sein kann.

}


Eine wichtige Frage ist, wann in der vorstehenden Abschätzung Gleichheit vorliegt. Dies machen wir zur Grundlage der folgenden Definition. Wir werden später noch viele äquivalente Eigenschaften kennenlernen.


\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ K }
{ \subseteq }{L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {endliche Körpererweiterung}{}{.} Sie heißt eine \definitionswort {Galoiserweiterung}{,} wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \# \left( \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K ) \right) } }
{ =} { \operatorname{grad}_{ K} L }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.

}


\inputfaktbeweis
{Quadratische Körpererweiterung/Charakteristik nicht 2/Galoisch/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} mit einer \definitionsverweis {Charakteristik}{}{} $\neq 2$ und sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K }
{ \subseteq }{L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {quadratische Körpererweiterung}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K }
{ \subseteq }{L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {Galois\-erweiterung}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 13.6. }


Die vorstehende Aussage ist ein Spezialfall der Aussage, dass graduierte Körpererweiterungen unter der Voraussetzung, dass hinreichend viele Einheitswurzeln im Grundkörper vorhanden sind, Galois-Erweiterungen sind. Dazu brauchen wir ein vorbereitendes Lemma.




\inputfaktbeweis
{Kommutative endliche Gruppe/Körper mit Einheitswurzeln/Charaktergruppe/Isomorph/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $G$ eine \definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {kommutative Gruppe}{}{} mit dem \definitionsverweis {Exponenten}{}{} $m$, und es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{,} der eine \definitionsverweis {primitive}{}{} $m$-te \definitionsverweis {Einheitswurzel}{}{} besitzt.}
\faktfolgerung {Dann sind $G$ und $G^{ \vee }$ \definitionsverweis {isomorphe}{}{\zusatzfussnote {Diese Isomorphie ist nicht kanonisch, es gibt keine natürliche Beziehung zwischen den Elementen aus $G$ und den Charaktern auf $G$} {.} {}} Gruppen.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach Lemma 9.10  (2) und Korollar Anhang 4.2 kann man annehmen, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{G }
{ = }{ \Z/(n) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine endliche \definitionsverweis {zyklische Gruppe}{}{} ist, und dass $K$ eine $n$-te primitive Einheitswurzel besitzt. Jeder Gruppenhomomorphismus \maabbdisp {\varphi} {G} {K^\times } {} ist durch
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \zeta }
{ = }{\varphi(1) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eindeutig festgelegt, und wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\zeta^n }
{ =} { (\varphi(1))^n }
{ =} { \varphi (n) }
{ =} { \varphi(0) }
{ =} {1 }
} {}{}{} ist $\zeta$ eine $n$-te Einheitswurzel. Umgekehrt kann man zu jeder $n$-ten Einheitswurzel $\zeta$ durch die Zuordnung
\mathl{1 \mapsto \zeta}{} nach Lemma 4.4 und Satz 5.10 einen Gruppenhomomorphismus von
\mathl{\Z/(n)}{} nach $K^\times$ definieren. Die Menge der $n$-ten Einheitswurzeln ist, da eine primitive Einheitswurzel vorhanden ist, eine zyklische Gruppe der Ordnung $n$. Also gibt es $n$ solche Homomorphismen. Wenn $\zeta$ eine primitive Einheitswurzel ist, dann besitzt der durch
\mathl{1 \mapsto \zeta}{} festgelegte Homomorphismus die \definitionsverweis {Ordnung}{}{} $n$ und ist damit ein Erzeuger der Charaktergruppe, also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ ( \Z/(n) )^{ \vee } }
{ \cong }{ \Z/(n) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}





\inputfaktbeweis
{Endliche graduierte Körpererweiterung/Hinreichend viele Einheitswurzeln/Galois/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{,} $D$ eine \definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {kommutative Gruppe}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ K }
{ \subseteq }{ L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine $D$-\definitionsverweis {graduierte Körpererweiterung}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Der Körper $K$ enthalte eine $m$-te \definitionsverweis {primitive Einheitswurzel}{}{,} wobei $m$ der \definitionsverweis {Exponent}{}{} von $D$ sei.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K }
{ \subseteq }{L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {Galoiserweiterung}{}{} mit \definitionsverweis {Galoisgruppe}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ D^{ \vee } }
{ = }{ \operatorname{Char} \, (D, K ) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Voraussetzung über die primitiven Einheitswurzeln in Verbindung mit Lemma 13.8 und Lemma 9.7  (2) sichern
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \# \left( D^{ \vee } \right) } }
{ =} { { \# \left( D \right) } }
{ =} { \operatorname{grad}_{ K} L }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Nach Lemma 9.11 ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \# \left( D^{ \vee } \right) } }
{ \leq} { { \# \left( \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K ) \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Also ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{grad}_{ K} L }
{ \leq} {{ \# \left( \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K ) \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} und somit haben wir nach Satz 13.5 hier Gleichheit, also liegt eine \definitionsverweis {Galoiserweiterung}{}{} vor. Damit ist auch der nach Lemma 9.11 injektive Gruppenhomomorphismus \maabbdisp {} {D^{ \vee }} { \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K ) } {} bijektiv.

}





\inputbeispiel{}
{

Es sei
\mathl{n \in \N_+}{} und sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{,} der eine $n$-te \definitionsverweis {primitive Einheitswurzel}{}{} enthält. Es sei
\mathl{a \in K}{} derart, dass das Polynom
\mathl{X^n-a}{} \definitionsverweis {irreduzibel}{}{} sei. Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{K }
{ \subseteq} {L }
{ =} { K[X]/ { \left( X^n-a \right) } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine nach Beispiel 9.4 $D= \Z/(n)$-\definitionsverweis {graduierte Körpererweiterung}{}{,} und nach Satz 13.9 handelt es sich um eine \definitionsverweis {Galoiserweiterung}{}{} mit \definitionsverweis {Galoisgruppe}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K ) }
{ = }{ D^{ \vee } }
{ \cong }{ \Z/(n) }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dabei ist $L$ auch der \definitionsverweis {Zerfällungskörper}{}{} von
\mathl{X^n-a}{.} Wenn $x$ die Restklasse von $X$ bezeichnet, so sind die $n$ verschiedenen Nullstellen dieses Polynoms gleich
\mathbeddisp {\zeta x} {mit}
{\zeta \in \mu_n(K) = { \left\{ z \in K \mid z^n = 1 \right\} }} {}
{} {} {} {,} die allesamt \definitionsverweis {homogene Elemente}{}{} der Stufe
\mathl{1 \in D}{} sind. Ein \definitionsverweis {Charakter}{}{}
\mathl{\chi \in D^{ \vee }}{} bzw. der zugehörige Automorphismus $\varphi_\chi$ operiert gemäß Lemma 13.1 auf dieser Nullstellenmenge $M$ \zusatzklammer {die nichtkanonisch isomorph zu \mathlk{\mu_n(K)}{} ist} {} {} durch \maabbeledisp {\varphi_\chi} {M} {M } { \zeta x} { \chi(1) \zeta x } {.} Die graduierende Gruppe $D$, sein Charakterdual
\mathl{D^{ \vee }}{,} die Gruppe der $n$-ten Einheitswurzeln
\mathl{\mu_n(K)}{,} die Galoisgruppe
\mathl{\operatorname{Gal}\, ( L {{|}} K )}{} und die Nullstellenmenge $M$ bestehen aus $n$ Elementen, die Permutationsgruppe von $M$ besteht somit aus $n!$ Elementen. Zu je zwei Nullstellen \mathkor {} {x_1= \zeta_1 x} {und} {x_2 = \zeta_2 x} {} gibt es einen eindeutigen Charakter bzw. Automorphismus, dessen zugehörige Permutation $x_1$ in $x_2$ überführt, nämlich derjenige Charakter $\chi$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\chi(1) }
{ = }{\zeta_2 \zeta_1^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K }
{ = }{\Q }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{L }
{ = }{\Q[ { \mathrm i} ] }
{ = }{\Q[X]/{ \left( X^2+1 \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} sind
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{M }
{ = }{ \{ { \mathrm i} ,- { \mathrm i} \} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die beiden Nullstellen und der nichtkonstante Charakter vertauscht die beiden Nullstellen. Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{2! }
{ = }{2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} rührt jede Permutation von einem Automorphismus bzw. einem Charakter her.

Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K }
{ = }{\Q[ { \mathrm i} ] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mathl{X^4-3 \in K[X]}{} ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{L }
{ = }{K[X]/ { \left( X^4-3 \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine
\mathl{\Z/(4)}{-}graduierte Körpererweiterung. Die vier Nullstellen sind $\sqrt[4]{3},\, - \sqrt[4]{3},\, { \mathrm i} \sqrt[4]{3}$ und $- { \mathrm i} \sqrt[4]{3}$. Die Irreduzibilität von
\mathl{X^4-3}{} ergibt sich dadurch, dass das Produkt von je zwei Linearfaktoren nicht zu
\mathl{K[X]}{} gehört. Jeder Charakter $\chi$ ist durch
\mathl{\chi(1)}{} bestimmt und die zugehörige Permutation auf der Nullstellenmenge ist die Multiplikation mit
\mathl{\chi(1)}{.} Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \chi(1) }
{ = }{ -1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist das die Permutation
\mathl{\sqrt[4]{3} \leftrightarrow -\sqrt[4]{3} ,\, { \mathrm i} \sqrt[4]{3} \leftrightarrow -{ \mathrm i} \sqrt[4]{3}}{,} bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \chi(1) }
{ = }{ { \mathrm i} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist das die Permutation
\mathl{\sqrt[4]{3} \mapsto { \mathrm i}\sqrt[4]{3} \mapsto -\sqrt[4]{3} \mapsto - { \mathrm i}\sqrt[4]{3}}{} und bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \chi(1) }
{ = }{ - { \mathrm i} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist das die Permutation
\mathl{\sqrt[4]{3} \mapsto - { \mathrm i}\sqrt[4]{3} \mapsto -\sqrt[4]{3} \mapsto { \mathrm i} \sqrt[4]{3}}{.} Unter den $24$ Permutationen rühren also nur $4$ von einem Charakter her, eine Permutation wie
\mathl{\sqrt[4]{3} \leftrightarrow \sqrt[4]{3}}{,}
\mathl{-\sqrt[4]{3} \leftrightarrow -\sqrt[4]{3}}{,} und
\mathl{{ \mathrm i}\sqrt[4]{3} \leftrightarrow - { \mathrm i} \sqrt[4]{3}}{} z.B. nicht.


}



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