Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil II/Vorlesung 31
- Vektorräume mit Skalarprodukt
Im kann man nicht nur Vektoren addieren und skalieren, sondern ein Vektor hat auch eine Länge, und die Lagebeziehung von zwei Vektoren zueinander wird durch den Winkel zwischen ihnen ausgedrückt. Länge und Winkel werden beide durch den Begriff des Skalarprodukts präzisiert. Dafür muss ein reeller Vektorraum oder ein komplexer Vektorraum vorliegen. Wir diskutieren die beiden Fälle parallel und verwenden als gemeinsame Bezeichnung das Symbol . Zu bezeichnet die konjungiert-komplexe Zahl, bei einfach die Zahl selbst.
Es sei ein - Vektorraum. Ein Skalarprodukt auf ist eine Abbildung
mit folgenden Eigenschaften:
- Es ist
für alle , und
für alle , .
- Es ist
für alle .
- Es ist für alle und genau dann, wenn ist.
Die dabei auftretenden Eigenschaften heißen im reellen Fall Bilinearität (das ist nur eine andere Bezeichnung für multilinear, wenn der Definitionsbereich das Produkt von zwei Vektorräumen ist), Symmetrie und positive Definitheit. Im komplexen Fall spricht man von sesquilinear und von hermitesch. Diese auf den ersten Blick unschöne Abweichung muss gemacht werden, um die positive Definitheit zu erhalten, was wiederum die Voraussetzung für einen sinnvollen Abstandsbegriff im Komplexen ist.
Auf dem ist die Abbildung
ein Skalarprodukt, das man das Standardskalarprodukt nennt. Einfache Rechnungen zeigen, dass dies in der Tat ein Skalarprodukt ist.
Beispielsweise ist im mit dem Standardskalarprodukt
Ein reeller, endlichdimensionaler Vektorraum, der mit einem Skalarprodukt versehen ist, heißt euklidischer Vektorraum.
Zu einem Vektorraum mit einem Skalarprodukt besitzt jeder Untervektorraum selbst wieder durch Einschränkung ein Skalarprodukt. Insbesondere ist zu einem euklidischen Vektorraum jeder Untervektorraum selbst wieder ein euklidischer Vektorraum. Jeder Untervektorraum trägt somit das eingeschränkte Standardskalarprodukt. Da es stets eine Isomorphie
gibt, kann man auch das Standardskalarprodukt des nach übertragen, doch hängt dies von der gewählten Isomorphie ab und hat im Allgemeinen nichts mit dem eingeschränkten Standardskalarprodukt zu tun.
Beispielsweise ist
Wenn man einen komplexen Vektorraum mit einem Skalarprodukt als reellen Vektorraum auffasst, so ist durch den Realteil
ein reelles Skalarprodukt gegeben, siehe Aufgabe 31.3. Wegen
kann man aus dem Realteil das ursprüngliche Skalarprodukt rekonstruieren.
Es sei ein abgeschlossenes reelles Intervall mit und sei
versehen mit der punktweisen Addition und Skalarmultiplikation. Wir setzen
und erhalten damit ein Skalarprodukt auf . Die Additivität folgt beispielsweise aus
Die positive Definitheit folgt so: Wenn nicht die Nullfunktion ist, so sei ein Punkt mit . Dann ist und wegen der Stetigkeit von gibt es dann auch eine Umgebung der Länge , auf der überall
für ein gewisses ist (man kann nehmen). Somit ist
positiv.
- Norm
Mit einem Skalarprodukt kann man die Länge eines Vektors und damit auch den Abstand zwischen zwei Vektoren erklären.
Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt . Dann nennt man zu einem Vektor die reelle Zahl
die Norm von .
Das Skalarprodukt ist stets reell und nicht negativ und somit ist die Quadratwurzel eine eindeutig bestimmte reelle Zahl. Für einen komplexen Vektorraum mit einem Skalarprodukt ist es gleichgültig, ob man die Norm direkt oder über den zugrunde liegenden reellen Vektorraum bestimmt.
Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt und der zugehörigen Norm .
Dann gilt die Cauchy-Schwarzsche Abschätzung, nämlich
für alle .
Bei ist die Aussage richtig. Es sei also und damit auch . Damit hat man die Abschätzungen
Multiplikation mit und Wurzelziehen ergibt das Resultat.
Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt . Dann gelten für die zugehörige Norm folgende Eigenschaften.
- Es ist .
- Es ist genau dann, wenn ist.
- Für
und
gilt
- Für
gilt
Die ersten beiden Eigenschaften folgen direkt aus der Definition des
Skalarprodukts.
Die Multiplikativität folgt aus
Zum Beweis der Dreiecksungleichung schreiben wir
Aufgrund von
Satz 31.8
ist dies . Diese Abschätzung überträgt sich auf die Quadratwurzeln.
Mit der folgenden Aussage, der Polarisationsformel, kann man ein Skalarprodukt aus der Norm rekonstruieren.
Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt und der zugehörigen Norm .
Dann gilt bei die Beziehung
und bei die Beziehung
Beweis
- Normierte Vektorrräume
Aufgrund von Lemma 31.9 ist die Norm zu einem Skalarprodukt eine Norm im Sinne der folgenden Definition und ein Vektorraum mit einem Skalarprodukt ist insbesondere ein normierter Vektorraum.
Es sei ein - Vektorraum. Eine Abbildung
heißt Norm, wenn die folgenden Eigenschaften gelten.
- Es ist für alle .
- Es ist genau dann, wenn ist.
- Für
und
gilt
- Für
gilt
Ein - Vektorraum heißt normierter Vektorraum, wenn auf ihm eine Norm definiert ist.
Auf einem euklidischen Vektorraum nennt man die über das Skalarprodukt gegebene Norm auch die euklidische Norm. Bei mit dem Standardskalarprodukt ist
Zu einem Vektor , , in einem normierten Vektorraum nennt man den Vektor den zugehörigen normierten Vektor. Ein solcher normierter Vektor besitzt die Norm . Der Übergang zum normierten Vektor heißt Normierung.
- Normierte Räume als metrische Räume
Es sei eine Menge. Eine Abbildung heißt Metrik (oder Distanzfunktion), wenn für alle die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- genau dann, wenn ist (Definitheit),
- (Symmetrie), und
- (Dreiecksungleichung).
Ein metrischer Raum ist ein Paar , wobei eine Menge und eine Metrik ist.
Auf einem normierten Vektorraum mit Norm definiert man die zugehörige Metrik durch
Dies ist in der Tat eine Metrik.
Ein normierter Vektorraum ist durch die zugehörige Metrik
ein metrischer Raum.
Beweis
Damit ist ein euklidischer Raum insbesondere ein metrischer Raum.
Ein affiner Raum über einem normierten Vektorraum wird zu einem metrischen Raum, indem man
setzt. Diese Metrik ist invariant unter Translationen.
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- Positive Definitheit (MSW)
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- Polarisationsformel (MSW)
- Euklidische Norm (MSW)
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- Normierter Vektor (MSW)
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