Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil II/Vorlesung 32
- Orthogonalität
Mit dem Skalarprodukt kann man die Eigenschaft zweier Vektoren, aufeinander senkrecht zu stehen, ausdrücken.
Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt . Man nennt zwei Vektoren orthogonal zueinander (oder senkrecht), wenn
ist.
Dass die über das Skalarprodukt definierte Orthogonalität der anschaulichen Orthogonalität entspricht, kann man sich folgendermaßen klar machen. Zu orthogonalen Vektoren gilt, dass zu den beiden Punkten und den gleichen Abstand besitzt. Es ist ja
Die Umkehrung gilt ebenfalls, siehe Aufgabe 32.1.
Wir rufen uns den Satz des Pythagoras in Erinnerung.
Der folgende Satz ist der Satz des Pythagoras, genauer die Skalarproduktversion davon, die trivial ist. Die Beziehung zum klassischen, elementar-geometrischen Satz des Pythagoras ist diffizil, da es nicht selbstverständlich ist, dass unser über das Skalarprodukt eingeführter Orthogonalitätsbegriff und unser ebenso eingeführter Längenbegriff mit dem entsprechenden intuitiven Begriff übereinstimmt. Dass unser Normbegriff der wahre Längenbegriff ist, beruht wiederum auf dem Satz des Pythagoras in einem cartesischen Koordinatensystem, was den klassischen Satz voraussetzt.
Es sei ein - Vektorraum mit Skalarprodukt . Es seien Vektoren, die aufeinander senkrecht stehen.
Dann ist
Es ist
Es sei ein - Vektorraum mit Skalarprodukt und ein Untervektorraum. Dann heißt
das orthogonale Komplement von .
Das orthogonale Komplement zu einem Untervektorraum ist selbst wieder ein Untervektorraum, siehe Aufgabe 32.3.
Es sei mit dem Standardskalarprodukt versehen. Zum eindimensionalen Untervektorraum zum Standardvektor besteht das orthogonale Komplement aus allen Vektoren , deren -ter Eintrag ist. Zum eindimensionalen Untervektorraum zu einem Vektor
kann man das orthogonale Komplement bestimmen, indem man den Lösungsraum der linearen Gleichung
bestimmt. Der Orthogonalraum
besitzt die Dimension , es handelt sich also um eine sogenannte Hyperebene. Man nennt dann einen Normalenvektor für die Hyperebene .
Zu einem Untervektorraum , der durch eine Basis (oder ein Erzeugendensystem) , , gegeben ist, bestimmt man das orthogonale Komplement als Lösungsraum des linearen Gleichungssystems
wobei die aus den (als Zeilen) gebildete Matrix ist.
- Orthonormalbasen
Es sei ein - Vektorraum mit einem Skalarprodukt. Eine Basis , , von heißt Orthogonalbasis, wenn
gilt.
Die Elemente in einer Orthonormalbasis haben alle die Norm und sie stehen senkrecht aufeinander. Eine Orthonormalbasis ist also eine Orthogonalbasis, bei der zusätzlich die Normbedingung
erfüllt ist. Man kann problemlos von einer Orthogonalbasis zu einer Orthonormalbasis übergehen, indem man jedes durch die Normierung ersetzt (da Teil einer Basis ist, ist die Norm von verschieden).
Es sei ein - Vektorraum mit Skalarprodukt und sei , , eine Orthonormalbasis von .
Dann ergeben sich die Koeffizienten eines Vektors bezüglich dieser Basis durch
Da eine Basis vorliegt, gibt es eine eindeutige Darstellung
(wobei alle bis auf endlich viele gleich sind). Die Behauptung ergibt sich somit aus
Wir werden Orthonormalbasen hauptsächlich im endlichdimensionalen Fall betrachten. Im ist die Standardbasis eine Orthonormalbasis. In der Ebene ist eine Orthonormalbasis von der Form oder , jeweils mit
.
Beispielsweise ist eine Orthonormalbasis. Das folgende Schmidtsche Orthonormalisierungsverfahren erlaubt es, ausgehend von einer Basis eines endlichdimensionalen Vektorraumes eine Orthonormalbasis zu konstruieren.
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt und es sei eine Basis von .
Dann gibt es eine Orthonormalbasis von mit[1]
für alle .
Die Aussage wird durch Induktion über bewiesen, d.h. es wird sukzessive eine Familie von orthonormalen Vektoren konstruiert, die jeweils den gleichen Untervektorraum aufspannen. Für muss man lediglich normieren, also durch ersetzen. Es sei die Aussage für schon bewiesen und sei eine Familie von orthonormalen Vektoren mit bereits konstruiert. Wir setzen
Dieser Vektor steht wegen
senkrecht auf allen und offenbar ist
Durch Normieren von erhält man .
Es sei der Kern der linearen Abbildung
Als Unterraum des trägt das induzierte Skalarprodukt. Wir möchten eine Orthonormalbasis von bestimmen. Dazu betrachten wir die Basis bestehend aus den Vektoren
Es ist und somit ist
der zugehörige normierte Vektor. Gemäß dem[2] Schmidtschen Orthonormalisierungsverfahren setzen wir
Es ist
und daher ist
der zweite Vektor der Orthonormalbasis.
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt.
Dann gibt es eine Orthonormalbasis in .
Dies folgt direkt aus Satz 32.9.
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt und ein Untervektorraum.
Dann ist
d.h. ist die direkte Summe aus und seinem orthogonalen Komplement.
Aus folgt direkt
und daher . Somit ist die Summe direkt. Es sei eine Orthonormalbasis von , die wir zu einer Orthonormalbasis von ergänzen. Dann ist
und somit ist die Summe aus den Unterräumen.
Zur folgenden Aussage vergleiche auch
Lemma 15.6
und
Aufgabe 32.19.
Es sei ein - Vektorraum mit einem Skalarprodukt . Dann gelten folgende Aussagen.
- Zu
Untervektorräumen
ist
- Es ist und .
- Es sei
endlichdimensional.
Dann ist
- Es sei endlichdimensional. Dann ist
Beweis
- Orthogonale Projektionen
Zu einem endlichdimensionalen - Vektorraum mit einem Skalarprodukt und einem Untervektorraum gibt es ein orthogonales Komplement und der Raum hat die direkte Summenzerlegung
Die Projektion
längs heißt die orthogonale Projektion auf . Diese hängt allein von ab, da ja das orthogonale Komplement eindeutig bestimmt ist. Häufig bezeichnet man auch die Abbildung als orthogonale Projektion auf . Bei einer orthogonalen Projektion wird ein Punkt auf seinen Lotfußpunkt auf abgebildet.
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt und ein Untervektorraum mit einer Orthonormalbasis von .
Dann ist die orthogonale Projektion auf durch
gegeben.
Wir ergänzen die Basis zu einer Orthonormalbasis von . Das orthogonale Komplement zu ist
Nach Lemma 32.8 ist
Somit ist die Projektion auf längs .
- Fußnoten
- ↑ Hier bezeichnet den von den Vektoren erzeugten Untervektorraum, nicht das Skalarprodukt.
- ↑ Häufig ist es numerisch geschickter, zuerst nur zu orthogonalisieren und die Normierung erst zum Schluss durchzuführen, siehe Beispiel 32.10.
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