Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2015)/Vorlesung 9
- Faktorielle Ringe
In der letzten Vorlesung haben wir gesehen, dass in einem Hauptidealbereich einerseits jedes irreduzible Element prim ist und andererseits jedes Element ein Produkt von irreduziblen Elementen und damit auch von Primelementen ist. Wir werden gleich zeigen, dass unter diesen Voraussetzung die Zerlegung in Primelemente sogar im Wesentlichen eindeutig ist. Um dies prägnant fassen zu können, dient der Begriff des faktoriellen Bereiches.
Ein Integritätsbereich heißt faktorieller Bereich, wenn jede Nichteinheit sich als ein Produkt von Primelementen schreiben lässt.
Es sei ein Integritätsbereich. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist faktoriell.
- Jede Nichteinheit besitzt eine Faktorzerlegung in irreduzible Elemente, und diese Zerlegung ist bis auf Umordnung und Assoziiertheit eindeutig.
- Jede Nichteinheit besitzt eine Faktorzerlegung in irreduzible Elemente, und jedes irreduzible Element ist ein Primelement.
. Sei eine Nichteinheit. Die Faktorisierung in Primelemente ist insbesondere eine Zerlegung in irreduzible Elemente, sodass also lediglich die Eindeutigkeit zu zeigen ist. Dies geschieht durch Induktion über die minimale Anzahl der Primelemente in einer Faktorzerlegung. Wenn es eine Darstellung mit einem Primelement gibt, und eine weitere Zerlegung in irreduzible Faktoren ist, so teilt einen der Faktoren und nach Kürzen durch erhält man, dass das Produkt der übrigen Faktoren rechts eine Einheit sein muss. Das bedeutet aber, dass es keine weiteren Faktoren geben kann. Es sei nun und diese Aussage sei für Elemente mit kleineren Faktorisierungen in Primelemente bereits bewiesen. Es sei
eine weitere Zerlegung mit irreduziblen Elementen. Dann teilt wieder einen der Faktoren rechts, sagen wir
.
Dann muss eine Einheit sein und wir können durch kürzen, wobei wir mit verarbeiten können, was ein zu assoziiertes Element ergibt. Das gekürzte Element hat eine Faktorzerlegung mit Primelementen, sodass wir die Induktionsvoraussetzung anwenden können.
. Wir müssen zeigen, dass ein irreduzibles Element auch prim ist. Es sei also irreduzibel und es teile das Produkt , sagen wir
Für und gibt es Faktorzerlegungen in irreduzible Elemente, sodass sich insgesamt die Gleichung
ergibt. Es liegen also zwei Zerlegungen in irreduzible Element vor, die nach Voraussetzung im Wesentlichen übereinstimmen müssen. D.h. insbesondere, dass es auf der rechten Seite einen Faktor gibt, sagen wir , der assoziiert zu ist. Dann teilt auch den ursprünglichen Faktor .
. Das ist trivial.
Wenn man ein
Repräsentantensystem
für die Primelemente bezüglich der Assoziiertheit auswählt
(beispielsweise die positiven Primzahlen bei oder die normierten irreduziblen Polynome bei ),
so besitzt jedes Element eine bis auf die Reihenfolge eindeutige Faktorzerlegung
mit einer Einheit , wobei das Produkt über das Repräsentantensystem läuft. Bis auf endlich viele Ausnahmen ist dabei und somit , sodass letztlich ein endliches Produkt vorliegt. Man spricht dann auch, insbesondere in den beiden erwähnten Spezialfällen, von einer kanonischen Primfaktorzerlegung.
ist ein faktorieller Bereich.
- Zerlegung in irreduzible Polynome
Wir möchten, abhängig von einem gewählten Grundkörper , Aussagen über die irreduziblen Elemente in und über die Primfaktorzerlegung von Polynomen treffen.
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über .
Dann besitzt jedes Polynom , , eine eindeutige Faktorzerlegung
wobei ist und die verschiedene, normierte, irreduzible Polynome sind.
Dies folgt aus Satz 8.3, aus Satz 9.3 und daraus, dass jedes Polynom zu einem normierten Polynom assoziiert ist.
Die irreduziblen Elemente stimmen mit den Primelementen überein, man spricht meist von irreduziblen Polynomen.
Das Polynom besitzt in die Primfaktorzerlegung
die quadratischen Polynome sind nicht weiter zerlegbar, da sie in (ebenso in ) keine Nullstelle besitzen.
Im Allgemeinen ist es schwierig, zu einem gegebenen Polynom die Primfaktorzerlegung zu finden.
- Der Hauptsatz der elementaren Zahlentheorie
Wir beweisen nun, dass sich jede natürliche Zahl in eindeutiger Weise als Produkt von Primzahlen darstellen lässt.
Jede natürliche Zahl , , besitzt eine eindeutige Zerlegung in Primfaktoren.
D.h. es gibt eine Darstellung
mit Primzahlen , und dabei sind die Primfaktoren bis auf ihre Reihenfolge eindeutig bestimmt.
- Exponententest
Es sei ein faktorieller Bereich und ein Primelement. Dann heißt zu jedem , , die natürliche Zahl mit aber , der Exponent (oder die Ordnung) von zu . Er wird mit bezeichnet.
Wenn von die kanonische Primfaktorzerlegung
und zu assoziiert ist, so ist
Denn offenbar wird von geteilt, aber nicht von , da nach kürzen mit folgen würde, dass einen der übrigen Faktoren teilt. Insbesondere ist also der Exponent wohldefiniert.
Es sei ein faktorieller Integritätsbereich und ein Primelement.
Dann besitzt der Exponent die Eigenschaft
Dies folgt aus Satz 9.2.
Der Exponent übersetzt also die Multiplikation in die Addition.
Mit diesen Bezeichnungen kann man die Primfaktorzerlegung in einem faktoriellen Bereich als
mit einer Einheit schreiben, wobei das Produkt rechts endlich in dem Sinne ist, dass nur endlich viele Exponenten von verschieden sind, und wobei für zueinander assoziierte Primelemente jeweils ein Vertreter genommen wird (das Produkt erstreckt sich also beispielsweise über alle positiven Primzahlen oder über alle irreduziblen normierten Polynome). Die Teilbarkeit und einen größten gemeinsamen Teiler und ein kleinstes gemeinsames Vielfaches kann man aus den Exponenten ablesen.
Es sei ein faktorieller Integritätsbereich und .
Dann ist ein Teiler von genau dann, wenn für die Exponenten zu jedem Primelement die Abschätzung
gelten.
. Aus der Beziehung folgt mit Lemma 9.8 direkt
. Wir schreiben
und
mit Einheiten . Wenn die Exponentenbedingung erfüllt ist, so ist ein Ringelement, das mit multipliziert gerade ergibt.
Dies folgt direkt aus Lemma 9.9.
Insbesondere kann man den größten gemeinsamen Teiler primelementweise bestimmen, indem man schaut, mit welcher Potenz in etc. aufgeht.
In einem faktoriellen Bereich muss ein größter gemeinsamer Teiler nicht als Linearkombination der Elemente darstellbar sein. Beispielsweise ist faktoriell, aber kein Hauptidealbereich, die beiden Variablen und sind prim und teilerfremd, erzeugen aber nicht das Einheitsideal.