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Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2024-2025)/Vorlesung 26

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Konstruktion von Quadratwurzeln

Wenn man sich zwei Punkte und vorgibt und man die dadurch definierte Gerade mit identifiziert, so wird diese Gerade durch in zwei Hälften (Halbgeraden) unterteilt, wobei man dann diejenige Hälfte, die enthält, als positive Hälfte bezeichnet. Aus solchen positiven reellen Zahlen kann man mit Zirkel und Lineal die Quadratwurzel ziehen.


Es sei eine mit zwei Punkten und markierte Gerade, die wir mit den reellen Zahlen identifizieren. Es sei eine positive reelle Zahl. Dann ist die Quadratwurzel aus mittels Zirkel und Lineal konstruierbar.

Wir zeichnen den Kreis mit Mittelpunkt durch und markieren den zweiten Schnittpunkt dieses Kreises mit als . Wir halbieren die Strecke zwischen und gemäß Lemma 25.6 und erhalten den konstruierbaren Punkt . Der Abstand von zu als auch zu ist dann . Wir zeichnen den Kreis mit Mittelpunkt und Radius und markieren einen der Schnittpunkte des Kreises mit der zu senkrechten Geraden durch als . Wir wenden den Satz des Pythagoras auf das Dreieck mit den Ecken an. Daraus ergibt sich

Also repräsentiert (der Abstand von zu) die Quadratwurzel aus .


Die Spirale des Theodorus. In dieser Weise kann man alle Quadratwurzeln von natürlichen Zahlen konstruieren.


Die nächste Aussage bedeutet, dass man zu einem gegebenen Rechteck ein flächengleiches Quadrat konstruieren kann.


Es sei ein Rechteck in der Ebene gegeben.

Dann lässt sich mit Zirkel und Lineal ein flächengleiches Quadrat konstruieren.

Die Längen der Rechteckseiten seien und . Wir wählen einen Eckpunkt des Rechtecks als Nullpunkt und verwenden die Geraden durch die anliegenden Rechteckseiten als Koordinatenachsen. Wir wählen willkürlich einen Punkt () auf einer der Achsen und schlagen einen Kreis um den Nullpunkt durch den Eckpunkt auf der anderen Achse, sodass beide Seitenlängen auf der mit und markierten Achse liegen. Darauf führen wir die Multiplikation nach Lemma 25.8 durch. Aus diesem Produkt zieht man nun gemäß Lemma 26.1 die Quadratwurzel und erhält somit . Mit dieser Streckenlänge konstruiert man ein Quadrat, dessen Flächeninhalt gleich dem Flächeninhalt des vorgegebenen Rechtecks ist.


Man beachte, dass im Beweis der vorstehenden Aussage die Zahl von der Wahl der abhängt, nicht aber und damit natürlich auch nicht die Seitenlänge des konstruierten Quadrats.



Konstruierbare und algebraische Zahlen

Wir wollen nun die konstruierbaren Zahlen algebraisch mittels quadratischer Körpererweiterungen charakterisieren. Unter einer reell-quadratischen Körpererweiterung eines Körpers verstehen wir eine quadratische Körpererweiterung mit , die sich also innerhalb der reellen Zahlen abspielt. Eine solche Körpererweiterung ist immer durch die Adjunktion einer Quadratwurzel einer positiven reellen Zahl  mit , gegeben. Es gilt die Isomorphie



Es sei ein Körper. Es sei ein Punkt, der sich aus in einem Schritt konstruieren lässt.

Dann liegen die Koordinaten von in einer reell-quadratischen Körpererweiterung von .

Wir gehen die drei Möglichkeiten durch, einen Punkt aus in einem Schritt zu konstruieren. Es sei der Schnittpunkt von zwei verschiedenen Geraden und , die über definiert sind. Es sei also und mit . Dann gehört der Schnittpunkt zu und seine Koordinaten gehören zu .
Es sei eine über definierte Gerade und ein über definierter Kreis. Dann ist und mit . Wir können annehmen, dass ist, sodass die Geradengleichung auf die Form gebracht werden kann. Einsetzen von dieser Gleichung in die Kreisgleichung ergibt eine quadratische Gleichung für über . Die reellen Koordinaten der (eventuell komplexen) Lösungen davon liegen in einer quadratischen Erweiterung von . Das gilt dann auch für die zugehörigen Lösungen für .
Es seien nun und zwei über definierte verschiedene Kreise. Es seien und die Kreisgleichungen. Ein Schnittpunkt der beiden Kreise muss auch jede Linearkombination der beiden Gleichungen erfüllen. Wir betrachten die Differenz der beiden Gleichungen, die die Gestalt

besitzt. D.h. dies ist eine Geradengleichung, und die Schnittpunkte der beiden Kreise stimmen mit den Schnittpunkten eines Kreises mit dieser Geraden überein. Wir sind also wieder im zweiten Fall.




Wir betrachten die beiden Kreise mit den Kreisgleichungen

Die Differenz der beiden Gleichungen ist

bzw.

Die Schnittpunkte der beiden Kreise müssen also auch auf der durch gegebenen Geraden liegen. Setzt man diese Geradenbedingung in die erste Kreisgleichung ein, so erhält man

also




Es sei eine komplexe Zahl. Dann ist eine konstruierbare Zahl genau dann,

wenn es eine Kette von reell-quadratischen Körpererweiterungen

derart ist, dass die Koordinaten von zu gehören.

Es sei eine konstruierbare komplexe Zahl. D.h. es gibt eine Folge von Punkten derart, dass aus den Vorgängerpunkten in einem Schritt konstruierbar ist. Es sei und es sei

der von den Koordinaten der Punkte erzeugte Unterkörper von . Nach Lemma 26.3 liegt in einer reell-quadratischen Körpererweiterung von (und zwar ist oder ist eine reell-quadratische Körpererweiterung von ). Die Koordinaten von liegen also in , und ist das Endglied in einer Folge von quadratischen Körpererweiterungen von .
Es sei umgekehrt angenommen, dass die Koordinaten eines Punktes in einer Kette von reell-quadratischen Körpererweiterungen von liegen. Wir zeigen durch Induktion über die Länge der Körperkette, dass die Zahlen in einer solchen Kette aus quadratischen Körpererweiterungen konstruierbar sind. Bei ist , und diese Zahlen sind konstruierbar. Es sei also schon gezeigt, dass alle Zahlen aus konstruierbar sind, und sei eine reell-quadratische Körpererweiterung. Nach Lemma 24.2 ist mit einer positiven reellen Zahl . Nach Induktionsvoraussetzung ist konstruierbar und nach Lemma 26.1 ist konstruierbar. Daher ist auch jede Zahl  mit , konstruierbar. Damit sind die Koordinaten von konstruierbar und somit ist nach Lemma 25.7 auch selbst konstruierbar.

Man kann ebenfalls zeigen, dass eine komplex-algebraische Zahl genau dann konstruierbar ist, wenn der Grad des Zerfällungskörpers des Minimalpolynoms von eine Potenz von ist. Dies erfordert jedoch die Galoistheorie. Für viele Anwendungen ist allerdings schon die oben vorgestellte Charakterisierung bzw. die folgenden Korollare ausreichend.



Eine mit Zirkel und Lineal konstruierbare Zahl

ist algebraisch.

Dies folgt direkt aus Satz 26.5, aus Satz 24.4 und aus Satz 23.3.



Es sei eine konstruierbare Zahl.

Dann ist der Grad des Minimalpolynoms von eine Potenz von zwei.

Die Koordinaten der konstruierbaren Zahl liegen nach Satz 26.5 in einer Folge von reell-quadratischen Körpererweiterungen

Diese Kette kann man um die komplex-quadratische Körpererweiterung ergänzen mit . Nach der Gradformel ist der Grad von über gleich . Dabei ist ein Unterkörper und daher ist, wieder nach der Gradformel, der Grad von über ein Teiler von , also selbst eine Potenz von .



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