Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 9
- Einige algebraische Grundbegriffe
Wir erwähnen einige algebraische Grundbegriffe, die für das Verständnis der Eigenschaften der Ringe der formalen Potenzreihen bzw. der konvergenten Potenzreihen relevant sind.
Ein kommutativer, nullteilerfreier, von verschiedener Ring heißt Integritätsbereich.
Ein Element in einem kommutativen Ring heißt Einheit, wenn es ein Element mit gibt.
Eine Nichteinheit in einem kommutativen Ring heißt prim (oder ein Primelement), wenn folgendes gilt: Teilt ein Produkt mit , so teilt einen der Faktoren.
Zwei Elemente und eines kommutativen Ringes heißen assoziiert, wenn es eine Einheit derart gibt, dass ist.
Eine Teilmenge eines kommutativen Ringes heißt Ideal, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- .
- Für alle ist auch .
- Für alle und ist auch .
Ein Integritätsbereich, in dem jedes Ideal ein Hauptideal ist, heißt Hauptidealbereich.
Sowohl die ganzen Zahlen als auch der Polynomring über einem Körper bilden einen Hauptidealbereich, was in beiden Fällen auf der Division mit Rest beruht, siehe Satz 20.10 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)).
Ein Ideal in einem kommutativen Ring heißt maximales Ideal, wenn ist und wenn es zwischen und keine weiteren Ideale gibt.
Ein kommutativer Ring heißt lokal, wenn genau ein maximales Ideal besitzt.
Ein diskreter Bewertungsring ist ein Hauptidealbereich mit der Eigenschaft, dass es bis auf Assoziiertheit genau ein Primelement in gibt.
Es sei eine Primzahl und sei
die sogenannte Lokalisierung am maximalen Ideal . Dann ist ein diskreter Bewertungsring. ist ein Hauptidealbereich, da ja ein Hauptidealbereich ist. Die Ideale von sind das Nullideal und die Ideale mit . Die beiden einzigen Primideale von sind , und Da es nur ein maximales Ideal gibt, kann es bis auf Assoziiertheit auch nur ein Primelement geben, nämlich .
- Formale Potenzreihen
Es sei ein Körper und eine Variable. Eine formale Potenzreihe in über ist ein Ausdruck der Form
mit für alle .
Man addiert zwei Potenzreihen komponentenweise und multipliziert sie in der gleichen Weise wie Polynome. D.h. man setzt
mit . Die Multiplikation ist also durch das Cauchy-Produkt gegeben.
Es sei ein Körper. Dann bezeichnet man mit
den Potenzreihenring in einer Variablen (oder den Ring der formalen Potenzreihen in einer Variablen) über .
Der Ring der formalen Potenzreihen in einer Variablen über einem Körper
ist ein kommutativer Ring.
Beweis
Es sei ein Körper und sei der Ring der formalen Potenzreihen in einer Variablen.
Dann ist eine formale Potenzreihe genau dann eine Einheit, wenn der konstante Term ist.
Die angegebene Bedingung ist notwendig, da die Abbildung
die eine Potenzreihe auf ihren konstanten Term schickt, ein Ringhomomorphismus ist, siehe Aufgabe 9.13. Für die Umkehrung müssen wir eine Potenzreihe mit
angeben. Für ergibt sich daraus die Bedingung , die wegen eine eindeutige Lösung besitzt, nämlich . Nehmen wir induktiv an, dass die Koeffizienten für schon konstruiert seien, und zwar derart, dass sämtliche Koeffizienten , , der Produktreihe gleich sind. Für den -ten Koeffizienten ergibt sich die Bedingung
Dabei sind bis auf alle Werte schon festgelegt, und wegen ergibt sich eine eindeutige Lösung für .
Wir betrachten im Potenzreihenring über einem beliebigen Körper . Nach Satz 9.15 besitzt ein inverses Element, das man über den Ansatz
bestimmen kann. Induktiv ergibt sich, dass für alle ist, das Inverse ist also die (formale) geometrische Reihe.
Es sei ein Körper und der Potenzreihenring in einer Variablen.
Dann ist ein diskreter Bewertungsring.
Zunächst ist ein lokaler Ring mit maximalem Ideal . Wenn nämlich eine Potenzreihe keine Einheit ist, so muss nach Satz 9.15 der konstante Term von gleich sein. Dann kann man aber mit der umindizierten Potenzreihe schreiben. Die Nullteilerfreiheit folgt durch Betrachten der Anfangsterme: Sind und von verschiedene Potenzreihen, so ist
und
mit . Für die Produktreihe ist dann der Koeffizient
da die kleineren Koeffizienten alle sind. Es bleibt also noch noethersch zu zeigen. Es ergibt sich aber direkt, dass ein Hauptidealbereich vorliegt, und zwar wird jedes Ideal von erzeugt, wobei das Minimum über alle Indizes von Koeffizienten von Potenzreihen in dem Ideal ist.
- Einsetzen von formalen Potenzreihen
Man kann Potenzreihen nicht nur addieren und multiplizieren, sondern auch, unter gewissen Zusatzbedingungen, Potenzreihen in andere Potenzreihen einsetzen. Diese Operation entspricht der Hintereinanderschaltung von Abbildungen.
Es sei ein Körper und eine Potenzreihe. Es sei eine weitere Potenzreihe mit konstantem Term . Dann nennt man die Potenzreihe
die eingesetzte Potenzreihe. Ihre Koeffizienten sind durch
festgelegt. Hierbei wird über alle geordneten -Tupel summiert.
Man beachte in der vorstehenden Definition, dass wegen nur über summiert wird, sodass alle beteiligten Summen endlich sind. Die Formeln für das Einsetzen sind derart, dass sie bei Polynomen das übliche Einsetzen von Polynomen in Polynome ergeben. Einsetzen von Potenzreihen in Potenzreihen liefert wieder einen Einsetzungshomomorphismus der Potenzreihenringe.
Es sei ein Körper mit dem Potenzreihenring . Es sei eine Potenzreihe mit konstantem Term .
Dann definiert durch Einsetzen einen - Algebrahomomorphismus
Die Abbildung ist wohldefiniert. Um zu zeigen, dass ein Ringhomomorphismus vorliegt, muss man lediglich gewisse Koeffizienten vergleichen. Diese hängen immer nur von endlich vielen Koeffizienten der beteiligten Potenzreihen an, sodass sich diese Aussage aus dem polynomialen Fall ergibt.
Die folgende Aussage ist der Umkehrsatz in einer Variablen für formale Potenzreihe und ist analog zu
Korollar 5.3.
Es sei ein Körper mit dem Potenzreihenring . Es sei eine Potenzreihe mit und .
Dann gibt es eine eindeutig bestimmte Potenzreihe mit
Wir machen den Ansatz für die Potenzreihe und betrachten die Bedingung . Dabei muss und sein. Es sei nun die Potenreihe mit der gewünschten Eigenschaft bis zum -Koeffizienten bereits konstruiert und ihre Eindeutigkeit nachgewiesen. Für den Koeffizienten hat man nach der Definition 9.18 die Bedingung
Daraus ergibt sich eine eindeutig lösbare Bedingung an .
Es sei ein Körper, der Potenzreihenring über und mit und .
Dann definiert der durch definierte Einsetzungshomomorpismus einen - Algebraautomorphismus auf .
Nach Satz 9.20 gibt es eine Potenzreihe mit . Wir betrachten nun die Hintereinanderschaltung
Dabei ist die Gesamtabbildung der Einsetzungshomomorphismus , und das ist die Identität. Insbesondere ist die hintere Abbildung surjektiv. Da nach Korollar 9.17 ein diskreter Bewertungsring ist, sind die Ideale darin bekannt, und nur das Nullideal kommt als Kern der Abbildung in Frage. Die Abbildung ist also auch injektiv und damit bijektiv.
Aus dem vorstehenden Beweis ergibt sich, dass auch
ist. In der Hintereinanderschaltung
wird links auf und dieses wiederum auf abgebildet, da die Gesamtabbildung die Identität ist. Doch die hintere Abbildung bildet auf ab, also muss wegen der Injektivität gelten.
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