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Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 10

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Der Ring der konvergenten Potenzreihen

In der letzten Vorlesung haben wir auf der formalen Ebene die inverse Potenzreihe, das Einsetzen von Potenzreihen in Potenzreihen und die Umkehrreihe betrachtet. In dieser Vorlesung betrachten wir die entsprechenden Konvergenzaussagen.


Man nennt den Ring aller in einer offenen Umgebung von konvergenten Potenzreihen den Ring der konvergenten Potenzreihen.

Dieser Ring wird mit bezeichnet. Es beruht auf Lemma 8.5, dass dabei ein kommutativer Ring vorliegt, wobei die über die Potenzreihen definierte Addition und Multiplikation mit der Addition und Multiplikation von Funktionen übereinstimmen. Es liegt insbesondere die Unterringbeziehung vor. Dagegen ist es nicht unmittelbar klar, dass die formal gegebenen Operationen wie inverse Potenzreihe, Einsetzen von Potenzreihen, Umkehrreihe wieder zu konvergenten Reihen führen.



Es sei eine konvergente Potenzreihe mit .

Dann ist auch die formal invertierte Potenzreihe konvergent.

Gemäß dem Beweis zu Satz 9.15 ist die inverse formale Potenzreihe gleich

wobei die Koeffizienten die rekursiven Bedingungen und

bzw.

erfüllen. Wir können annehmen, wodurch sich die letzte Gleichung vereinfacht. Wegen der Konvergenz von gibt es nach Aufgabe 8.6 eine positive reelle Zahl mit . Wir behaupten

für , was wir durch Induktion beweisen. Bei ist direkt . Für ist

Daraus ergibt sich die Konvergenz der invertierten Reihe.


Insbesondere ergibt sich entsprechend zu Satz 9.15, dass eine konvergente Potenzreihe genau dann eine Einheit im Ring der konvergenten Potenzreihen ist, wenn der konstante Term nicht ist. Wenn eine nullstellenfreien Funktion durch eine Potenzreihe gegeben ist, so ist auch die Funktion durch eine Potenzreihe beschreibbar, die formale Invertierung ergibt die invertierte Funktion.



Es sei eine rationale Funktion über und sei keine Nullstelle des Nennerpolynoms.

Dann wird in einer offenen Umgebung von durch eine konvergente Potenzreihe beschrieben.

Dies folgt aus Lemma 10.2 und Lemma 8.5  (2).

Die Potenzreihe einer rationalen Funktion bestimmt man am besten über die Taylorentwicklung.



Der Ring der konvergenten Potenzreihen

ist ein diskreter Bewertungsring.

Als Unterring des formalen Potenzreihenringes handelt es sich nach Korollar 9.17 um einen Integritätsbereich. Für sei der minimale Index mit . Dann ist

mit der formalen Potenzreihe

Die Konvergenz von sichert, dass auch konvergiert. Dabei ist nach Lemma 10.2 eine Einheit im Ring der konvergenten Potenzreihen und somit ist das von erzeugte Ideal gleich . Das von einer Elementfamilie , , erzeugte Ideal ist gleich dem von der Familie , , erzeugten Ideal, wobei

mit einer Einheit ist. Dieses Ideal ist gleich dem Hauptideal , wobei das Minimum der ist. Es liegt also ein Hauptidealbereich mit dem einzigen maximalen Ideal und damit ein diskreten Bewertungsring vor.



Einsetzen von Potenzreihen

Für eine komplexe Potenzreihe und eine reelle Zahl nennt man

die -Norm von . Ihr Wert liegt in oder ist gleich .



Die - Norm von komplexen Potenzreihen erfüllt folgende Eigenschaften (dabei seien Potenzreihen mit Entwicklungspunkt und ).

  1. Für den Konvergenzradius von gilt

    Insbesondere liegt genau dann eine konvergente Potenzreihe vor, wenn es ein mit gibt.

  2. Es ist genau dann, wenn ist.
  3. Es ist
  4. Für ist
  5. Es ist

Beweis

Siehe Aufgabe 10.27.



Es seien und konvergente Potenzreihen mit Entwicklungspunkt , es seien die zugehörigen Funktionen und es gelte .

Dann konvergiert die formal eingesetzte Potenzreihe (siehe Definition 9.18) und beschreibt auf einer offenen Umgebung von die Hintereinanderschaltung .

Es seien und die konvergenten Potenzreihen mit . Die eingesetzte Potenzreihe ist

mit den Koeffizienten

Die Potenzen

sind konvergent nach Lemma 8.5, sie beschreiben die -te Potenz von und die Koeffizientenbeschreibung ist

mit

Wegen tragen nur die Tupel bei, in denen jeder Index ist. Daher ist

für . Es gilt

Es sei nun der Konvergenzradius von und der Konvergenzradius von . Es sei derart, dass

ist. Solche gibt es wegen der Stetigkeit von , siehe Aufgabe 10.16. Für ist

und daher landen diese unter im Konvergenzbereich von . Für ist also

Dabei gilt unter Verwendung von Lemma 10.6  (5)

was nach der Bedingung an endlich ist. Es liegt also eine bestimmte Aufspaltung der Familie , , vor, die konvergiert. Daher ist diese Familie und auch die Familie , , summierbar. Nach dem großen Umordnungssatz gilt daher

Die Hintereinanderschaltung der Funktionen konvergiert also und stimmt mit der formalen Einsetzung überein



Es sei eine konvergente Potenzreihe mit und .

Dann gibt es eine konvergente Potenzreihe , die die Umkehrabbildung zu beschreibt.

Zur Notationsvereinfachung sei , wir schreiben

mit einer ebenfalls konvergenten Potenzreihe . Es sei derart, dass

ist.

Es sei nun die formale Potenzreihe aus Satz 9.20 mit und . Wir müssen zeigen, dass ebenfalls konvergiert. Dazu setzen wir in Bezug zu den rekursiv definierten formalen Potenzreihen , die durch und

gegeben sind. Wir setzen

und behaupten zunächst, dass die -Norm der durch beschränkt und insbesondere endlich ist. Dies ergibt sich durch Induktion. Für ist es trivialerweise richtig und es ist, unter Verwendung von Lemma 10.6 und dem Beweis zu Satz 10.7,

Ebenfalls mit Induktion folgt, dass die Koeffizienten bis einschließlich von mit den Koeffizienten von übereinstimmen. Dies ergibt sich einerseits aus der Rekursionsbedingung

die zeigt, dass die Koeffizienten von bis nur von den Koeffizienten von bis und von denen von abhängen, und andererseits daraus, dass für diese Rekursionsgleichung ein Fixpunkt ist, also

gilt, siehe Aufgabe 9.25. Mit Aufgabe 10.19 folgt dann auch , also die Konvergenz von .

Da die formale Umkehrreihe und erfüllt, folgt mit Satz 10.7, dass die zugehörigen Funktionen die Umkehrabbildungen zueinander sind.




Komplex-analytische Funktionen

Eine Funktion auf einer offenen Teilmenge heißt analytisch, wenn sie in jedem Punkt lokal durch eine konvergente Potenzreihe mit Entwicklungspunkt beschrieben werden kann.



Eine komplex-analytische Funktion auf einer offenen Menge

ist unendlich oft komplex differenzierbar.

Dies folgt aus Korollar 8.13.



Es seien komplex-analytische Funktionen auf einer offenen Menge .

Dann sind auch und komplex-analytisch.

Dies folgt aus Lemma 8.5.



Es sei eine nullstellenfreie komplex-analytische Funktion auf einer offenen Menge .

Dann ist auch komplex-analytisch.

Dies folgt aus Lemma 10.2.



Es seien offene Mengen und seien und

komplex-analytische Funktionen mit .

Dann ist auch komplex-analytisch.

Dies folgt aus Satz 10.7.



Es sei eine offene Menge, ein Punkt und sei eine komplex-analytische Funktion mit .

Dann besitzt die Einschränkung von auf einer offenen Umgebung von eine komplex-analytische Umkehrfunktion.

Dies folgt aus Satz 10.8.



Es sei ein Gebiet und seien komplex-analytische Funktionen. Es gebe eine Folge in mit einem Häufungspunkt , der von allen verschieden sei. Es gelte für alle .

Dann ist .

Beweis

Siehe Aufgabe 10.25.


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Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)