Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil II/Vorlesung 48/kontrolle
- Kommensurabilität
Zwei Strecken und heißen kommensurabel, wenn es eine Strecke mit der Eigenschaft gibt, dass beide Strecken ganzzahlige Vielfache von sind.
Reelle Zahlen heißen kommensurabel, wenn eine rationale Zahl ist.
Somit handelt es sich um die Äquivalenzrelation zur Untergruppe
im Sinne von Definition 46.1.
Die Frage, inwiefern es über die rationalen Zahlen hinaus weitere sinnvolle Zahlen gibt, geht in die griechische Antike zurück. Die Frage wurde in der Form gestellt, ob je zwei in natürlicher Weise gegebene Strecken zueinander kommensurabel sind, ob es also eine dritte Strecke gibt, von der beide Strecken ganzzahlige Vielfache sind. Die Pythagoreer waren von der Harmonie des Universums überzeugt und das schloss ihrer Auffassung nach mit ein, dass alle Streckenverhältnisse durch ganze Zahlen ausgedrückt werden können. Solche ganzzahligen Beziehungen fanden sie in der Musik (Schwingungsverhältnisse) und vermuteten sie für die Planeten und ihre Bewegungen und für die gesamte Geometrie. Es wird darüber spekuliert, ob in den pythagoreischen Kreisen die in Beispiel 42.2 (Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)) besprochene Überlegung, die die Irrationalität der begründet (die Inkommensurabilität von Seitenlänge und Diagonale in einem Quadrat), bekannt war und sogar geheimgehalten wurde. Jedenfalls setzte sich später in der Antike die Erkenntnis durch, dass es irrationale Zahlen geben muss.
Die Untergruppenbeziehung
(die man auch als eine Untervektorraumbeziehung von -Vektorräumen auffassen kann) führt ebenfalls zu einer Äquivalenzrelation auf den reellen Zahlen. Dabei sind zwei reelle Zahlen äquivalent, wenn ihre Differenz eine rationale Zahl ist.
- Restklassenräume
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und ein Untervektorraum.
Dann ist die durch
definierte Relation eine Äquivalenzrelation auf .
Beweis
Wir geben noch einen direkten Beweis, dass es sich um eine Äquivalenzrelation handelt.
Wir gehen die Bedingungen einer Äquivalenzrelation durch. Die Reflexivität folgt aus , die Symmetrie folgt aus , die Transitivität ergibt sich so: Aus und folgt .
Die Nebenklassen zu dem Untervektorraum besitzen eine einfache geometrische Interpretation, eine Nebenklasse ist nichts anderes als ein zu paralleler affiner Unterraum von , also ein Raum der Form mit . Die Quotientengruppe besteht aus der Menge dieser affinen Unterräume.
Wir können auf diese Äquivalenzrelation die allgemeinen Ergebnisse für Normalteiler in einer Gruppe und Äquivalenzrelationen anwenden und erhalten eine surjektive Quotientenabbildung (oder Identifizierungsabbildung oder kanonische Projektion)
Statt werden wir schreiben. Das Besondere an dieser Situation ist, dass diese Quotientenmenge selbst ein Vektorraum ist, und dass die kanonische Abbildung linear ist.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und ein Untervektorraum. Es sei die Menge der Äquivalenzklassen (die Quotientenmenge) zu der durch definierten Äquivalenzrelation auf und es sei
Dann gibt es eine eindeutig bestimmte -Vektorraumstruktur auf derart, dass eine - lineare Abbildung ist.
Da die kanonische Projektion zu einer linearen Abbildung werden soll, muss die Addition durch
und die Skalarmultiplikation durch
gegeben sein. Insbesondere kann es also nur eine Vektorraumstruktur mit der gewünschten Eigenschaft geben, und wir müssen zeigen, dass durch diese Vorschriften wohldefinierte Operationen auf definiert sind, die unabhängig von der Wahl der Repräsentanten sind. D.h. wir haben für und zu zeigen, dass ist. Nach Voraussetzung können wir und mit schreiben. Damit ist
und dies ist wegen äquivalent zu . Zur Skalarmultiplikation sei wieder mit . Dann ist
und das ist äquivalent zu . Aus der Wohldefiniertheit der Verknüpfung auf und der Surjektivität der Abbildung folgt, dass eine Vektorraumstruktur vorliegt und dass die Abbildung linear ist.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und ein Untervektorraum. Dann nennt man die Menge der Äquivalenzklassen mit der in Satz 48.5 bewiesenen Vektorraumstruktur den Restklassenraum (oder Quotientenraum) von modulo .
Es sei ein Körper und es seien und Vektorräume über . Es sei eine lineare Abbildung und eine surjektive lineare Abbildung. Es sei vorausgesetzt, dass
ist.
Dann gibt es eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung
derart, dass ist.
Mit anderen Worten: das Diagramm
ist kommutativ.
Für jedes Element gibt es mindestens ein mit . Wegen der Kommutativität muss gelten. Das bedeutet, dass es maximal ein geben kann. Wir haben zu zeigen, dass durch diese Bedingung eine wohldefinierte Abbildung gegeben ist. Es seien also zwei Urbilder von . Dann ist
und daher ist
.
Die Abbildung ist also wohldefiniert.
Es seien
und seien
Urbilder davon. Dann ist ein Urbild von und daher ist
D.h. ist mit der Addition verträglich.
Es sei
mit einem Urbild
und sei
.
Dann ist ein Urbild von und daher ist
also ist auch mit der Skalarmultiplikation verträglich.
Die im vorstehenden Satz konstruierte Abbildung heißt induzierte lineare Abbildung und entsprechend heißt der Satz auch der Satz über die induzierte Abbildung.
Es sei ein Körper und es sei
eine surjektive lineare Abbildung zwischen zwei - Vektorräumen.
Dann gibt es eine kanonische lineare Isomorphie
Wir wenden Satz 48.7 auf und die kanonische Projektion an. Dies induziert eine lineare Abbildung
mit , die surjektiv ist. Sei und . Dann ist
also . Damit ist in , d.h. der Kern von ist trivial und nach Lemma 11.4 ist auch injektiv.
Es sei ein Körper und es sei
eine lineare Abbildung zwischen zwei - Vektorräumen.
Dann gibt es eine kanonische Faktorisierung
wobei die kanonische Projektion, ein Vektorraum-Isomorphismus und die kanonische Inklusion des Bildraumes in ist.
Dies folgt aus Korollar 48.8, angewendet aud die surjektive Abbildung
Diese Aussage wird häufig kurz und prägnant so formuliert:
- Bild Urbild modulo Kern.
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einer direkten Summenzerlegung
in Untervektorräume und .
Dann ist