Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)/Teil II/Vorlesung 37/kontrolle
Neben den drei Eckpunkten eines Dreieckes gibt es noch weitere charakteristische Punkte eines Dreieckes wie den Schwerpunkt, den Umkreismittelpunkt, den Inkreismittelpunkt und den Höhenschnittpunkt.
- Seitenhalbierende und Schwerpunkt
Zu einer Menge von Punkten in einem affinen Raum über einem reellen Vektorraum nennt man die baryzentrische Kombination
den Schwerpunkt der Punkte.
Es handelt sich also um diejenige baryzentrische Kombination der Punkte, bei der jeder Punkt mit der gleichen Gewichtung eingeht. Zu Punkten heißt der Schwerpunkt auch der Mittelpunkt der beiden Punkte (oder der Strecke ). Bei zwei reellen Zahlen spricht man auch vom arithmetischen Mittel der beiden Zahlen. Bei ist der Schwerpunkt der Punkte auch der Schwerpunkt ihrer konvexen Hülle. Der Schwerpunkt von drei Punkten tritt als Durchschnitt der Seitenhalbierenden des Dreiecks auf.
Zu einem nichtausgearteten Dreieck in einer euklidischen Ebene heißt die Gerade
die Seitenhalbierende durch
Die Seitenhalbierende durch verläuft also durch den Punkt und den Mittelpunkt der gegenüberliegenden Dreiecksseite.
In einem nichtausgearteten Dreieck in der euklidischen Ebene
treffen sich die drei Seitenhalbierenden im Schwerpunkt des Dreiecks.
Wir betrachten die Bedingung
die auf
führt. Wir können und setzen, woraus sich, da und linear unabhängig sind,
ergibt. Daher ist
woraus
folgt. Somit ist der Schnittpunkt gleich
Wegen der Symmetrie ist dies auch der Schnittpunkt mit der dritten Seitenhalbierenden.
Insbesondere schneidet der Schwerpunkt jede Seitenhalbierende im Verhältnis , wobei der längere Teil am Punkt anliegt.
- Mittelsenkrechte und Umkreismittelpunkt
Zu zwei Punkten in der euklidischen Ebene nennt man die Gerade, die senkrecht auf der durch und gegebenen Gerade steht und durch den Mittelpunkt der Strecke zwischen und verläuft, die Mittelsenkrechte der Strecke.
Die Mittelsenkrechte wird durch
beschrieben, wobei einen beliebigen, zu senkrechten Vektor bezeichnet. Wenn und in kartesischen Koordinaten gegeben sind, so ist die Mittelsenkrechte gleich
Es seien verschiedene Punkte in einer euklidischen Ebene.
Dann besteht die Mittelsenkrechte zu und genau aus allen Punkten, die zu und den gleichen Abstand haben.
Beweis
Die Mittelsenkrechten der drei Seiten in einem nichtausgearteten Dreieck der euklidischen Ebene
schneiden sich in einem Punkt.
Alle Eckpunkte des Dreiecks besitzen zu diesem Schnittpunkt den gleichen Abstand.
Die Mittelsenkrechte zur Strecke zwischen und besteht nach Lemma 37.5 genau aus allen Punkten der Ebene, die zu diesen beiden Punkten den gleichen Abstand besitzt. Der Schnittpunkt der Mittelsenkrechte zu und mit der Mittelsenkrechte zu und hat also zu allen drei Eckpunkten den gleichen Abstand. Dies ergibt den Zusatz und auch, dass sich alle drei Mittelsenkrechten in diesem Punkt treffen.
Der Schnittpunkt der drei Mittelsenkrechten in einem nichtausgearteten Dreieck in der euklidischen Ebene heißt Umkreismittelpunkt.
Der Umkreismittelpunkt ist der Mittelpunkt des Umkreises; das ist derjenige Kreis, der die drei Eckpunkte des Dreiecks (auf seiner Peripherie) enthält.
- Winkelhalbierende und Inkreismittelpunkt
Zu zwei linear unabhängigen Vektoren und in einem normierten reellen Vektorraum nennt man die von
erzeugte Gerade die Winkelhalbierende der beiden Strahlen.
Die Winkelhalbierende wird also ohne Bezug auf einen Winkel definiert, es wird ja noch nicht einmal ein Skalarprodukt vorausgesetzt. Wenn sich aber die beiden Vektoren in einem euklidischen Raum befinden, so zeigt eine einfache Überlegung (siehe Aufgabe 37.13), dass die Winkelhalbierende in der Tat den Winkel halbiert. Die Definition überträgt sich direkt auf einen affinen Raum über einem normierten Vektorraum, und zwar definieren drei nicht kollineare Punkte jeweils eine Winkelhalbierende durch jeden der beteiligten Punkte.
Es seien linear unabhängige Vektoren in .
Dann liegen auf der Winkelhalbierenden zu und nur Punkte, die zu und den gleichen Abstand haben. Wenn ein Punkt zu und den gleichen Abstand besitzt, so liegt er auf der Winkelhalbierenden zu und oder auf der Winkelhalbierenden zu und .
Wir können annehmen, dass und normiert sind. Es sei . Nach Korollar 35.7 ist
und entsprechend
Also sind die Abstände genau dann gleich, wenn
ist. Wenn
ist, so ist
und die Gleichung gilt. Für die Umkehrung können wir
ansetzen. Bei
folgt
und somit
Da und normiert und linear unabhängig sind, ist nach Aufgabe 31.9
der rechte Faktor ist nicht und somit ist . Bei
folgt mit einer ähnlichen Überlegung .
Die drei Winkelhalbierenden in einem nichtausgearteten Dreieck
treffen sich in einem gemeinsamen Schnittpunkt, der zu jeder Seite des Dreiecks den gleichen Abstand.
Wenn die Eckpunkte durch und die Seitenlängen mit bezeichnet werden, so besitzt dieser Schnittpunkt die Koordinaten
Nach Lemma 37.9 besteht die Winkelhalbierende zu aus Punkten, die zu den anliegenden Seiten(geraden) und den gleichen Abstand haben. Ebenso besteht die Winkelhalbierende zu aus Punkten, die zu den anliegenden Seiten(geraden) und den gleichen Abstand haben. Daher besitzt der Schnittpunkt dieser beiden Winkelhalbierenden, den es geben muss, zu allen drei Seiten den gleichen Abstand. Darüber hinaus stimmt das Skalarprodukt von diesem Schnittpunkt mit den drei normierten Seitenvektoren überein, wie der Beweis zu Lemma 37.9 zeigt. Wiederum wegen Lemma 37.9 muss er dann auch auf der dritten Winkelhalbierenden liegen.
Zur Koordinatenbestimmung schreiben wir die Winkelhalbierende durch als
bzw.
Die Gleichsetzung mit der Winkelhalbierenden durch führt auf
Die Lösung ist durch
und
gegeben, da dies eingesetzt jeweils zu
führt. Dies ist also der Schnittpunkt, und zwar von allen drei Winkelhalbierenden.
Der Schnittpunkt der drei Winkelhalbierenden in einem nichtausgearteten Dreieck in der euklidischen Ebene heißt Inkreismittelpunkt.
Der Kreis um den Inkreismittelpunkt, der die drei Seiten des Dreiecks tangential trifft, heißt entsprechend Inkreis.
- Höhenschnittpunkt
Es sei der Umkreismittelpunkt und der Schwerpunkt eines nichtausgearteten Dreieck in der euklidischen Ebene.
Dann liegt der Punkt
auf jeder Höhe des Dreiecks.
Insbesondere schneiden sich die drei Höhen in einem Punkt.
Wir machen zum Ursprungspunkt, sodass die Punkte die gleiche Norm besitzen. Der in Frage stehende Punkt ist dann . Die durch diesen Punkt und gegebene Gerade hat den Richtungsvektor . Sie verläuft durch und es ist
Wegen der Normgleichheit ist dies , also handelt es sich um die Höhengerade durch .
Zu einem nichtausgearteten Dreieck in einer euklidischen Ebene heißt der Schnittpunkt der drei Höhen der Höhenschnittpunkt.
- Die eulersche Gerade
Der Schwerpunkt, der Umkreismittelpunkt und der Höhenschnittpunkt eines nichtausgearteten Dreiecks in der euklidischen Ebene
liegen auf einer Gerade.
Dies folgt direkt aus Lemma 37.12.
Wenn das Dreieck gleichseitig ist, so fallen die drei Punkte zusammen und es gibt viele Geraden durch diesen Punkt. Andernfalls sind diese Punkte nicht gleich
(siehe
Aufgabe 37.2)
und es gibt genau eine Gerade, die durch diese drei Punkte verläuft. Man nennt sie die eulersche Gerade.
- Der Feuerbachkreis
Durch die Eckpunkte sei ein nichtausgeartetes Dreieck in der euklidischen Ebene gegeben. Es sei der Umkreis zu den Seitenmittelpunkten des Dreiecks. Dann gelten folgende Aussagen.
- Der Radius von ist die Hälfte des Umkreisradius von .
- Die Verbindungsstrecken des Höhenschnittpunkts und der Eckpunkte werden durch halbiert.
- Die Höhenfußpunkte von liegen auf .
(1). Es sei der Umkreismittelpunkt des Ausgangsdreiecks, den wir als Ursprung eines kartesischen Koordinantensystems ansetzen. Wir betrachten dann den Punkt
Der Mittelpunkt der Dreiecksseite durch und besitzt zu den Abstand
Da die Normen von allen Eckpunkten nach Wahl von gleich sind, ist der Umkreismittelpunkt des Seitenmittelpunktsdreiecks und der Radius ist die Hälfte des Umkreisradius.
(2). Nach Lemma 37.12 ist der Höhenschnittpunkt. Daher ist der Mittelpunkt der Strecke von zum Höhenschnittpunkt gleich
Der Abstand davon zu ist
(3). Zunächst liegen die unter (1) bzw. (2) konstruierten Punkte auf dem Kreis gegenüber. Es ist ja
der Mittelpunkt von . Somit bilden ein Seitenmittelpunkt, der gegenüberliegende Halbierungspunkt zwischen Eckpunkt und Höhenschnittpunkt und der entsprechende Höhenfußpunkt ein rechtwinkliges Dreieck. Dessen Thaleskreis ist stets der Feuerbachkreis.
Den Kreis in der vorstehenden Aussage nennt man den Feuerbachkreis oder auch den Neun-Punkte-Kreis.