Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 28
- Endliche Bestimmtheit
Eine holomorphe Funktion , offen, besitzt im Nullpunkt eine Taylorentwicklung, die auf einer offenen Umgebung des Nullpunktes konvergiert und dort die Funktion darstellt. Durch Verkleinern können wir direkt annehmen, dass auf Konvergenz vorliegt. Insbesondere beschreibt die Taylorreihe die Funktion lokal vollständig und daher müssen auch Singularitätskonzepte wie Rechtsäquivalenz daraus ablesbar sein. Die Taylorreihe hat in Monomschreibweise die Form
Die abgebrochene Taylorentwicklung
heißt das Taylorpolynom von der Ordnung . Wir bezeichnen es mit . Wenn wir, wie häufig, voraussetzen, so ist
und wenn zusätzlich der Nullpunkt ein kritischer sein soll, so ist
Wenn für zwei holomorphe Funktionen und die Taylorpolynome der Ordnung übereinstimmen (was eine Äquivalenzrelation auf der Menge der Potenreihen ist), so erwartet man, dass auch sonst gewisse Eigenschaften der Funktionen bzw. der durch sie gegebenen singulären Hyperflächen übereinstimmen.
Eine holomorphe Funktion , offen, heißt -bestimmt, wenn jede holomorphe Funktion mit
bereits zu rechtsäquivalent ist.
Der folgende Satz heißt Satz von Mather.
Es sei , offen, eine holomorphe Funktion, wobei im lokalen Ring die Beziehung
gelte, wobei das Jacobiideal bezeichne und eine natürliche Zahl ist.
Dann ist - bestimmt.
Wir müssen zeigen, dass eine holomorphe Funktion , deren Taylorentwicklung der Ordnung mit der Taylorentwicklung der Ordnung von übereinstimmt, unter der gegebenen Voraussetzung bereits rechtsäquivalent zu ist. Wir können als mit
ansetzen. Wir wollen Lemma 27.8 verwenden. Wir betrachten also die holomorphe Hilfsfunktion
für und müssen in den lokalen Ringen zu (die wir unabhängig von mit bezeichnen) die Zugehörigkeit
nachweisen. Wir setzen
und
und betrachten diese Ideale in , das maximale Ideal von sei mit bezeichnet. Es ist
Die Voraussetzung
gilt entsprechend auch in , also ergibt sich
Mit
und
gilt
Mit dem Lemma von Nakayama folgt und insbesondere
Somit gilt .
Daraus erhalten wir die folgenden Spezialfälle.
Es sei , offen, eine holomorphe Funktion, wobei im lokalen Ring die Beziehung
gelte, wobei das Jacobiideal bezeichne und eine positive natürliche Zahl ist.
Dann ist - bestimmt.
Dies folgt unmittelbar aus Satz 28.2 durch beidseitige Multiplikation mit .
Es sei , offen, eine holomorphe Funktion, wobei im lokalen Ring die Beziehung
gelte, wobei das Jacobiideal bezeichne und eine natürliche Zahl ist.
Dann ist - bestimmt.
Dies folgt unmittelbar aus Satz 28.2 durch beidseitige Multiplikation mit .
Es sei , offen, eine holomorphe Funktion mit einer nichtausgearteten isolierten Singularität im Nullpunkt.
Dann ist rechtsäquivalent zur Quadrik .
Wegen nichtausgeartet ist nach Lemma 14.14 das Jacobiideal zu gleich dem maximalen Ideal . Nach Korollar 28.3 ist - bestimmt, also rechtsäquivalent zu seinem Taylorpolynom der Ordnung . Dieses kann man linear zur Standardquadrik transformieren.
Es sei , offen, eine holomorphe Funktion mit einem kritischen Punkt im Nullpunkt. Der Rang der Hesse-Matrix zu sei .
Dann ist rechtsäquivalent zu einer Funktion der Form
mit und wobei nur von den Variablen abhängt.
Dies wird ähnlich wie Satz 28.5 bewiesen, ist aber aufwändiger.
Es seien , offen, holomorphe Funktionen mit in den Variablen . Sei .
Dann sind und genau dann zueinander rechtsäquivalent, wenn und zueinander rechtsäquivalent (als Funktionskeime in Variablen) sind.
Wenn und zueinander rechtsäquivalent sind, so gibt es eine biholomorphe Abbildung auf offenen Umgebungen der in mit , und diese kann man durch die Identität zu einer biholomorphen Abbildung zwischen und fortsetzen, die zeigt, dass auch und rechtsäquivalent sind.
Es seien nun und zueinander rechtsäquivalent. Dann gibt es offene Umgebungen , , der und eine biholomorphe Abbildung
mit (wir können nicht davon ausgehen, dass auf den ersten Variablen die Identität vorliegt, deshalb müssen wir die Variablen unabhängig voneinander ansetzen). Es liegt also das kommutative Diagramm
vor. Unter entspricht der Unterraum einer abgeschlossenen Untermannigfaltigkeit . Für einen Punkt gilt wegen der speziellen Gestalt von bzw. und der Kettenregel für jedes
Mit Hilfe der -Matrix
können wir diese Gleichungen als
schreiben. Die Matrix ist nach Aufgabe 26.25 im Nullpunkt invertierbar. Damit ist sie auch in einer offenen Umgebung für invertierbar. Es gilt also
mit der von abhängigen inversen Matrix . Somit sind die als Linearkombinationen der darstellbar und gehören insbesondere zum Jacobiideals zu den .
Dabei gehört die linke Summe zum Quadrat des Jacobiideals zu den und der rechte Summand gehört zur dritten Potenz des maximalen Ideals in den . Daher können wir Lemma 27.9 anwenden und erhalten, dass und rechtsäquivlent ist.
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