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Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 27

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Entfaltungen

Zu einer holomorphen Funktion , offen, nennt man eine holomorphe Funktion , offen, mit eine Entfaltung von .

Statt Entfaltung spricht man auch von einer Deformation oder einer Störung von . Den Raum nennt man dabei auch den Entfaltungsraum oder Deformationsraum oder Parameterraum. Typischerweise bezeichnet man die Koordinaten von mit und die Koordinaten von (die Deformationsparameter) mit . Die Definition bedeutet, dass man, wenn man setzt, die ursprüngliche Funktion zurückerhält, und dass man für fixiertes eine variierte, deformierte, gestörte Version von erhält. Die Funktion , wo also der Deformationsparameter fixiert ist, wird auch mit bezeichnet. Man spricht bei einer Entfaltung auch von einer Familie von Funktionen , . Die Grundidee ist, dass diese Deformationen helfen, das eigentliche zu verstehen. Den Graphen der Ausgangsfunktion erhält man aus dem Graphen zu zurück, indem man mit schneidet.

Es seien und holomorphe Funktionen auf offen. Dann besitzt die Entfaltung

die Eigenschaft, dass und ist. Von daher gibt es Entfaltungen, die jede holomorphe Funktion in jede andere holomorphe Funktion deformieren. Insbesondere treten glatte Fasern und beliebige singuläre Fasern in einer Entfaltung auf. Von daher ist die Eigenschaft relevanter, wie die deformierten Funktionen bzw. Nullstellengebilde in einer beliebig kleinen Umgebung aussehen. Eine grundsätzliche Beobachtung dabei ist, dass in einer kleinen offenen Umgebung die Funktionen weniger singulär sind als in einer speziellen Faser. Zu einer regulären Funktion sind auch die deformierten Funktionen in einer Umgebung regulär.


Es sei eine holomorphe Funktion auf offen. Dann besitzt die Entfaltung

die Eigenschaft, dass die Nullstellenmenge zu bei fixiert einfach das Urbild von unter ist. Es ist ja unmittelbar

D.h. in dieser Entfaltung treten die benachbarten Fasern zu als deformierte Fasern auf. Mit Entfaltungen studiert man also insbesondere auch, wie sich die Nullstellenmenge zu bezogen auf die benachbarten Fasern verhält.



Es sei , offen, eine holomorphe Funktion mit einer isolierten Singularität im Nullpunkt . Es seien

holomorphe Funktionen, deren Restklassen im Restklassenraum

eine Basis bilden. Dann nennt man die holomorphe Abbildung

(wobei ein gemeinsamer Definitionsbereich der sei) die Standardentfaltung von .

Diese Standardentfaltung ist in einem präzisierbaren Sinn die universelle Entfaltung, d.h. jede Entfaltung lässt sich in einem gewissen Sinne durch die Standardentfaltung erfassen. Dies werden wir hier nicht durchführen. Wenn ein Polynom ist, das eine isolierte Singularität definiert, so ist

gemäß Satz 24.12, d.h. der Parameterraum zur Standardentfaltung lässt sich rein algebraisch beschreiben. Die kann man stets als ein Basiselement nehmen. Wenn man allerdings nur an Entfaltungen mit interessiert ist, so kann man dies weglassen und spart eine Parameterdimension.


Zu einer Variablenpotenz

ist die Ableitung und somit bilden die Funktionen eine Basis von . Die Standardentfaltung ist also


Bei einer Entfaltung

variieren die kritischen Punkte von

(und die singulären Punkte der Hyperflächen ) mit dem Parameter . Eigenschaften der kritischen Punkte (wie ihre Anzahl, ihre Multiplizität, ihre Milnorzahl) definieren Bedingungen an die Parameter. Bei sind die kritischen Punkte einfach die Nullstellen der Ableitung von , die einfach oder mehrfach sein können. Bei

liegt zum Parameterwert ein kritischer Punkt im Nullpunkt der Ordnung (Milnorzahl ) vor, bei gibt es zwei kritische Punkte, nämlich bei

die jeweils Ordnung haben (Milnorzahl ). Reell betrachtet (man skizziere den Gesamtgraphen von ) liegt in einem der Punkte ein lokales Minimum, im anderen ein lokales Maximum vor. Wenn sich der Parameter auf zubewegt, so fallen die beiden singulären Punkte zusammen. Solche Phänome, wie Singularitäten parameterabhängig zusammen- oder auseinanderfallen, werden unter dem Stichwort „Katastrophentheorie“ studiert.



Zur Funktion bilden eine Basis von . Die Standardentfaltung ist also

Zu einem fixierten Parameterpaar besitzt die dadurch parametrisierte Funktion die partiellen Ableitungen und . Bei besitzt den einzigen singulären Punkt (der aber nur bei auf der Faser liegt), der ausgeartet ist (mit Milnorzahl ), bei besitzt die beiden singulären Punkte und , die beide nicht ausgeartet sind. Die Anzahl der nichtausgearteten kritischen Punkte stimmt also mit der Milnorzahl der Ausgangshyperfläche überein.




Algebraisch bestimmte Diffeomorphismen

Wir besprechen nun wichtige Kriterien, mit denen man und , wobei bezogen auf eine große Nullstellenordnung besitzt, als rechtsäquivalent nachweisen kann. Dazu arbeitet man mit der Entfaltung , die ja in deformiert, und dazu passenden Vektorfeldern.


Es seien , offen, holomorphe Funktionen. Es sei

durch

definiert. In den lokalen Ringen zu den Punkten gelte

Dann ist rechtsäquivalent zu .

Es ist

und somit auch

Wir fixieren ein und arbeiten im Ring der holomorphen Funktionen im Punkt

(in Variablen). Nach Voraussetzung ist

in diesem Ring. Dies bedeutet, dass es holomorphe Funktionen (als Ideal in , diese Funktionen hängen auch von ab) mit

gibt, die in einer offenen Umgebung von definiert sind. Wir können

mit offen schreiben. Wir betrachten das holomorphe zeitabhängige (wenn man als Zeitparameter auffasst) Vektorfeld

auf . Nach Konstruktion gilt (das Vektorfeld als Derivation aufgefasst) . Da die zu gehören, ist im Raumpunkt die Raumkomponente des Vektorfeldes gleich . Für die nach Satz 26.11 zugehörige holomorphe lokal einparametrige Gruppe

gilt insbesondere für alle . Die zugehörigen biholomorphen Abbildungen respektieren also den Nullpunkt. Die Eigenschaft impliziert, dass die Funktion längs jeder Lösungskurve konstant ist. Daher ist unabhängig von .

Die offenen Intervalle zu den verschiedenen überdecken das Einheitsintervall, daher gibt es wegen dessen Kompaktheit endlich viele Intervalle davon, die es überdecken. Daher gibt es Punkte

wobei je zwei aufeinanderfolgende Punkte in einem der Intervalle liegen, und biholomorphe Abbildungen , die die Situation im Zeitpunkt in die Situation zum Zeitpunkt überführen. Wegen

und der Invarianz gilt auch

und dies folgt durch Induktion für alle weiteren Zeitpunkte .

Die Hintereinanderschaltung dieser biholomorphen Abbildungen transformiert die Funktion insgesamt in die Funktion .



Es seien , offen, holomorphe Funktionen. Im lokalen Ring gelte und .

Dann ist rechtsäquivalent zu .

Es seien die Koordinaten in und somit ist insbesondere . Wir setzen

und arbeiten mit Lemma 27.8. Es sei ein dafür relevanter lokaler Ring, dabei ist . Wegen ist

mit holomorphen Funktionen und wegen

(was auf beruht) folgt mit der Produktregel

Es ist

bzw.

Daher gilt mit die Beziehung

Mit dem Lemma von Nakayama folgt . Aus folgt somit .



Betrachten wir

Das Jacobiideal ist , das Quadrat davon ist . Nach Lemma 27.9 ist beispielsweise rechtsäquivalent zu . In der Entfaltung kommen also nur zu rechtsäquivalente Deformationen vor. Wenn man hingegen die Entfaltung betrachtet, so ist für die Deformation rechtsäquivalent zu , für geht es hingegen um , das, weil es reduzibel ist, nicht rechtsäquivalent zu ist.


Der Beweis zu Lemma 29.4 zeigt, dass die Voraussetzung für Lemma 27.9 nicht ausreichen würde.


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