- Totale Differenzierbarkeit und partielle Ableitungen
Im Folgenden wollen wir den Zusammenhang zwischen Richtungsableitungen, partiellen Ableitungen und dem totalen Differential verstehen.
Totale Differenzierbarkeit impliziert richtungsweise Differenzierbarkeit.
Da
eine
lineare Abbildung
von
nach
ist, liefert die Anwendung dieser Abbildung auf einen Vektor
einen Vektor in
.
Nach Voraussetzung haben wir
-

(mit den
üblichen Bedingungen
an
).
Insbesondere gilt für
(hinreichend kleines)
-

Also gilt

da
und der Ausdruck
beschränkt ist.

Vor dem Beweis der nächsten Aussage erinnern wir an den Mittelwertsatz für Kurven: Sei
differenzierbar. Dann existiert ein
mit
-
Es sei
offen und
eine Abbildung. Es seien
,
,
die Koordinaten von
und
ein Punkt. Es sei angenommen, dass alle
partiellen Ableitungen
von
in einer
offenen Umgebung
von
existieren und in
stetig
sind.
Dann ist
in
(total) differenzierbar.
Ist die Abbildung
bezüglich der
Standardbasis
des
durch die
Koordinatenfunktionen
gegeben, so wird unter diesen Bedingungen das totale Differential in
durch die
Jacobi-Matrix
-
beschrieben.
Indem wir
durch eine eventuell kleinere offene Umgebung von
ersetzen, können wir annehmen, dass auf
die Richtungsableitungen
-
existieren und in
stetig sind. Daher ist nach
Proposition 45.1
die lineare Abbildung
-
der einzige Kandidat für das
totale Differential.
Daher müssen wir zeigen, dass diese
lineare Abbildung
die
definierende Eigenschaft
des totalen Differentials besitzt. Setze
(abhängig von
).
Dann gelten mit dem Ansatz
-

(für
hinreichend klein)
die Abschätzungen

Wir betrachten jeden Summanden einzeln. Für fixiertes
ist die Abbildung
(die auf dem Einheitsintervall definiert ist)
-
differenzierbar
(aufgrund der Existenz der partiellen Ableitungen auf
)
mit der Ableitung
-
Nach der
Mittelwertabschätzung
existiert eine reelle Zahl
-

so dass
(dies ist die Norm von
)

gilt. Aufsummieren liefert also, dass unser Ausdruck
nach oben
beschränkt
ist durch

Da die partiellen Ableitungen
stetig in
sind, wird die Summe rechts mit
beliebig klein, da dann
gegen
konvergiert. Also ist der Grenzwert für
gleich
.

Dies folgt aus
Fakt *****
und daraus, dass die partiellen Ableitungen von Polynomfunktionen wieder Polynomfunktionen und daher nach
Fakt *****
stetig
sind.

Zu einer reellwertigen Funktion
-
interessieren wir uns wie schon bei einem eindimensionalen Definitionsbereich für die Extrema, also Maxima und Minima, der Funktion, und inwiefern man dies anhand der Ableitungen
(falls diese existieren) erkennen kann. Wenn eine solche Funktion total differenzierbar ist, so ist das totale Differential in einem Punkt eine lineare Abbildung von
nach
.
Für solche linearen Abbildungen gibt es einen eigenen Namen.
Wenn
ist, so bilden die partiellen Ableitungen in einem Punkt
eine Matrix mit einer einzigen Zeile, die bei stetigen partiellen Ableitungen das totale Differential repräsentiert. Eine solche Matrix kann man aber ebenso auch als ein
-Tupel in
und damit als einen Vektor in
auffassen. Dieser Zusammenhang zwischen Vektoren und Linearformen beruht auf dem Standardskalarprodukt des
, und lässt sich konzeptioneller mit Hilfe von Bilinearformen erfassen. Bilinearformen haben wir in Zusammenhang mit multilinearen Abbildungen und Skalarprodukten kennengelernt, sie sind spezielle
multilineare Abbildungen.
Es sei
ein
Körper
und
ein
-
Vektorraum. Eine Abbildung
-
heißt Bilinearform, wenn für alle
die induzierten Abbildungen
-
und für alle
die induzierten Abbildungen
-
-
linear
sind.
Eine wichtige Eigenschaft von Bilinearformen, die Skalarprodukte erfüllen, wird in der nächsten Definition formuliert.
Es sei
ein
Körper
und
ein
-
Vektorraum. Eine
Bilinearform
-
heißt nicht ausgeartet, wenn für alle
, die induzierten Abbildungen
-
und für alle
, die induzierten Abbildungen
-
nicht die
Nullabbildung
sind.
In der nächsten Vorlesung werden wir für Vektorräume, auf denen eine nicht-ausgeartete Bilinearform gegeben ist, eine bijektive Beziehung zwischen Vektoren und Linearformen beweisen und damit einen Zusammenhang zwischen dem totalen Differential zu einer Funktion in einem Punkt und einem Vektor, dem sogenannten Gradienten der Funktion in diesem Punkt, herstellen.
In einer topographischen Karte wird ein Gebirge durch seine Niveaulinien (Höhenlinien) repräsentiert.