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Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I/Vorlesung 3/kontrolle

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Bernoullische Ungleichung
Die Bernoullische Ungleichung für .


Die folgende Aussage heißt Bernoulli-Ungleichung.


Für jede reelle Zahl und eine natürliche Zahl

gilt die Abschätzung

Wir führen Induktion über . Bei steht beidseitig , sodass die Aussage gilt. Es sei nun die Aussage für bereits bewiesen. Dann ist

da Quadrate (und positive Vielfache davon) in einem angeordneten Körper nichtnegativ sind.




Die Binomialkoeffizienten

Zu einer natürlichen Zahl nennt man die Zahl

die Fakultät von (sprich Fakultät).

Man setzt .


Es seien und natürliche Zahlen mit . Dann nennt man

den Binomialkoeffizienten über “.

Diesen Bruch kann man auch als

schreiben, da die Faktoren aus auch in vorkommen und daher kürzbar sind. In dieser Darstellung stehen im Zähler und im Nenner gleich viele Faktoren. Gelegentlich ist es sinnvoll, auch negative oder zuzulassen und in diesen Fällen die Binomialkoeffizienten gleich zu setzen.

Von der Definition her ist es nicht sofort klar, dass es sich bei den Binomialkoeffizienten um natürliche Zahlen handelt. Dies folgt aus der folgenden Beziehung.

Das Dreieck der Binomialkoeffizienten war in Indien und in Persien schon um 1000 bekannt,
in China heißt es Yanghui-Dreieck (nach Yang Hui (um 1238-1298)),
in Europa heißt es das Pascalsche Dreieck (nach Blaise Pascal (1623-1662)).



Die Binomialkoeffizienten

erfüllen die rekursive Beziehung[1]

Beweis

Siehe Aufgabe 3.1.

Die folgende Formel bringt die Addition und die Multiplikation miteinander in Beziehung.


Satz  Satz 3.5 ändern

Es seien Elemente in einem Körper. Ferner sei eine natürliche Zahl.

Dann gilt

Wir führen Induktion nach . Für steht einerseits und andererseits .[2] Es sei die Aussage bereits für bewiesen. Dann ist


Für den Binomialkoeffizienten

gibt es eine wichtige inhaltliche Interpretation. Er gibt die Anzahl der -elementigen Teilmengen in einer -elementigen Menge an. Z.B. gibt es in einer -elementigen Menge genau

-elementige Teilmengen. Der Kehrwert von dieser Zahl ist die Wahrscheinlichkeit, beim Lotto sechs Richtige zu haben.





Die komplexen Zahlen

Wir führen nun ausgehend von den reellen Zahlen die komplexen Zahlen ein. Zwar haben wir noch nicht alle Eigenschaften der reellen Zahlen kennengelernt, insbesondere haben wir noch nicht die Vollständigkeit diskutiert, die von unterscheidet, doch ist dies für die Konstruktion von unerheblich. Damit haben wir alle für die Anfängervorlesungen relevanten Zahlbereiche zur Verfügung.


Die Menge mit und , mit der komponentenweisen Addition und der durch

definierten Multiplikation nennt man Körper der komplexen Zahlen. Er wird mit

bezeichnet.

Die Addition ist also einfach die vektorielle Addition im , während die Multiplikation eine neuartige Verknüpfung ist, die zwar numerisch einfach durchführbar ist, an die man sich aber dennoch gewöhnen muss. Wir werden in Korollar 21.8 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) noch eine geometrische Interpretation für die komplexe Multiplikation kennenlernen.



Die komplexen Zahlen

bilden einen Körper.

Beweis

Siehe Aufgabe 3.6.


Wir lösen uns von der Paarschreibweise und schreiben

Insbesondere ist , diese Zahl heißt imaginäre Einheit. Diese Zahl hat die wichtige Eigenschaft

Aus dieser Eigenschaft ergeben sich sämtliche algebraischen Eigenschaften der komplexen Zahlen durch die Körpergesetze. So kann man sich auch die obige Multiplikationsregel merken, es ist ja

Wir fassen eine reelle Zahl als die komplexe Zahl auf. In diesem Sinne ist . Es ist gleichgültig, ob man zwei reelle Zahlen als reelle Zahlen oder als komplexe Zahlen addiert oder multipliziert.


Zu einer komplexen Zahl

heißt

der Realteil von und

heißt der Imaginärteil von .

Man sollte sich allerdings die Menge der komplexen Zahlen nicht als etwas vorstellen, was weniger real als andere Zahlensysteme ist. Die Konstruktion der komplexen Zahlen aus den reellen Zahlen ist bei Weitem einfacher als die Konstruktion der reellen Zahlen aus den rationalen Zahlen. Allerdings war es historisch ein langer Prozess, bis die komplexen Zahlen als Zahlen anerkannt wurden; das Irreale daran ist, dass sie einen Körper bilden, der nicht angeordnet werden kann, und dass es sich daher scheinbar um keine Größen handelt, mit denen man sinnvollerweise etwas messen kann.

Man kann sich die komplexen Zahlen als die Punkte in einer Ebene vorstellen; für die additive Struktur gilt ja einfach . In diesem Zusammenhang spricht man von der Gaussschen Zahlenebene. Die horizontale Achse nennt man dann die reelle Achse und die vertikale Achse die imaginäre Achse.


Real- und Imaginärteil von komplexen Zahlen erfüllen folgende Eigenschaften (für und aus ).

  1. Es ist .
  2. Es ist .
  3. Es ist .
  4. Für ist
  5. Es ist genau dann, wenn ist, und dies ist genau dann der Fall, wenn ist.

Beweis

Siehe Aufgabe 3.7.



Die Abbildung

heißt komplexe Konjugation.

Zu heißt die konjugiert-komplexe Zahl von . Geometrisch betrachtet ist die komplexe Konjugation zu einfach die Achsenspiegelung an der reellen Achse.



Für die komplexe Konjugation gelten die folgenden Rechenregeln (für beliebige ).

  1. Es ist .
  2. Es ist .
  3. Es ist .
  4. Für ist .
  5. Es ist .
  6. Es ist genau dann, wenn ist.

Beweis

Siehe Aufgabe 3.15.



Für eine komplexe Zahl gelten die folgenden Beziehungen.

  1. Es ist .
  2. Es ist .
  3. Es ist .

Beweis

Siehe Aufgabe 3.12.


Das Quadrat einer reellen Zahl ist stets nichtnegativ, und die Summe von zwei nichtnegativen reellen Zahlen ist wieder nichtnegativ. Zu einer nichtnegativen reellen Zahl gibt es eine eindeutige nichtnegative Quadratwurzel , siehe Aufgabe 13.5  (das werden wir später beweisen) Daher liefert folgende Definition eine wohldefinierte nichtnegative reelle Zahl.


Zu einer komplexen Zahl

ist der Betrag durch

definiert.

Der Betrag einer komplexen Zahl ist aufgrund des Satzes des Pythagoras der Abstand von zum Nullpunkt . Insgesamt ist der Betrag eine Abbildung

Die Menge aller komplexen Zahlen mit einem bestimmten Betrag bilden einen Kreis mit dem Nullpunkt als Mittelpunkt und mit dem Betrag als Radius. Insbesondere bilden alle komplexen Zahlen mit dem Betrag den komplexen Einheitskreis.



Für den Betrag von komplexen Zahlen gelten folgende Eigenschaften.

  1. Es ist .
  2. Für reelles stimmen reeller und komplexer Betrag überein.
  3. Es ist genau dann, wenn ist.
  4. Es ist .
  5. Es ist .
  6. Für ist .
  7. Es ist .
  8. Es ist (Dreiecksungleichung).

Wir zeigen die Dreiecksungleichung, für die anderen Aussagen siehe Aufgabe 3.9. Zunächst gilt nach (7) für jede komplexe Zahl die Abschätzung . Daher ist

und somit ist

Durch Wurzelziehen ergibt sich die gewünschte Abschätzung.



Quadratwurzeln von komplexen Zahlen

Die imaginäre Einheit hat die wichtige Eigenschaft . Das Negative von besitzt die gleiche Eigenschaft, nämlich

Damit gibt es zu jeder negativen reellen Zahl (mit positiv) in die beiden Quadratwurzeln und . Im folgenden Beispiel zeigen wir, dass nicht nur jede reelle Zahl in eine Quadratwurzel besitzt, sondern überhaupt jede komplexe Zahl.


Beispiel  Beispiel 3.16 ändern

Es sei eine komplexe Zahl. Dann hat die komplexe Zahl

mit dem Vorzeichen

die Eigenschaft

Insbesondere besitzt also zwei Quadratwurzeln, nämlich und , die bei zusammenfallen.

Wir zeigen dies für den Fall

Dann ist


Daraus ergibt sich, dass innerhalb von jede quadratische Gleichung

mit , mindestens eine komplexe Lösung besitzt, siehe Aufgabe 3.16.



Fußnoten
  1. Bei ist als zu interpretieren.
  2. Wenn einem diese Aussage merkwürdig vorkommt, da sie von der Festlegung abhängt, so kann man auch bei anfangen. Dann hat man einerseits und andererseits .



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