Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 3/kontrolle
- Semilineare Abbildungen
Jeder komplexe Vektorraum ist insbesondere ein reeller Vektorraum, und jede komplex-lineare Abbildung zwischen komplexen Vektorräumen ist insbesondere reell-linear. Die komplexe Konjugation
ist reell-linear, aber nicht komplex-linear.
Es seien und Vektorräume über den komplexen Zahlen . Eine Abbildung
heißt antilinear (oder semilinear), wenn
für alle und wenn
für alle und gilt.
Die Antilinearität von kann man auch so ausdrücken, dass reell-linear ist und dass für alle gilt, siehe Aufgabe 3.1.
Es seien und komplexe Vektorräume.
Dann lässt sich jede - lineare Abbildung eindeutig als mit einer -linearen Abbildung und einer - antilinearen Abbildung schreiben.
Wir setzen
und
wobei hier jeweils als Multiplikation mit zu verstehen ist. Offenbar ist , die -Linearität der beiden Abbildungen ist ebenfalls klar. Die Linearität bzw. Antilinearität ist nur noch für die skalare Multiplikation mit nachzuweisen. Es ist einerseits
und andererseits
Zum Nachweis der Eindeutigkeit sei . Dann ist
sowohl -linear als auch -antilinear, also nach Aufgabe 3.4 die Nullabbildung.
In der obigen Aussage nennt man den -linearen Anteil von und den -antilinearen Anteil von .
Insbesondere ist eine reell-lineare Abbildung genau dann -linear, wenn ihr antilinearer Anteil gleich ist.
Reell-lineare Abbildung von auf sich selbst werden bezüglich der reellen Basis und durch eine -Matrix beschrieben. Die Zerlegung im Sinne von Lemma 3.2 ist
Die Matrix ist genau dann komplex-linear, wenn sie die Form
besitzt, wenn also eine Multiplikation mit der komplexen Zahl vorliegt, und komplex-antilinear genau dann, wenn sie die Form
besitzt.
- Die totale Differenzierbarkeit
Wir erinnern an die totale Differenzierbarkeit.
Es seien und endlichdimensionale - Vektorräume, eine offene Menge und eine Abbildung. Dann heißt differenzierbar (oder total differenzierbar) im Punkt , wenn es eine - lineare Abbildung mit der Eigenschaft
gibt, wobei eine in stetige Abbildung mit ist und die Gleichung für alle mit gilt.
Diese lineare Abbildung heißt, falls sie existiert, das (totale) Differential von an der Stelle und wird mit
bezeichnet.
Wenn und liegt bei stetiger partieller Differenzierbarkeit nach Satz 46.3 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) auch totale Differenzierbarkeit vor, und das totale Differential in einem Punkt wird dann durch die Jacobimatrix
beschrieben. Dies werden wir hauptsächlich für , aufgefasst als zweidimensionalen reellen Vektorraum mit der Basis und , anwenden.
- Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen
Die komplexen Zahlen bilden einen zweidimensionalen reellen Vektorraum mit der reellen Basis und . Entsprechend kann man eine auf einer (zumeist offenen) Teilmenge definerte Funktion auch als eine Abbildung auffassen und die komplexe Differenzierbarkeit in der einen Variablen mit der reellen partiellen Differenzierbarkeit der beiden Komponentenfunktionen bezüglich der reellen Koordinaten und in Beziehung setzen. Beispielsweise ist das komplexe Quadrieren in reellen Koordinaten die Abbildung
bzw., direkt in Spaltenschreibweise,
Die Bedingungen in der folgenden Aussage heißen die Cauchy-Riemannsche Differentialgleichungen.
Es sei offen und eine im Punkt reell total differenzierbare Abbildung. Es sei mit reellwertigen Funktionen . Sei .
Dann ist genau dann in komplex differenzierbar, wenn für die reellen partiellen Ableitungen die Beziehungen
gelten.
Die reelle Jacobi-Matrix von im Punkt ist
Diese beschreibt eine reell-lineare Abbildung
bezüglich der reellen Basis und und die komplexe Differenzierbarkeit bedeutet, dass sie auch komplex-linear ist. Die Multiplikation mit einer komplexen Zahl wird reell durch die Matrix
beschrieben, und die Bedingungen im Satz beschreiben genau diese Beziehungen.
Wir betrachten die differenzierbare Abbildung
die dem komplexen Quadrieren entspricht. Die Jacobi-Matrix davon ist
Diese erfüllt die Symmetriebedingungen der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen in jedem Punkt, die ja nach Satz 3.5 für jede komplex-differenzierbare Abbildung gelten müssen.
Wir betrachten die differenzierbare Abbildung
die dem komplexen Quadrieren entspricht. Die Jacobi-Matrix davon ist
Diese erfüllt von den beien Symmetriebedingungen der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen nur die eine, dass in der Hauptdiagonalen die gleichen Werte stehen, während die Werte in der Gegendiagonalen nicht negativ zueinander sind. Nach Satz 3.5 kann diese Abbildung also nicht von einer komplex-differenzierbaren Abbildung
herrühren. Allerdings liegt für die Punkte mit komplexe Differenzierbarkeit vor.
Es sei eine komplex-differenzierbare Funktion auf einem Gebiet . Es sei die Betragsfunktion konstant auf .
Dann ist selbst konstant.
Wenn ist, so ist die Aussage klar. Sei die Konstante also . Es ist dann
Daher ist bis auf einen skalaren Faktor die Invertierung von und daher nach Lemma 1.7 ebenfalls komplex-differenzierbar. Wir schreiben mit reellwertigen differenzierbaren Funktionen . Dabei ist . Nach Satz 3.5 ist einerseits
und andererseits
für jeden Punkt . Aus
folgt
und aus
folgt
Dies bedeutet, dass und konstant sind.