Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil I/Vorlesung 19
- Metrische Räume
Euklidische Räume besitzen nach Definition ein Skalarprodukt. Darauf aufbauend kann man einfach die Norm eines Vektors und den Abstand zwischen zwei Vektoren definieren. Die wichtigsten Eigenschaften dieses euklidischen Abstandes werden im Begriff der Metrik bzw. des metrischen Raumes axiomatisiert.
Es sei eine Menge. Eine Abbildung heißt Metrik (oder Distanzfunktion), wenn für alle die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- genau dann, wenn ist (Definitheit),
- (Symmetrie), und
- (Dreiecksungleichung).
Ein metrischer Raum ist ein Paar , wobei eine Menge und eine Metrik ist.
Man kann leicht aus den Bedingungen folgen, dass eine Metrik nur nichtnegative Werte annimmt. Der Wert gibt den Abstand der Punkte und bezüglich an. Oft wird die Metrik nicht in der Notation erwähnt, obwohl es Situationen gibt, in denen verschiedene Metriken auf ein- und derselben Menge betrachtet werden.
Es sei ein euklidischer Vektorraum und
der zugehörige Abstand. Dieser besitzt nach Lemma 18.15 die Eigenschaften einer Metrik. Insbesondere ist im der durch
gegebene euklidische Abstand eine Metrik.
Wenn wir nichts anderes sagen, so versehen wir den und den stets mit dem euklidischen Abstand. Insbesondere sind die reellen Zahlen und die komplexen Zahlen mit der durch den Betrag definierten Metrik ein metrischer Raum. Als gemeinsame Bezeichnung für und werden wir verwenden.
Es sei ein metrischer Raum und eine Teilmenge. Dann ist ebenfalls ein metrischer Raum, wenn man
für alle setzt. Diese Metrik heißt die induzierte Metrik.
Es sei ein metrischer Raum, und eine positive reelle Zahl. Es ist
die offene und
die abgeschlossene -Kugel um .
Natürlich müssen Kugeln nicht unbedingt kugelförmig aussehen, aber sie tun es in der euklidischen Norm. Für ist einfach das beidseitig offene Intervall .
Es sei ein metrischer Raum. Eine Teilmenge heißt abgeschlossen, wenn das Komplement offen ist.
Achtung! Abgeschlossen ist nicht das „Gegenteil“ von offen. Die allermeisten Teilmengen eines metrischen Raumes sind weder offen noch abgeschlossen, es gibt aber auch Teilmengen, die sowohl offen als auch abgeschlossen sind, z.B. die leere Teilmenge und die Gesamtmenge.
Es sei ein metrischer Raum. Dann gelten folgende Eigenschaften.
- Die leere Menge und die Gesamtmenge sind offen.
- Es sei eine beliebige Indexmenge und seien
, ,
offene Mengen. Dann ist auch die
Vereinigung
offen.
- Es sei eine endliche Indexmenge und seien
, ,
offene Mengen. Dann ist auch der
Durchschnitt
offen.
Beweis
- Folgen in metrischen Räumen
Es sei ein metrischer Raum und sei eine Folge in . Man sagt, dass die Folge gegen konvergiert, wenn folgende Eigenschaft erfüllt ist.
Zu jedem , , gibt es ein derart, dass für alle die Beziehung
gilt. In diesem Fall heißt der Grenzwert oder der Limes der Folge. Dafür schreibt man auch
Wenn die Folge einen Grenzwert besitzt, so sagt man auch, dass sie konvergiert (ohne Bezug auf einen Grenzwert), andernfalls, dass sie divergiert.
Diese Definition stimmt natürlich für mit unserem bisherigen Begriff für konvergente Folge überein. Allerdings hatten wir, als wir diesen Begriff für angeordnete Körper einführten, die reellen Zahlen selbst noch nicht zur Verfügung.
Der sei mit der euklidischen Metrik versehen und sei eine Folge in mit
Dann konvergiert die Folge im genau dann, wenn alle Komponentenfolgen in konvergieren.
Es sei die Gesamtfolge konvergent gegen . Wir behaupten, dass die -te Komponentenfolge gegen konvergiert. Sei (ohne Einschränkung) und vorgegeben. Wegen der Konvergenz der Gesamtfolge gibt es ein mit für alle . Daher ist
Es seien nun alle Komponentenfolgen konvergent, wobei die -te Folge den Grenzwert besitzen möge, und sei ein vorgegeben. Wir setzen und behaupten, dass die Folge gegen konvergiert. Zu gibt es für jede Komponentenfolge ein derart, dass für alle gilt. Dann gilt für alle
die Beziehung
Insbesondere konvergiert eine Folge von komplexen Zahlen genau dann, wenn die zugehörigen Folgen der Realteile und der Imaginärteile konvergieren.
Es sei ein metrischer Raum und sei eine Folge in . Ein Punkt heißt Häufungspunkt der Folge, wenn es für jedes unendlich viele Folgenglieder mit gibt.
Es sei ein metrischer Raum und sei eine Folge in . Zu jeder streng wachsenden Abbildung , , heißt die Folge
eine Teilfolge der Folge.
Es sei ein metrischer Raum und eine Teilmenge.
Dann ist genau dann abgeschlossen, wenn jede Folge , die in konvergiert, bereits in konvergiert.
Es sei zunächst abgeschlossen und eine Folge gegeben, die in gegen konvergiert. Wir müssen zeigen, dass ist. Angenommen, dies wäre nicht der Fall. Dann liegt im offenen Komplement von und daher gibt es ein derart, dass der gesamte -Ball im Komplement von liegt. Also ist
Da die Folge aber gegen konvergiert, gibt es ein derart, dass alle Folgenglieder
, ,
zu diesem Ball gehören. Da sie andererseits in liegen, ist dies ein Widerspruch.
Es sei nun nicht abgeschlossen. Wir müssen eine Folge in konstruieren, die in konvergiert, deren Grenzwert aber nicht zu gehört. Da nicht abgeschlossen ist, ist das Komplement
nicht offen. D.h. es gibt einen Punkt
derart, dass in jedem -Ball von auch Punkte außerhalb von , also in liegen. Insbesondere ist also für jede natürliche Zahl
der Durchschnitt
Wir wählen aus dieser Schnittmenge ein Element und behaupten, dass die sich ergebende Folge die gewünschten Eigenschaften besitzt. Zunächst liegen nach Konstruktion alle Folgenglieder in . Die Folge konvergiert gegen , da man sich hierzu auf
beschränken kann und alle Folgenglieder
, ,
in
liegen. Da der Grenzwert einer Folge im Falle der Existenz eindeutig bestimmt ist, und
ist, konvergiert die Folge in nicht.
Es sei eine Teilmenge der reellen Zahlen. Es sei eine in abgeschlossene Teilmenge.
Wenn das Supremum in existiert, so ist .
Es sei . Zu jedem gibt es Elemente , , und mit . Andernfalls wäre nämlich eine kleinere obere Schranke von . Die Folge konvergiert also gegen und aufgrund von Satz 19.16 ist .
Wenn man z.B. das offene Intervall in nimmt und betrachtet, so ist abgeschlossen in , das Supremum dieser Menge gehört aber nicht dazu. Ein wichtiger Spezialfall ist das folgende Korollar.
Es sei eine nicht leere, nach oben beschränkte, abgeschlossene Teilmenge der reellen Zahlen.
Dann gehört das Supremum zu .
Dies folgt aus Korollar 19.17 mit und aus Satz 8.9.
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