Kurs:Zahlentheorie (Osnabrück 2016-2017)/Vorlesung 25
- Die Divisorenklassengruppe
Es sei ein Zahlbereich. Es sei die Gruppe der Divisoren und sei die Untergruppe der Hauptdivisoren. Dann nennt man die Restklassengruppe
die Divisorenklassengruppe von .
Die Divisorenklassengruppe wird häufig auch als Idealklassengruppe oder einfach als Klassengruppe bezeichnet. Sie ist kommutativ. Ihre Elemente sind Äquivalenzklassen und werden durch Divisoren repräsentiert, wobei zwei Divisoren genau dann die gleiche Klasse repräsentieren, wenn ihre Differenz ein Hauptdivisor ist. Sie heißen Divisorklassen oder Idealklassen. Ein späteres Hauptresultat - das wir aber nur für quadratische Zahlbereiche beweisen werden - wird sein, dass die Klassengruppe endlich ist. Sie ist eine wesentliche (ko)-homologische Invariante eines Zahlbereichs und enthält wesentliche Informationen über diesen. Generell lässt sich sagen, dass ihre Größe zum Ausdruck bringt, wie weit ein Zahlbereich von der Faktorialität entfernt ist. Der nächste Satz charakterisiert die Faktorialität dadurch, dass die Klassengruppe trivial ist.
Es sei ein Zahlbereich und es bezeichne die Divisorenklassengruppe von . Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist ein Hauptidealbereich.
- ist faktoriell.
- Es ist .
Die Implikation folgt aus Satz 3.7.
. Es sei also faktoriell, und sei ein Primideal . Sei , , mit Primfaktorzerlegung . Da ein Primideal ist, muss einer der Primfaktoren zu gehören, sagen wir . Dann ist . Das von erzeugte Ideal ist ein Primideal, und in einem Zahlbereich ist nach Satz 18.15 jedes von verschiedene Primideal maximal, sodass hier gelten muss. Auf der Seite der Divisoren gilt aufgrund von Satz 23.12 , sodass ein Hauptdivisor vorliegt. Also sind alle Erzeuger der Divisorengruppe Hauptdivisoren und somit ist überhaupt
und die Divisorenklassengruppe ist trivial.
. Es sei nun vorausgesetzt. Wir zeigen zunächst, dass jedes Primideal ein Hauptideal ist. Nach Voraussetzung ist der Divisor ein Hauptdivisor, sodass mit einem gilt. Aufgrund von Satz 23.12 entspricht dies auf der Idealseite der Gleichung , sodass jedes Primideal ein Hauptideal ist. Für ein beliebiges Ideal , , ist nach Satz 23.14
Dies bedeutet aber, mit , dass ein Hauptideal ist, das von erzeugt wird. Also liegt ein Hauptidealbereich vor.
Wir kennen bereits die euklidischen Bereiche und , die Hauptidealbereiche sind und deren Klassengruppe somit ist. Der Bereich ist hingegen nicht faktoriell und somit kann seine Klassengruppe nicht sein. Wir werden später sehen, dass die Klassengruppe davon einfach ist, und wir werden allgemein beweisen, dass die Klassengruppe von quadratischen Zahlbereichen immer eine endliche Gruppe ist.
Wir behaupten, dass im quadratischen Zahlbereich das Ideal
kein Hauptideal ist, was in Beispiel 21.8 gezeigt wurde, aber die Eigenschaft besitzt, dass das Quadrat davon ein Hauptideal ist. Insbesondere definiert die zugehörige Idealklasse ein von verschiedenes Element in der Divsorenklassengruppe mit der Eigenschaft, dass das Doppelte davon trivial ist. Es ist
Dabei ist die Inklusion klar und die umgekehrte Inklusion ergibt sich aus
Wir betrachten nun das Ideal
Der Restklassenring ist
sodass ein Primideal mit der Norm vorliegt, das kein Hauptideal ist, da es kein Element mit Norm gibt. Die beiden Ideale und definieren die gleiche Idealklasse. Dazu betrachten wir die Multiplikation
Wegen
und
induziert dies einen injektiven - Modulhomomorphismus
der wegen
auch surjektiv ist. Somit ist
In Beispiel 27.11 wird darüber hinaus gezeigt, dass die Klassengruppe von gleich ist.
- Normeuklidische Bereiche
Wir betrachten nun diejenigen imaginär-quadratischen Zahlbereiche (also ), für die die Norm eine euklidische Funktion ist. Wir werden später Beispiele sehen, wo der Ganzheitsring zwar faktoriell, aber nicht euklidisch ist.
Es sei quadratfrei und der zugehörige quadratische Zahlbereich. Dann heißt normeuklidisch, wenn die Normfunktion auf eine euklidische Funktion ist.
Da eine euklidische Funktion nur positive Werte annimmt, kann die Norm allenfalls im imaginär-quadratischen Fall euklidisch sein, da im reell-imaginär quadratischen Fall die Norm auch negative Werte annimmt. Die Euklidizität der Norm bedeutet, dass es zu , , Elemente und mit
und oder
Dies kann man auch so sehen, dass es für jede rationales Element eine ganzzahlige Approximation mit
gibt. Mit Hilfe dieser geometrischen Interpretation charakterisiert der nächste Satz explizit diejenigen imaginär-quadratischen Zahlbereiche, für die normeuklidisch ist.
Es sei quadratfrei und der zugehörige quadratische Zahlbereich. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist euklidisch.
- ist normeuklidisch.
- Es ist .
(1) (3). Es sei euklidisch mit euklidischer Funktion . Es sei , , keine Einheit, so gewählt, dass unter allen Nichteinheiten den minimalen Wert annimmt. Für jedes ist dann
Wegen der Wahl von bedeutet dies oder ist eine Einheit. Wir betrachten die Restklassenabbildung
Dabei ist . Ab gibt es nur die beiden Einheiten und , sodass das Bild von überhaupt nur aus besteht. Also ist nach Satz 21.7
Bei hat nach Satz 20.9 jedes Element aus die Form () mit Norm . Damit ist (bei ) nur bei und möglich, doch dann liegt eine Einheit vor, im Widerspruch zur Wahl von . In diesem Fall verbleiben also nur die Möglichkeiten .
Bei hat nach Satz 20.9 jedes Element aus die Form () mit Norm . Damit ist bei die Bedingung wieder nur bei und möglich, sodass erneut eine Einheit vorliegt. Es verbleiben die Möglichkeiten .
(3) (2). Der Ganzheitsring ist genau dann normeuklidisch, wenn es zu jedem ein mit gibt. Dies bedeutet anschaulich, dass es zu jedem Punkt von stets Gitterpunke aus gibt mit einem Abstand kleiner als eins[1] Im Fall ist und es liegt ein rechteckiges Gitter vor, wobei der maximale Abstand im Mittelpunkt eines Gitterrechteckes angenommen wird. Der Abstand zu jedem Eckpunkt ist dort , und dies ist nur für kleiner als eins.
Im Fall wird die komplexe Ebene überdeckt von kongruenten gleichschenkligen Dreiecken, mit einer Grundseite der Länge eins und Schenkeln der Länge , deren Eckpunkte jeweils Elemente aus sind. Der Punkt innerhalb eines solchen Dreiecks mit maximalem Abstand zu den Eckpunkten ist der Mittelpunkt des Umkreises, also der Schnittpunkt der Mittelsenkrechten. Wir berechnen ihn für das Dreieck mit den Eckpunkten . Die Mittelsenkrechte zur Grundseite ist durch gegeben, und die Mittelsenkrechte zum linken Schenkel wird durch beschrieben. Gleichsetzen ergibt
Damit ist die zweite Koordinate gleich und der gemeinsame Abstand zu den drei Eckpunkten ist die Wurzel aus
Dies (und ebenso die Quadratwurzel) ist kleiner als genau dann, wenn ist, was genau bei der Fall ist und den Möglichkeiten entspricht.
(2) (1) ist trivial.
Für ein vorgegebenes quadratfreies kann man grundsätzlich effektiv entscheiden, ob der quadratische Zahlbereich faktoriell ist oder nicht. Für ist dies genau für
der Fall. Es war bereits von Gauß vermutet worden, dass dies alle sind, es wurde aber erst 1967 von Heegner und Stark bewiesen. Man weiß auch, für welche von diesen der Ganzheitsbereich euklidisch ist, nämlich nach Satz 25.5 für , aber nicht für die anderen vier Werte.
Für wird vermutet, dass für unendlich viele Werte der Ganzheitsbereich faktoriell ist. Für liegt ein faktorieller Bereich für die Werte
vor. Dagegen weiß man (Chatland und Davenport 1950), für welche positiven der Ganzheitsbereich euklidisch ist, nämlich für .
- Fußnoten
- ↑ Da dicht in der komplexen Ebene liegt, gilt dies ebenso für alle komplexen Zahlen.
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