Kurs:Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)/Vorlesung 17/kontrolle
In dieser Vorlesung setzen wir die Theorie der riemannschen Mannigfaltigkeiten fort und berechnen insbesondere einige Flächeninhalte.
- Berechnungen auf riemannschen Mannigfaltigkeiten
Es sei eine offene Teilmenge und
eine differenzierbare Funktion. Es sei
der Graph von .
Dann ist eine orientierte riemannsche Mannigfaltigkeit, und für die kanonische Volumenform auf gilt
Die Abbildung
ist ein Diffeomorphismus zwischen und dem Graphen . Der Graph ist eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von und trägt daher die induzierte riemannsche Struktur und (da sich die Orientierung von auf überträgt) eine kanonische Volumenform . Auf diese Situation kann man Satz 16.8 anwenden. Die partiellen Ableitungen von nach der -ten Variablen sind
Es sei ein Punkt, den wir in die Funktionen im Folgenden einsetzen, sodass wir überall mit reellen Zahlen rechnen. Die Skalarprodukte, die die Einträge der Matrix bilden (von deren Determinante wir die Wurzel berechnen müssen), sind gleich
Wir schreiben mit . Mit können wir und insgesamt die Matrix als
schreiben. Daher beschreibt eine lineare Abbildung von nach , die durch faktorisiert, und besitzt damit einen Kern, der zumindest -dimensional ist. Nennen wir ihn . Wenn er die Dimension besitzt, so ist und ist die Identität, und die Aussage ist richtig. Es sei also . Dann ist ein Eigenvektor von zum Eigenwert . Dieser Vektor ist ein Eigenvektor von zum Eigenwert und bildet den -dimensionalen Eigenraum für zum Eigenwert . Insgesamt ist diagonalisierbar und ihre Determinante ist das Produkt der Eigenwerte, also gleich .
Mit diesem Ansatz kann man beispielsweise den Flächeninhalt der Einheitssphäre berechnen, siehe
Aufgabe 17.2.
Es sei eine abgeschlossene Fläche[1] in einer offenen Menge , die mit der induzierten riemannschen Struktur und der kanonischen Flächenform versehen sei. Es sei offen und es sei
ein Diffeomorphismus mit der offenen Menge . Die Koordinaten von seien und und wir setzen [2]
Dann gilt auf
Dies folgt direkt aus Satz 16.8.
Es sei
der Graph von
wobei eine offene Teilmenge sei. In diesem Fall stehen Korollar 17.1 und Korollar 17.2 wie folgt miteinander in Beziehung. Die partiellen Ableitungen sind und . Daher ist , , und . Somit ist
Wir knüpfen an die Bezeichnungen von Korollar 17.2 an. Wenn die durch und erfasste offene Teilmenge die Eigenschaft besitzt, dass ihr Komplement eine Nullmenge bezüglich des kanonischen Maßes auf ist, so lässt sich der Flächeninhalt von allein mittels der Formel für berechnen. Dies ist z.B. der Fall, wenn eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von der Dimension ist, siehe Aufgabe 15.14. Nullmengen werden bei Berechnungen häufig stillschweigend ignoriert.
- Rotationsflächen
Es sei eine differenzierbare Kurve
mit gegeben. Wir interessieren uns für die zugehörige Rotationsfläche, also die Teilmenge
des , die entsteht, wenn man die Trajektorie der Kurve um die -Achse dreht. Wir setzen zusätzlich voraus, dass einen Diffeomorphismus auf sein Bild bewirkt und dass eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit in einer offenen Menge
ist (es wird also auch gefordert, dass überall positiv ist). Die Rotationsfläche ist dann eine zweidimensionale abgeschlossene Untermannigfaltigkeit des ohne die -Achse, sodass eine riemannsche Mannigfaltigkeit vorliegt. Ihr Flächeninhalt lässt sich wie folgt berechnen.
Es sei
eine differenzierbare Kurve mit , die einen Diffeomorphismus zu induziere, wobei eine eindimensionale abgeschlossene Untermannigfaltigkeit in einer offenen Menge sei.
Dann ist die zugehörige Rotationsfläche eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von ohne die -Achse, und ihr Flächeninhalt ist gleich
Es sei die Rotationsfläche, die eine abgeschlossene zweidimensionale Untermannigfaltigkeit in einer offenen Menge des ist. Wir wenden Korollar 17.2 auf die Parametrisierung
an. Die partiellen Ableitungen sind
und daher ist
Somit ist der Flächeninhalt gleich
- Kartographie
Die (abstrakte) Kartographie beschäftigt sich mit Karten für die Oberfläche einer Kugel.
Wir betrachten die Abbildung
deren Bild auf der Einheitssphäre liegt. Diese Abbildung kann man sich so vorstellen, dass zuerst das Rechteck zu einer Zylinderoberfläche gemacht wird und anschließend die Kreise des Zylinders auf die horizontalen Kreise einer Kugel mit derselben Höhe projiziert werden. Diese Abbildung ist differenzierbar mit den partiellen Ableitungen
Die Einschränkung dieser Abbildung auf das offene Rechteck ist injektiv, ihr Bild ist die Einheitssphäre bis auf einen einzigen halben Längenkreis. Man kann mit diesen Koordinaten also die Kugeloberfläche berechnen. Mit der in Korollar 17.2 verwendeten Notation ist
und
Daher ist
d.h. diese Kartenabbildung ist flächentreu,[3] und somit ist die Kugeloberfläche gleich
Wir betrachten die Abbildung
deren Bild auf der Einheitssphäre liegt. Diese Abbildung kann man sich so vorstellen, dass zuerst das (in eine Richtung unbeschränkte) Rechteck zu einem unendlichen Zylindermantel über dem Einheitskreis gemacht wird und anschließend jeder Punkt dieses Zylindermantels über die Verbindungsgerade mit dem Kugelmittelpunkt auf die Kugel projiziert wird. Unter dieser Abbildung werden mit der Ausnahme des Nord- und des Südpols alle Punkte der Kugeloberfläche erreicht. Ferner ist sie injektiv, wenn man die Randpunkte des Intervalls herausnimmt (dann fehlt ein halber Längenkreis im Bild). Die Abbildung ist differenzierbar mit den partiellen Ableitungen
Man kann mit diesen Koordinaten die Kugeloberfläche berechnen. Mit der in Korollar 17.2 verwendeten Notation ist
und
Daher ist
Die Kugeloberfläche ist somit unter Verwendung von Satz 12.10 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)) gleich
Das Integral ist nach Beispiel 31.7 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) gleich , sodass sich der Flächeninhalt ergibt.
Die Mercator-Projektion geht von der zuletzt genannten Projektion aus, ersetzt aber das unbeschränkte Intervall über eine Diffeomorphie durch ein beschränktes Intervall, sodass eine winkeltreue Karte entsteht.
Wir betrachten die Abbildung
deren Bild auf der Einheitssphäre landet. Geographisch gesprochen gibt den Breitenkreis und den Längenkreis des entsprechenden Punktes auf der Einheitserde an (in geozentrischen Koordinaten; die in der Geographie verwendeten Koordinaten weichen davon leicht ab, da die Erde nicht wirklich eine Kugel ist). Diese Abbildung ist differenzierbar mit den partiellen Ableitungen
Die Einschränkung dieser Abbildung auf das offene Rechteck
ist injektiv, ihr Bild ist die Einheitskugel bis auf einen einzigen Längenkreis. Man kann mit diesen Koordinaten also die Kugeloberfläche berechnen. Mit der in Korollar 17.2 verwendeten Notation ist
und
Daher ist
Somit ist die Kugeloberfläche nach dem Satz von Fubini gleich
- Fußnoten
- ↑ Eine Fläche ist einfach eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit.
- ↑ Diese Notation wurde schon von Carl Friedrich Gauß verwendet.
- ↑ Sie ist aber nicht längentreu. Die horizontalen Strecken auf dem Rechteck werden zu den Polen hin stark gestaucht. Dafür werden die vertikalen Strecken zu den Polen hin zunehmend gestreckt, und diese beiden Phänomene neutralisieren sich.