Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009)/Vorlesung 21

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Algebren

Definition  

Seien und kommutative Ringe und sei ein fixierter Ringhomomorphismus. Dann nennt man eine -Algebra.

Häufig ist der Ringhomomorphismus, der zum Begriff der Algebra gehört, vom Kontext her klar und wird nicht explizit aufgeführt. Z.B. ist der Polynomring eine -Algebra, indem man die Elemente aus als konstante Polynome auffasst, oder jeder Ring ist auf eine eindeutige Weise eine -Algebra über den kanonischen Ringhomomorphismus , . Der Begriff der Algebra ist auch für nicht-kommutative Ringe (bei kommutativem Grundring ) sinnvoll, wobei dann in aller Regel die Voraussetzung gemacht wird, dass die Elemente aus mit allen Elementen aus vertauschen.

Wir werden den Begriff der Algebra vor allem in dem Fall verwenden, wo der Grundring ein Körper ist. Eine -Algebra kann man stets in natürlicher Weise als Vektorraum über dem Körper auffassen. Die Skalarmultiplikation wird dabei einfach über den Strukturhomomorphismus erklärt. Eine typische Situation ist dabei, dass der Grundkörper ist und ein Zwischenring , , gegeben ist. Dann ist über die Inklusion direkt eine -Algebra.

Wenn man zwei Algebren über einem gemeinsamen Grundring hat, so sind vor allem diejenigen Ringhomomorphismen interessant, die den Grundring mitberücksichtigen. Dies führt zu folgendem Begriff.


Definition  

Es seien und kommutative - Algebren über einem kommutativen Grundring . Dann nennt man einen Ringhomomorphismus

einen -Algebrahomomorphismus, wenn er zusätzlich mit den beiden fixierten Ringhomomorphismen und verträglich ist.

Zum Beispiel ist jeder Ringhomomorphismus ein -Algebra-Homomorphismus, da es zu jedem Ring überhaupt nur den kanonischen Ringhomomorphismus gibt. Mit dieser Terminologie kann man den Einsetzungshomomorphismus (siehe Vorlesung 16) jetzt so verstehen, dass der Polynomring mit seiner natürlichen Algebrastruktur und eine weitere -Algebra mit einem fixierten Element vorliegt und dass dann durch ein -Algebra-Homomorphismus definiert wird.



Rechnen in

Körper werden häufig ausgehend von einem schon bekannten Körper als Restklassenkörper des Polynomrings konstruiert. Die Arithmetik in einem solchen Erweiterungskörper wird in der folgenden Aussage beschrieben.



Proposition  

Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom vom Grad und der zugehörige Restklassenring. Dann gelten folgende Rechenregeln (wir bezeichnen die Restklasse von in mit ).

  1. Man kann stets als normiert annehmen (also ; das werden wir im Folgenden tun).
  2. In ist .
  3. Höhere Potenzen , , kann man mit den Potenzen , , ausdrücken, indem man mittels Vielfachen von (2) sukzessive den Grad um eins reduziert.
  4. Die Potenzen bilden eine -Basis von .
  5. ist ein -Vektorraum der Dimension .
  6. In werden zwei Elemente und komponentenweise addiert, und multipliziert, indem sie als Polynome multipliziert werden und dann die Restklasse berechnet wird.

Beweis  

  1. Es ist , da es bei einem Hauptideal nicht auf eine Einheit ankommt.
  2. Dies folgt direkt durch Umstellung der definierenden Gleichung .
  3. Dies folgt durch Multiplikation der Gleichung in (2) mit Potenzen von .
  4. Dass die Potenzen , , ein Erzeugendensystem bildet, folgt aus Teil (2) und (3). Zum Beweis der linearen Unabhängigkeit sei  angenommen, es gebe eine lineare Abhängigkeit, sagen wir . D.h., dass das Polynom unter der Restklassenabbildung auf geht, also zum Kern gehört. Dann muss es aber ein Vielfaches von sein, was aber aus Gradgründen erzwingt, dass das Nullpolynom sein muss. Also sind alle .
  5. Dies folgt direkt aus (4).
  6. Dies ist klar.



Beispiel  

Wir betrachten den Restklassenring

und bezeichnen die Restklasse von mit . Aufgrund von Proposition 21.3 besitzt jedes Element aus eine eindeutige Darstellung mit , so dass also ein dreidimensionaler -Vektorraum vorliegt. Da in zu gemacht wird, gilt

Daraus ergeben sich die Gleichungen

etc. Man kann hierbei auf verschiedene Arten zu dem eindeutig bestimmten kanonischen Repräsentanten reduzieren.

Berechnen wir nun das Produkt

Dabei wird distributiv ausmultipliziert und anschließend werden die Potenzen reduziert. Es ist




Endliche Körpererweiterungen

Wenn in der vorstehenden Proposition irreduzibel ist, so ist ein Körper und damit liegt eine Körpererweiterung

vor. Bei einer -Algebra und insbesondere einer Körpererweiterung hat man durch den Vektorraumbegriff sofort die folgenden Begriffe zur Verfügung.


Definition  

Eine Körpererweiterung heißt endlich, wenn ein endlichdimensionaler Vektorraum über ist.


Definition  

Es sei eine endliche Körpererweiterung. Dann nennt man die - Vektorraumdimension von den Grad der Körpererweiterung.

Bei mit einem irreduziblen Polynom ist nach Satz 21.3(5) der Grad der Körpererweiterung gleich dem Grad von .



Minimalpolynom

Definition  

Es sei ein Körper und eine kommutative - Algebra. Es sei ein Element. Dann heißt algebraisch über , wenn es ein von verschiedenes Polynom mit gibt.

Wenn ein Polynom das algebraische Element annulliert (also ist), so kann man durch den Leitkoeffizienten dividieren und erhält dann auch ein normiertes annullierendes Polynom.


Definition  

Es sei ein Körper und eine - Algebra. Es sei ein über algebraisches Element. Dann heißt das normierte Polynom mit , welches von minimalem Grad mit dieser Eigenschaft ist, das Minimalpolynom von .

Wenn nicht algebraisch ist, so wird das Nullpolynom als Minimalpolynom betrachtet.


Beispiel  

Bei einer Körpererweiterung sind die Elemente trivialerweise algebraisch, und zwar ist jeweils das Minimalpolynom. Weitere Beispiele liefern über die komplexen Zahlen , etc. Annullierende Polynome aus sind dafür , , (es handelt sich dabei übrigens um die Minimalpolynome, was in den ersten beiden Fällen einfach und im dritten Fall etwas schwieriger zu zeigen ist). Man beachte, dass beispielsweise zwar ein annullierendes Polynom für ist, dessen Koeffizienten aber nicht zu gehören.




Lemma  

Es sei ein Körper, eine - Algebra und ein Element. Es sei das Minimalpolynom von über .

Dann ist der Kern des kanonischen - Algebrahomomorphismus

das von erzeugte Hauptideal.

Beweis  

Wir betrachten den kanonischen Einsetzungshomorphismus

Dessen Kern ist nach Satz 13.6 und nach Satz 16.11 ein Hauptideal, sagen wir , wobei wir als normiert annehmen dürfen (im nicht-algebraischen Fall liegt das Nullideal vor und die Aussage ist trivialerweise richtig). Das Minimalpolynom gehört zu . Andererseits ist der Grad von größer oder gleich dem Grad von , da ja dessen Grad minimal gewählt ist. Daher muss der Grad gleich sein und somit ist , da beide normiert sind.


Definition  

Es sei eine -Algebra und sei , , eine Familie von Elementen aus . Dann heißt die kleinste -Unteralgebra von , die alle enthält, die von diesen Elementen erzeugte -Algebra. Sie wird mit bezeichnet.

Man kann diese -Algebra auch als den kleinsten Unterring von charakterisieren, der sowohl als auch die enthält. Wir werden hauptsächlich von erzeugten -Algebren in einer Körpererweiterung sprechen, wobei nur ein einziger Erzeuger vorgegeben ist. Man schreibt dafür dann einfach , und diese -Algebra besteht aus allen -Linearkombinationen von Potenzen von . Dies ist das Bild unter dem durch gegebenen Einsetzungshomomorphismus.

Gelegentlich werden wir auch den kleinsten Unterkörper von betrachten, der sowohl als auch eine Elementfamilie , , enthält. Dieser wird mit bezeichnet, und man sagt, dass die ein Körper-Erzeugendensystem von diesem Körper bilden. Es ist und insbesondere .



Satz  

Sei eine Körpererweiterung und sei ein algebraisches Element. Es sei das Minimalpolynom von .

Dann gibt es eine kanonische - Algebraisomorphie

Beweis  

Die Einsetzung ergibt nach Korollar 14.4 den kanonischen -Algebrahomomorphismus

Das Bild davon ist genau , so dass ein surjektiver -Algebrahomomorphismus

vorliegt. Daher gibt es nach Satz 16.3 eine Isomorphie zwischen und dem Restklassenring von modulo dem Kern der Abbildung. Der Kern ist aber nach Lemma 21.10 das vom Minimalpolynom erzeugte Hauptideal.



Lemma  

Sei eine Körpererweiterung und sei ein algebraisches Element. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Das Minimalpolynom von über ist irreduzibel.
  2. Wenn ein normiertes, irreduzibles Polynom mit ist, so handelt es sich um das Minimalpolynom.

Beweis  

  1. Es sei eine Faktorzerlegung des Minimalpolynoms. Dann gilt in die Beziehung

    Da ein Körper ist, muss ein Faktor sein, sagen wir . Da aber unter allen Polynomen , die annullieren, den minimalen Grad besitzt, müssen und den gleichen Grad besitzen und folglich muss konstant (), also eine Einheit sein.

  2. Wegen ist aufgrund von Lemma 21.10 ein Vielfaches des Minimalpolynoms , sagen wir . Da nach Voraussetzung irreduzibel ist, und da zumindest den Grad besitzt, muss konstant sein. Da schließlich sowohl  als auch normiert sind, ist .



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