Zum Inhalt springen

Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013)/Vorlesung 27/kontrolle

Aus Wikiversity

Zu einer endlichen Untergruppe liegt im Quotienten im Bildpunkt von eine Singularität vor, dagegen ist glatt. Wir stellen uns die folgenden Fragen:

Kann man es dieser glatten offenen Menge ansehen, dass sie nur durch einen singulären Punkt zu einer affinen Varietät abgeschlossen wird (oder könnte man sie auch durch einen glatten Punkt abschließen)?

Kann man die Gruppe , mit der wir definiert haben, aus intrinsischen Eigenschaften von oder von rekonstruieren?

Sind die zu den unterschiedlichen auftretenden Quotienten untereinander verschieden?

Wir werden all diese Fragen positiv beantworten, wobei wir eine wichtige topologische Konstruktion einsetzen, nämlich die Fundamentalgruppe.



Die Fundamentalgruppe

Es sei ein topologischer Raum, den wir als wegzusammenhängend voraussetzen wollen, zu je zwei Punkten gibt es also einen stetigen Weg

mit und .

Zwei Wege

heißen homotop, wenn es eine stetige Abbildung (die eine Homotopie zwischen und genannt wird)

gibt, für die

für alle gilt. Zu jedem festen ist ein stetiger Weg von nach . Man schreibt für homotope Wege. Die Homotopie ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge der stetigen Wege von nach . Ein Weg heißt geschlossen, wenn ist, wenn also der Startpunkt mit dem Endpunkt übereinstimmt. Dieser Punkt heißt dann auch Aufpunkt des Weges. Häufig betrachtet man stetige geschlossene Wege in als stetige Abbildungen .

Zwei stetige geschlossene Wege kann man miteinander verknüpfen, indem man zuerst den einen Weg und anschließend den anderen Weg durchläuft. Als Definitionsbereich erhält man dabei das Intervall . Man kann aber, indem man die beiden Wege doppelt so schnell durchläuft, auch das Einheitsintervall als Definitionsbereich wählen. Wichtig ist, dass zu geschlossenen homotopen Wegen und auch die Verknüpfungen und homotop sind. Dies erlaubt eine Verknüpfung auf der Menge der Äquivalenzklassen von homotopen geschlossenen Wegen mit Aufpunkt , die mit bezeichnet wird. Diese Menge ist mit dem konstanten Weg (also der Homotopieklasse des konstanten Weges) als neutralem Element eine Gruppe, die die Fundamentalgruppe von heißt. Die Assoziativität ist dabei nicht völlig selbstverständlich, da drei geschlossene Weg je nach Klammerung zu unterschiedlichen Wegen auf dem Einheitsintervall führen. Die entstehenden Wege sind aber homotop, sodass auf den Homotopieklassen die Assoziativität gilt. Die inverse Homotopieklasse ist durch den entgegengesetzt durchlaufenen Weg gegeben. Deren Verknüpfung ist in der Tat homotop zum konstanten Weg, oder, wie man auch sagt, nullhomotop.


Ein topologischer Raum heißt einfach zusammenhängend, wenn er wegzusammenhängend ist und wenn jeder stetige geschlossene Weg in nullhomotop ist.

Der einfache Zusammenhang bedeutet, dass ist (für einen beliebigen Aufpunkt ).

Die Fundamentalgruppe der punktierten reellen Ebene ist , man spricht von der Windungszahl des Weges.



Ein topologischer Raum heißt kontrahierbar (oder zusammenziehbar) auf einen Punkt , wenn es eine stetige Abbildung

derart gibt, dass die Eigenschaften

  1. ,
  2. ,
  3. für alle

gelten.

Beispielsweise ist der kontrahierbar und nach dem folgenden Satz auch einfach zusammenhängend.


Satz Satz 27.3 ändern

Die Fundamentalgruppe eines kontrahierbaren Raumes

ist trivial.

Zu einer stetigen Abbildung

und einem Punkt mit induziert ein stetiger geschlossener Weg mit Aufpunkt einen stetigen geschlossenen Weg in mit Aufpunkt . Diese Zuordnung ist mit Homotopien von Wegen verträglich, d.h. wenn zwei homotope Wege in mit Aufpunkt sind, so sind auch und homotop. Daher gibt es eine wohldefinierte Abbildung

Diese Abbildung ist sogar ein Gruppenhomomorphismus.

Die Berechnung der Fundamentalgruppe ist im Allgemeinen schwierig. Ein wichtiges Hilfsmittel sind Überlagerungen.


Es seien und topologische Räume. Eine stetige Abbildung

heißt Überlagerung, wenn es eine offene Überdeckung und eine Familie diskreter topologischer Räume , , derart gibt, dass homöomorph zu (versehen mit der Produkttopologie) ist, wobei die Homöomorphien mit den Abbildungen nach verträglich sind.

Zu einer stetigen Abbildung und einem stetigen Weg

nennt man einen stetigen Weg

mit

eine Liftung von . Bei einem geschlossenen Weg verlangt man dabei nicht, dass die Liftung wieder geschlossen ist. Zu einer Überlagerung und einem vorgegebenen Punkt über gibt es eine eindeutige Liftung mit



Zur Fundamentalgruppe der Quotientensingularitäten

Sei . Wir wollen zeigen, dass man die operierende Gruppe im Quotienten wiederfinden kann, und zwar als Fundamentalgruppe der punktierten Singularität, also des Quotienten ohne den singulären Punkt.

Zuerst zeigen wir, dass die Fundamentalgruppe (des Spektrums) einer positiv-graduierten Algebra trivial ist.



Es sei eine positiv-graduierte endlich erzeugte - Algebra.

Dann ist kontrahierbar und die Fundamentalgruppe ist trivial.

Es ist eine abgeschlossene Teilmenge, die unter der Operation

mit

von abgeschlossen ist, wobei die die positiven Grade der Erzeuger der Algebra bezeichnen. Es genügt daher, eine Kontraktion des affinen Raumes auf den Nullpunkt anzugeben, die mit den Bahnen der Operation verträglich ist. Dazu setzen wir die Operationsabbildung zu einer Abbildung

mit der gleichen Vorschrift fort. Wegen ist dies wohldefiniert und algebraisch, also insbesondere stetig. Für ist dies die Nullabbildung und für die Identität. Für jedes wird der Nullpunkt auf sich abgebildet. Die auf die Verbindungsstrecke von nach eingeschränkte Abbildung

ist somit eine kontrahierende Abbildung auf den Nullpunkt. Nach Satz 27.3 ist die Fundamentalgruppe trivial.


Zu einer endlich erzeugten zusammenhängenden -Algebra , einem maximalen Ideal und dem zugehörigen Punkt nennt man die Fundamentalgruppe von die lokale Fundamentalgruppe von in . Bei einer positiv graduierten -Algebra meint man mit der lokalen Fundamentalgruppe die lokale Fundamentalgruppe im Punkt, der zum irrelevanten Ideal gehört.

Im Fall der ADE-Singularitäten ist der Fixpunkt der Gruppenoperation und sein Bildpunkt im Quotienten ist der singuläre Punkt . Wenn man die beiden Punkte und herausnimmt, so erhält man eine Gruppenoperation von auf mit dem Quotienten . Wir werden gleich begründen, dass die Abbildung

eine Überlagerung ist und dass die Fundamentalgruppe von isomorph zu ist. Dazu zitieren wir ohne Beweis den folgenden Satz.


Satz Satz 27.6 ändern

Es sei eine endliche Gruppe, die auf einem einfach zusammenhängenden Hausdorff-Raum fixpunktfrei operiere.

Dann ist

eine Überlagerung und die Fundamentalgruppe des Bahnenraumes ist gleich .



Es sei eine endliche Untergruppe mit der zugehörigen zweidimensionalen speziellen Quotientensingularität . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Operation von auf ist fixpunktfrei.
  2. Die lokale Fundamentalgruppe von ist gleich , wobei der singuläre Punkt von ist.

(1). Die zu gehörende lineare Abbildung besitze einen Fixpunkt . Dann ist dies ein Eigenvektor zum Eigenwert . Da nach Satz 3.19 diagonalisierbar ist, ist in einer geeigneten Basis

und wegen ist , also ist die Identität.
(2) folgt aus (1) und Satz 27.6, unter Berücksichtigung von Aufgabe 15.11 und Aufgabe 27.11.


Dies beantwortet die eingangs erwähnten Fragen positiv. Für die erste Frage muss man wissen, dass eine komplex-zweidimensionale affine glatte Varietät in jedem ihrer Punkte eine triviale lokale Fundamentalgruppe besitzt, da eine offene Umgebung des glatten Punktes diffeomorph zu einem offenen Ball im ist und ein solcher punktierter Ball eine triviale Fundamentalgruppe besitzt.



<< | Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013) | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)