Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 24

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Wir besprechen weitere polynomiale orthonomale System in -Räumen.



Legendre-Polynome

Definition  

Unter dem -ten Legendre-Polynom versteht man das Polynom

Die ersten sechs Legendre-Polynome im für die Orthogonalitsärelation entscheidenden Intervall .

Aus der Definition ist ablesbar, dass das -te Legendre-Polynom den Grad besitzt. Die ersten Legendre-Polynome lauten.



Satz  

Die Legendre-Polynome , ,

bilden ein Orthogonalsystem in . Die normierten (im Sinne der -Norm) Legendre-Polynome entstehen aus den Potenzen mit dem Orthonormalisierungsverfahren und bilden ein vollständiges Orthonormalsystem.

Beweis  

Wir schreiben

es ist also

Für ergibt sich mit iterierter partieller Integration und da für den Faktor enthält

Bei ist dies gleich , da eine Stammfunktion von ist und den Faktor enthält. Es liegt also ein Orthogonalsystem vor.

Bei ist der Ausdruck nach Aufgabe 25.2 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) gleich

Somit ist insbesondere

und daher ist unter Verwendung der bewiesenen Orthogonalitätsrelation und von Aufgabe 24.2

Somit bilden die ein Orthonormalsystem. Wegen

und da die Leitkoeffizienten der positiv ist, ergeben sich die normierten Legendre-Polynomen auch beim Orthonormalisierungsverfahren. Die Vollständigkeit ergibt sich aus Korollar 20.12 und aus dem Weierstrassschen Approximationssatz.



Tschebyschow-Polynome

Wir betrachten das Intervall als Maßraum mit dem Maß , das durch die Dichte bezüglich dem Lebesgue-Maß gegeben ist. Diese Funktion beschreibt den Kehrwert des oberen Halbkreises, dadurch werden die Ränder stark gewichtet, eine Stammfunktion dieser Dichte ist gemäß Aufgabe 21.7 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)). Die Zugehörigkeit einer messbaren Funktion zu bedeutet

Dieses maßtheoretische Integral ist für eine stetige Funktion ein uneigentliches Integral, dessen Existenz aus Aufgabe 31.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) folgt. Das Skalarprodukt auf für bezüglich der Dichte quadratintegrierbare Funktionen ist durch

gegeben.


Definition  

Unter dem -ten Tschebyschow-Polynom versteht man das Polynom

Die ersten fünf Tschebyschow-Polynome im für die Orthogonalitätsrelation entscheidenden Intervall . Der Wertebereich auf diesem Intervall ist ebenfalls , obwohl die Leitkoeffizienten große Zweierpotenzen sind.

Aus der Definition ist ablesbar, dass das -te Tschebyschow-Polynom den Grad besitzt. Die ersten Tschebyschow-Polynome lauten.



Satz  

Für das -te Tschebyschow-Polynom gilt

für alle .

Beweis  

Nach Satz 15.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))  (1) und Satz 15.7 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) ist

Wenn wir die rechte Seite ausmultiplizieren erhalten wir mit Satz 3.9 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))

Der Vergleich der Realteile bei reell und Satz 15.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))  (6) ergibt

Als eine Gleichheit für analytische Funktionen gilt sie auch für alle .

Für reelles zwischen und ist der Kosinus nach Korollar 21.4 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) bijektiv und es gibt ein eindeutiges mit bzw. . Somit kann man auf diesen reellen Intervallen Satz 24.4 auch also

schreiben.



Lemma  

Die Tschebyschow-Polynome erfüllen die Rekursionsbedingungen

, und

Beweis  

Eine doppelte Anwendung des Additionstheorems für den Kosinus ergibt mit Satz 24.4

für alle . Daher muss überhaupt die behauptete polynomiale Identität vorliegen.


Aus dieser Rekursionsformel ergibt sich unmittelbar, dass der Leitkoeffizient von gleich ist. Gelegentlich betrachtet man auch die normierten Tschebyschow-Polynome, bei denen man einfach durch teilt.



Lemma  

Die Tschebyschow-Polynome erfüllen im Reellen die folgenden Eigenschaften.

  1. Das Bild von unter liegt in .
  2. besitzt die reellen Nullstellen , , die alle in liegen. Diese Nullstellen sind einfach und besitzt (auch in ) keine weiteren Nullstellen.
  3. Die Extrema von auf werden in den Punkten , , mit den Werten angenommen. Für sind dies die lokalen Extrema von .

Beweis  

Wir arbeiten für mit der Darstellung

die sich aus Satz 24.4 ergibt. Die Aussagen folgen dann aus Korollar 21.4 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)). Dass die Nullstellen einfach sind und dass es auch im Komplexen keine weiteren Nullstellen gibt folgt aus Korollar 11.7 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)), da den Grad besitzt. Dass es nicht mehr lokale Extrema geben kann folgt aus Satz 19.1 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).



Korollar  

Es sei ein reelles normiertes Polynom vom Grad .

Dann ist

Beweis  

Wir betrachten die normierten Tschebyschow-Polynome

die normiert sind und deren Bild von nach Lemma 24.6 in liegt, wobei die Maxima bzw. Minima in den Punkten  mit abwechselnd angenommen werden. Nehmen wir an, es gebe ein normiertes Polynom , dessen Betrag auf überall echt kleiner als ist. Wir betrachten das Differenzpolynom . Dieses Polynom hat an den Stellen, wo den maximalen Wert annimmt, einen positiven Wert, und an den Stellen, wo den minimalen Wert annimmt, einen negativen Wert. Da die Extrema von sich abwechseln, besitzt zumindest Vorzeichenwechsel und somit nach dem Zwischenwertsatz zumindest Nullstellen. Da aber die Differenz von zwei normierten Polynomen vom Grad ist, besitzt höchstens den Grad und kann nach Korollar 11.7 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) höchstens Nullstellen besitzen.



Satz  

Die Tschebyschow-Polynome

bilden ein Orthogonalsystem in bezüglich des Maßes mit der Dichte .

Die Familie und , , bilden ein vollständiges Orthonormalsystem.

Beweis  

Es ist

Mit der Substitution (vergleiche Lemma 27.8 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))) kann man dies unter Verwendung von Satz 24.4 überführen in

Mit dem Additionstheorem für den Kosinus in der Form kann man dies als

schreiben. Beide Integral sind gleich , außer bei , in diesem Fall ist bei das Ergebnis und bei gleich . Die Vollständigkeit ergibt sich aus dem Weierstrassschen Approximationssatz und aus Korollar 20.10.


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