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Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil I/Vorlesung 16

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Eigentheorie

Unter einer Achsenspiegelung in der Ebene verhalten sich gewisse Vektoren besonders einfach. Die Vektoren auf der Spiegelungsachse werden auf sich selbst abgebildet, und die dazu senkrechten Vektoren werden auf ihr Negatives abgebildet. Beiden Vektoren ist gemeinsam, dass ihr Bild unter der linearen Abbildung in dem von diesem Vektor aufgespannten eindimensionalen Unterraum bleibt. In der Theorie der Eigenwerte und Eigenvektoren untersucht man, ob es zu einer linearen Abbildung Geraden (also eindimensionale Unterräume) gibt, die unter der Abbidung auf sich selbst abgebildet werden.

Eine Achsenspiegelung besitzt zwei Eigengeraden, die Spiegelungsachse zum Eigenwert und die dazu senkrechte Gerade zum Eigenwert .

Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und

eine lineare Abbildung. Dann heißt ein Element , , ein Eigenvektor von (zum Eigenwert ), wenn

mit einem gilt.

Eine Scherung hat eine Eigengerade zum Eigenwert und keine weitere Eigenwerte.

Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und

eine lineare Abbildung. Dann heißt ein Element ein Eigenwert zu , wenn es einen von verschiedenen Vektor mit

gibt.


Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und

eine lineare Abbildung. Zu nennt man

den Eigenraum von zum Wert .

Wir erlauben also beliebige Werte in der Definition der Eigenräume. Einen eindimensionalen Eigenraum nennen wir auch Eigengerade.



Es sei ein Körper, ein - Vektorraum

eine lineare Abbildung und . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Der Eigenraum

    ist ein Untervektorraum von .

  2. ist genau dann ein Eigenwert zu , wenn der Eigenraum nicht der Nullraum ist.
  3. Ein Vektor , ist genau dann ein Eigenvektor zu , wenn ist.

Beweis

Siehe Aufgabe 16.1.


Für Matrizen verwenden wir die entsprechenden Begriffe. Ist eine lineare Abbildung und eine beschreibende Matrix bezüglich einer Basis, so gilt für einen Eigenwert und einen Eigenvektor mit dem Koordinatentupel bezüglich dieser Basis die Beziehung . Die Matrix bezüglich einer weiteren Basis steht dann in der Beziehung mit einer invertierbaren Matrix . Es sei das Koordinatentupel bezüglich der anderen Basis. Dann ist

d.h. die beschreibenden Matrizen besitzen dieselben Eigenwerte, wobei sich allerdings die beschreibenden Koordinatentupel für die Eigenvektoren mit den Basen ändern.


Wir betrachten die durch eine Diagonalmatrix

gegebene lineare Abbildung

Die Diagonaleinträge sind Eigenwerte von , und zwar ist der -te Standardvektor ein zugehöriger Eigenvektor. Die Eigenräume sind

Diese Räume sind genau dann von verschieden, wenn mit einem Diagonaleintrag übereinstimmt. Die Dimension der Eigenräume ist durch die Anzahl gegeben, wie oft der Wert in der Diagonalen vorkommt. Die Summe dieser Dimensionen ergibt .



Wir betrachten die durch die Matrix

definierte lineare Abbildung

Die Frage, ob diese Abbildung Eigenwerte besitzt, führt zur Frage, ob es derart gibt, dass die Gleichung

eine nichttriviale Lösung besitzt. Bei gegebenem kann dies auf ein lineares Problem zurückgeführt werden, das mit dem Eliminationsalgorithmus einfach gelöst werden kann. Die Frage aber, ob es Eigenwerte überhaupt gibt, führt wegen des variablen „Eigenwertparameters“ zu einem nichtlinearen Problem. Das obige Gleichungssystem bedeutet ausgeschrieben

Bei ist auch , der Nullvektor ist aber kein Eigenvektor. Es sei also . Aus den beiden Gleichungen erhält man die Bedingung

woraus folgt. Da in die Zahl keine Quadratwurzel besitzt, gibt es keine Lösung und das bedeutet, dass keine Eigenwerte und damit auch keine Eigenvektoren besitzt.

Wir fassen nun die Matrix als eine reelle Matrix auf und untersuchen die zugehörige Abbildung

Die gleichen Rechnungen führen auf die notwendige Lösungsbedingung , die jetzt von den beiden reellen Zahlen

erfüllt wird. Für diese beiden Werte kann man unabhängig voneinander nach Eigenvektoren suchen. Wir betrachten zuerst den Fall , was zum linearen Gleichungssystem

führt. Dies schreibt man als

bzw. als lineares Gleichungssystem

Dieses ist einfach lösbar, der Lösungsraum ist eindimensional und

ist eine Basislösung.

Für führen dieselben Umformungen zu einem weiteren linearen Gleichungssystem, für das der Vektor

eine Basislösung ist. Über sind also und Eigenwerte und die zugehörigen Eigenräume sind




Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und

eine lineare Abbildung.

Dann ist

Insbesondere ist genau dann ein Eigenwert von , wenn nicht injektiv ist.

Beweis

Siehe Aufgabe 16.2.


Allgemeiner gilt die folgende Charakterisierung.


Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und

eine lineare Abbildung. Es sei .

Dann ist

Es sei . Dann ist genau dann, wenn ist, und dies ist genau bei der Fall, was man als schreiben kann.


Neben dem Eigenraum zu , der der Kern der linearen Abbildung ist, sind die Eigenwerte und besonders interessant. Der Eigenraum zu besteht aus allen Vektoren, die auf sich selbst abgebildet werden. Auf diesem Untervektorraum wirkt also die Abbildung wie die Identität, man nennt ihn den Fixraum. Der Eigenraum zu besteht aus allen Vektoren, die auf ihr Negatives abgebildet werden. Auf diesem Untervektorraum wirkt die Abbildung wie eine Punktspiegelung.




Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und

eine lineare Abbildung. Es seien Elemente in .

Dann ist

Beweis

Siehe Aufgabe 16.3.



Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und

eine lineare Abbildung. Es seien Eigenvektoren zu (paarweise) verschiedenen Eigenwerten .

Dann sind linear unabhängig.

Wir beweisen die Aussage durch Induktion nach . Für ist die Aussage richtig. Es sei die Aussage also für weniger als Vektoren bewiesen. Betrachten wir eine Darstellung der , also

Wir wenden darauf an und erhalten einerseits

Andererseits multiplizieren wir die obige Gleichung mit und erhalten

Die so entstandenen Gleichungen zieht man voneinander ab und erhält

Aus der Induktionsvoraussetzung folgt, dass alle Koeffizienten , , sein müssen. Wegen folgt  für und wegen ist dann auch .



Es sei ein Körper und es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei

eine lineare Abbildung.

Dann gibt es nur endlich viele Eigenwerte zu .

Beweis

Siehe Aufgabe 16.4.




Diagonalisierbarkeit

Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und

eine lineare Abbildung. Dann heißt diagonalisierbar, wenn eine Basis aus Eigenvektoren zu besitzt.



Es sei ein Körper und es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei

eine lineare Abbildung. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. ist diagonalisierbar.
  2. Es gibt eine Basis von derart, dass die beschreibende Matrix eine Diagonalmatrix ist.
  3. Für jede beschreibende Matrix bezüglich einer Basis gibt es eine invertierbare Matrix derart, dass

    eine Diagonalmatrix ist.

Die Äquivalenz von (1) und (2) folgt aus der Definition, aus Beispiel 16.5 und der Korrespondenz zwischen linearen Abbildungen und Matrizen. Die Äquivalenz von (2) und (3) folgt aus Korollar 13.11.



Es sei ein Körper und es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei

eine lineare Abbildung, die verschiedene Eigenwerte besitze.

Dann ist diagonalisierbar.

Aufgrund von Lemma 16.11 gibt es linear unabhängige Eigenvektoren. Diese bilden nach Korollar 11.13 eine Basis.



Wir schließen an Beispiel 16.6 an. Es gibt die beiden Eigenvektoren und zu den verschiedenen Eigenwerten und , sodass die Abbildung nach Korollar 16.15 diagonalisierbar ist. Bezüglich der Basis aus diesen Eigenvektoren wird die lineare Abbildung durch die Diagonalmatrix

beschrieben.

Die Übergangsmatrix von der Basis zur durch und gegebenen Standardbasis ist einfach

Die inverse Matrix dazu ist

Gemäß Korollar 13.11 besteht die Beziehung



Wir betrachten -Scherungsmatrizen

mit . Die Eigenwertbedingung für ein bedeutet

was zu den beiden Gleichungen

führt. Bei folgt und dann auch , d.h. es kann nur ein Eigenwert sein. In diesem Fall ist die zweite Gleichung erfüllt und die erste Gleichung wird zu

Bei muss also sein und dann ist der Eigenraum zum Eigenwert , und ist ein Eigenvektor, der den Eigenraum aufspannt. Bei liegt die Einheitsmatrix vor, und der Eigenraum zum Eigenwert ist die gesamte Ebene.




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