Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2008)/Vorlesung 5
- Homogene Komponenten
Es sei ein kommutativer Ring und der Polynomring über in Variablen. Dann heißt zu einem Monom
die Zahl
der Grad von . Zu einem Polynom heißt das Maximum
der Grad von .
Es sei ein kommutativer Ring und der Polynomring über in Variablen. Dann heißt zu einem Polynom mit die Zerlegung
mit
die homogene Zerlegung von . Die nennt man die homogenen Komponenten von zum Grad . Das Polynom selbst heißt homogen, wenn in der homogenen Zerlegung von nur ein vorkommt.
Das Polynom
hat den Grad und die homogenen Komponenten sind
Wenn man es als Polynom in auffasst und sich nur dafür interessiert, in welcher Potenz vorkommt, so spricht man vom -Grad. Der -Grad von ist . Es gibt natürlich auch eine homogene Zerlegung entlang der -Graduierung; dabei ist beispielsweise die Komponente zum -Grad gleich und zum -Grad gleich .
- Zur Anzahl der Punkte auf Kurven II
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei ein nichtkonstantes Polynom vom Grad , das die algebraische Kurve definiert.
Dann gibt es eine lineare Koordinatentransformation derart, dass in den neuen Koordinaten das transformierte Polynom die Form
besitzt.
Wir schreiben in homogener Zerlegung als
mit den homogenen Komponenten
Ein homogenes Polynom in zwei Variablen hat die gleichen Faktorisierungseigenschaften wie ein Polynom in einer Variablen. Da wir uns über einem algebraisch abgeschlossenen Körper befinden, gibt es eine Faktorisierung
Da eine -te Wurzel besitzt können wir durch Streckung der Variablen erreichen, dass ist. Da insbesondere unendlich ist, finden wir ein , das von allen verschieden ist. Wir schreiben die Gleichung in den neuen Variablen
und erhalten eine Gleichung , wo die Linearfaktoren von die Gestalt
(mit ) bzw. haben. Multipliziert man dies aus so sieht man, dass mit einem bestimmten Vorfaktor aus vorkommt, den wir wieder durch Streckung als annehmen können. Dann hat die Gestalt Terme, in denen maximal vorkommt. Die homogenen Komponenten von kleinerem Grad behalten auch ihren Grad, sodass in nur noch weitere Monome vom -Grad gibt.
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei ein nicht-konstantes Polynom, das die algebraische Kurve definiert. Dann besitzt unendlich viele Elemente.
Aufgrund von Satz 5.3 können wir annehmen, dass die Gestalt hat
mit Polynomen . Zu jedem beliebig vorgegebenen Wert für ergibt sich also ein normiertes Polynom in vom Grad . Da der Körper algebraisch abgeschlossen ist, gibt es jeweils (mindestens) eine Nullstelle in . D.h. zu jedem gibt es ein derart, dass eine Nullstelle von ist, also zur Kurve gehört. Da unendlich ist, gibt es also unendlich viele Punkte auf der Kurve.
- Polynomiale Abbildungen zwischen affinen Räumen
Wir betrachten nun Abbildungen
wobei die Komponentenfunktionen Polynome sind. Die Abbildung wird also in jeder Komponenten durch ein Polynom in Variablen gegeben. Der Fall ist der eines Polynoms in Variablen, der Fall und ist der Fall der Parametrisierung von algebraischen Kurven. Später werden wir allgemeiner Morphismen zwischen affin-algebraischen Mengen definieren.
Eine wichtige „Begleiterscheinung“ einer polynomialen Abbildung ist, dass sie einen -Algebra-Homomorphismus zwischen den zugehörigen Polynomringen in die entgegengesetzte Richtung induziert, nämlich den durch definierten Einsetzungshomomorphismus. Diesen bezeichnen wir mit
(die Schreibweise bedeutet, dass die Variable durch zu ersetzen ist). Als Funktion auf betrachtet ist die hintereinandergeschaltete Abbildung
Für die Nullstellenmenge gilt dabei
Die einfachsten polynomialen Abbildungen sind, neben den konstanten Abbildungen, die affin-linearen Abbildungen, die durch affin-lineare Polynome gegeben sind, also
Man beachte, dass dies keine linearen Abbildungen sind, da der Nullpunkt nicht auf den Nullpunkt gehen muss, sondern auch Verschiebungen zugelassen sind. Eine affin-lineare Abbildung ist die Hintereinanderschaltung einer linearen Abbildung und einer Verschiebung. Im Fall betrachtet man eine solche affin-lineare Abbildung, wenn sie zusätzlich bijektiv ist, als eine (Koordinaten- oder Variablen-)Transformation des Raumes.
Es sei ein Körper. Dann nennt man eine Abbildung der Form
wobei eine invertierbare Matrix ist, eine affin-lineare Variablentransformation.
Man kann sich dabei darüber streiten, ob bei einer linearen Variablentransformation im Raum etwas bewegt wird oder ob sich nur die Koordinaten ändern. Jedenfalls sind solche Transformationen wichtige Hilfsmittel, um ein Polynom, ein algebraisches Gleichungssystem oder eine affin-algebraische Menge auf eine einfachere Gestalt zu bringen. Unter einer Variablentransformation wird eine affin-algebraische Menge zu (mit ) transformiert, und zwar ist dann das Urbild unter der Abbildung .
Zwei affin-algebraische Mengen heißen affin-linear äquivalent, wenn es eine affin-lineare Variablentransformation mit
gibt.
Dies ist also ein Begriff, der Bezug darauf nimmt, wie die Situation eingebettet ist. Wir werden später sehen, dass die Parabel und eine Gerade in der Ebene „isomorph“ sind (da sie beide isomorph zur affinen Geraden sind), aber nicht linear äquivalent.
Die wesentlichen algebraischen und topologischen Eigenschaften einer affin-algebraischen Menge bleiben unter einer affin-linearen Variablentransformation erhalten: Irreduzibilität, Singularitäten (später), Überschneidungen, Zusammenhang, Kompaktheit. Dagegen verändern sich typische Eigenschaften der reell-metrischen Geometrie: Winkel, Längen und Längenverhältnisse, Volumina, Formen. Diese zuletzt genannten Begriffe sind nicht relevant für die algebraische Geometrie. Wir werden von nun an ohne große Betonung eine Situation in eine gewünschte Gestalt transformieren, so fern das möglich ist.
Es sei ein Körper und seien zwei affin-algebraische Teilmengen, die affin-linear äquivalent seien. Es seien die zugehörigen Verschwindungsideale.
Dann sind die Restklassenringe (als -Algebren) isomorph, also
Nach Definition von affin-linear äquivalent gibt es eine affin-lineare Variablentransformation
mit . Es sei der zugehörige Automorphismus des Polynomrings . Dabei ist
Nach dem Isomorphiesatz folgt die Isomorphie der Restklassenringe.
Bemerkung
In diesem Satz kommt zum ersten Mal ein wichtiges Prinzip der algebraischen Geometrie zum Ausdruck, nämlich, dass das algebraische Objekt, das zu einer Nullstellenmenge gehört, der Restklassenring des Polynomringes nach dem Verschwindungsideal ist. Dies ist eine „intrinsische Invariante“ der Nullstellenmenge, d.h., unabhängig von einer Einbettung. Unter dieser Betrachtungsweise rückt auch die Noethersche Normalisierung im ebenen Fall in ein neues Licht. Man kann unter den Voraussetzungen der Aussage annehmen, dass die Kurvengleichung die Form
besitzt. Wenn man dieses Polynom „gleich null setzt“, so bedeutet dies eine Ganzheitsgleichung für . Genauer, über dem Polynomring in einer Variablen ist die Restklasse von im Restklassenring ganz. Diese Begriffe sind vielleicht aus der elementaren Zahlentheorie bekannt und werden auch hier wieder eine wichtige Rolle spielen. Da über den Polynomring erzeugt, liegt überhaupt eine ganze (sogar endliche) Ringerweiterung
vor. Damit kann man den Noetherschen Normalisierungssatz auch so formulieren, dass sich über einem algebraisch abgeschlossenen Körper zu jeder algebraischen Kurve der zugehörige Restklassenring als endliche Erweiterung des Hauptidealbereiches realisieren lässt. Dies ist eine direkte Analogie zu den Ganzheitsringen der Zahlentheorie, die ebenfalls endliche Erweiterungen über dem Hauptidealbereich sind.
Unter beliebigen polynomialen Abbildungen zwischen affinen Räumen können sich, im Gegensatz zu affin-linearen Transformationen, viele algebraische Eigenschaften ändern, die Dimension kann sich ändern, Singularitäten können entstehen, etc. Dagegen überträgt sich die Irreduzibilität auf
(den Zariski-Abschluss des) das Bild der Abbildung.
Es sei ein unendlicher Körper und
sei eine durch Polynome in Variablen gegebene Abbildung.
Dann ist der Zariski-Abschluss des Bildes der Abbildung irreduzibel.
Es sei das Bild der Abbildung. Nach Lemma 3.8 ist
Nun gilt für mit und für die Beziehung
wobei das Polynom ist, das sich ergibt, wenn man in die Variable durch die -te Koeffizientenfunktion ersetzt. Daher ist genau dann, wenn ist, und verschwindet auf ganz genau dann, wenn auf dem ganzen verschwindet. Da unendlich ist, bedeutet dies, dass das Nullpoynom ist. Daher gilt, dass ist genau dann, wenn unter dem zugehörigen Ringhomomorphismus
auf abgebildet wird. Damit ist das Urbild eines Primideals (nämlich des Nullideals) und somit nach Aufgabe ***** selbst ein Primideal. Aufgrund von Lemma 4.2 ist irreduzibel.