Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2015)/Vorlesung 5
Es bestehen viele und weitreichende Parallelen zwischen dem Ring der ganzen Zahlen und einem Polynomring in einer Variablen über einem Körper. Grundlegend ist, dass man in beiden Situation eine Division mit Rest durchführen kann.
- Division mit Rest in
Zu einer ganzen Zahl ist die Menge
aller Vielfachen von eine Untergruppe von . Wir wollen zeigen, dass jede Untergruppe der ganzen Zahlen diese Gestalt besitzt, also von einem Element erzeugt wird.
Es sei eine fixierte positive natürliche Zahl.
Dann gibt es zu jeder ganzen Zahl eine eindeutig bestimmte ganze Zahl und eine eindeutig bestimmte natürliche Zahl , , mit
Zur Existenz. Bei ist eine Lösung. Es sei positiv. Da positiv ist, gibt es ein Vielfaches . Daher gibt es auch eine Zahl mit und . Es sei . Dann ist
und daher ist wie gewünscht. Bei negativ kann man schreiben nach dem Resultat für positive Zahlen. Daraus ergibt sich
Im zweiten Fall erfüllen
und
die Bedingungen.
Zur Eindeutigkeit. Es sei , wobei die Bedingungen jeweils erfüllt seien. Es sei ohne Einschränkung . Dann gilt . Diese Differenz ist nichtnegativ und kleiner als , links steht aber ein Vielfaches von , sodass die Differenz sein muss und die beiden Darstellungen überein stimmen.
In der Notation des vorstehenden Satzes soll an Quotient und an Rest erinnern. Die Division mit Rest kann man auch so verstehen, dass man jede rationale Zahl als
schreiben kann, wobei die größte ganze Zahl bedeutet und der rationale Rest die Bedingungen erfüllt. In dieser Form kann man auch eine Division mit Rest für jede reelle Zahl aus den Axiomen der reellen Zahlen beweisen.
Die Untergruppen von sind genau
die Teilmengen der Form
mit einer eindeutig bestimmten nichtnegativen Zahl .
Eine Teilmenge der Form ist aufgrund des Distributivgesetzes eine Untergruppe. Es sei umgekehrt eine Untergruppe. Bei kann man nehmen, sodass wir voraussetzen dürfen, dass neben noch mindestens ein weiteres Element enthält. Wenn negativ ist, so muss die Untergruppe auch das Negative davon, also enthalten, welches positiv ist. D.h. enthält auch positive Zahlen. Es sei nun die kleinste positive Zahl aus . Wir behaupten . Dabei ist die Inklusion klar, da mit alle (positiven und negativen) Vielfachen von dazugehören müssen. Für die umgekehrte Inklusion sei beliebig. Nach der Division mit Rest gilt
Wegen und ist auch . Nach der Wahl von muss wegen gelten: . Dies bedeutet und damit , also .
- Division mit Rest in
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es seien Polynome mit .
Dann gibt es eindeutig bestimmte Polynome mit
Wir beweisen die Existenzaussage durch Induktion über den Grad von . Wenn der Grad von größer als der Grad von ist, so ist und eine Lösung, sodass wir dies nicht weiter betrachten müssen. Bei ist nach der Vorbemerkung auch , also ist ein konstantes Polynom, und damit ist (da und ein Körper ist) und eine Lösung. Es sei nun und die Aussage für kleineren Grad schon bewiesen. Wir schreiben und mit . Dann gilt mit die Beziehung
Dieses Polynom hat einen Grad kleiner als und darauf können wir die Induktionsvoraussetzung anwenden, d.h. es gibt und mit
Daraus ergibt sich insgesamt
sodass also
und
eine Lösung ist.
Zur Eindeutigkeit sei
mit den angegebenen Bedingungen. Dann ist
.
Da die Differenz einen Grad kleiner als besitzt, ist aufgrund der Gradeigenschaften diese Gleichung nur bei
und
lösbar.
Die Berechnung der Polynome
und
heißt Polynomdivision. Wir geben dazu ein Beispiel über den rationalen Zahlen.
Wir führen die Polynomdivision
(über ) durch. Es wird also ein Polynom vom Grad durch ein Polynom vom Grad dividiert, d.h. dass der Quotient und auch der Rest (maximal) vom Grad sind. Im ersten Schritt überlegt man, mit welchem Term man multiplizieren muss, damit das Produkt mit im Leitterm übereinstimmt. Das ist offenbar . Das Produkt ist
Die Differenz von zu diesem Produkt ist
Mit diesem Polynom, nennen wir es , setzen wir die Division durch fort. Um Übereinstimmung im Leitkoeffizienten zu erhalten, muss man mit multiplizieren. Dies ergibt
Die Differenz zu ist somit
Dies ist das Restpolynom und somit ist insgesamt
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom und .
Dann ist genau dann eine Nullstelle von , wenn ein Vielfaches des linearen Polynoms ist.
Wenn ein Vielfaches von ist, so kann man
mit einem weiteren Polynom schreiben. Einsetzen ergibt
Im Allgemeinen gibt es aufgrund der Division mit Rest eine Darstellung
wobei oder aber den Grad besitzt, also so oder so eine Konstante ist. Einsetzen ergibt
Wenn also ist, so muss der Rest sein, und das bedeutet, dass ist.
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Es sei ein Polynom () vom Grad .
Dann besitzt maximal Nullstellen.
Wir beweisen die Aussage durch Induktion über . Für ist die Aussage offensichtlich richtig. Es sei also und die Aussage sei für kleinere Grade bereits bewiesen. Es sei eine Nullstelle von (falls keine Nullstelle besitzt, sind wir direkt fertig). Dann ist nach Lemma 5.5 und hat den Grad , sodass wir auf die Induktionsvoraussetzung anwenden können. Das Polynom hat also maximal Nullstellen. Für gilt . Dies kann nach Fakt ***** (5) nur dann sein, wenn einer der Faktoren ist, sodass eine Nullstelle von gleich ist oder aber eine Nullstelle von ist. Es gibt also maximal Nullstellen von .
Es sei ein Körper und sei der Polynomring über .
Dann besitzt jedes , , eine Produktzerlegung
mit und einem nullstellenfreien Polynom .
Dabei sind die auftretenden verschiedenen Zahlen und die zugehörigen Exponenten (bis auf die Reihenfolge) eindeutig bestimmt.
Beweis
Es gilt allgemeiner, dass die Zerlegung eines Polynoms in irreduzible Faktoren im Wesentlichen eindeutig ist. Das werden wir später behandeln.
- Der Fundamentalsatz der Algebra
Es gilt der folgende Fundamentalsatz der Algebra, den wir hier ohne Beweis erwähnen.
Jedes nichtkonstante Polynom über den komplexen Zahlen
besitzt eine Nullstelle.
Aus dem Fundamentalsatz der Algebra folgt, dass jedes von verschiedene Polynom in Linearfaktoren zerfällt, d.h. man kann
mit eindeutig bestimmten komplexen Zahlen schreiben (wobei Wiederholungen erlaubt sind).
- Euklidische Bereiche
Ringe, in denen man eine Division mit Rest sinnvoll durchführen kann, bekommen einen eigenen Namen.
Ein euklidischer Bereich (oder euklidischer Ring) ist ein Integritätsbereich , für den eine Abbildung existiert, die die folgende Eigenschaft erfüllt:
Für Elemente mit gibt es mit
Die in der Definition auftauchende Abbildung nennt man auch euklidische Funktion. Die ganzen Zahlen bilden also einen euklidischen Ring mit dem Betrag als euklidischer Funktion.
Für einen Körper ist der Polynomring in einer Variablen ein euklidischer Bereich, wobei die euklidische Funktion durch die Gradfunktion gegeben ist. Viele Parallelen zwischen dem Polynomring und beruhen auf dieser Eigenschaft. Die Gradfunktion hat die Eigenschaft
Eine Gaußsche Zahl ist durch gegeben, wobei und ganze Zahlen sind. Die Menge dieser Zahlen wird mit bezeichnet. Die Gaußschen Zahlen sind die Gitterpunkte, d.h. die Punkte mit ganzzahligen Koordinaten, in der komplexen Ebene. Sie bilden mit komponentenweiser Addition und mit der induzierten komplexen Multiplikation einen kommutativen Ring.
Eine euklidische Funktion ist durch die Norm gegeben, die durch definiert ist. Man kann auch schreiben, wobei die komplexe Konjugation bezeichnet. Die Norm ist das Quadrat des komplexen Absolutbetrages und wie dieser multiplikativ, also .
Mit der Norm lassen sich auch leicht die Einheiten von bestimmen: ist
,
so ist auch
,
also
.
Damit sind genau die Elemente diejenigen Gaußschen Zahlen, die Einheiten sind.
Der Ring der Gaußschen Zahlen ist mit der Normfunktion ein euklidischer Bereich.
Es seien , . Wir betrachten den Quotienten
Dies ist eine komplexe Zahl mit rationalen Koeffizienten, also . Es gibt ganze Zahlen mit . Damit ist
mit . Ferner ist
Multiplikation mit ergibt
Der rechte Summand gehört dabei zu , da man ihn als schreiben kann. Aus der Multiplikativität der Norm folgt