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Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil I/Vorlesung 11

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Lineare Unabhängigkeit

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Dann heißt eine Familie von Vektoren , , linear unabhängig, wenn eine Gleichung

nur bei für alle möglich ist.

Wenn eine Familie nicht linear unabhängig ist, so nennt man sie linear abhängig. In der Definition sind unendliche Indexmengen erlaubt. Man kann sich aber ohne Verständnisverlust zunächst auf endliche Indexmengen beschränken, dann lautet die Bedingung einfach, dass eine Gleichung

nur dann möglich ist, wenn alle sind. Man nennt übrigens eine Linearkombination eine Darstellung des Nullvektors. Sie heißt die triviale Darstellung, wenn alle Koeffizienten null sind, andernfalls, wenn also mindestens ein Koeffizient nicht null ist, spricht man von einer nichttrivialen Darstellung der Null. Eine Familie von Vektoren ist genau dann linear unabhängig, wenn man mit ihnen nur auf die triviale Art den Nullvektor darstellen kann. Dies ist auch äquivalent dazu, dass man keinen Vektor aus der Familie als Linearkombination der anderen ausdrücken kann.



Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und , , eine Familie von Vektoren in . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Wenn die Familie linear unabhängig ist, so ist auch zu jeder Teilmenge die Familie  , , linear unabhängig.
  2. Die leere Familie ist linear unabhängig.
  3. Wenn die Familie den Nullvektor enthält, so ist sie nicht linear unabhängig.
  4. Wenn in der Familie ein Vektor mehrfach vorkommt, so ist sie nicht linear unabhängig.
  5. Ein einzelner Vektor ist genau dann linear unabhängig, wenn ist.
  6. Zwei Vektoren und sind genau dann linear unabhängig, wenn weder ein skalares Vielfaches von ist noch umgekehrt.

Beweis

Siehe Aufgabe 11.4.




Basen

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Dann heißt ein linear unabhängiges Erzeugendensystem , , von eine Basis von .


Es sei ein Körper und . Dann nennt man zu den Vektor

wobei an der -ten Stelle steht, den -ten Standardvektor. Die Vektoren
nennt man die Standardbasis des .

Eine Standardbasis ist wirklich eine Basis, siehe Aufgabe 11.6. In einem beliebigen Vektorraum gibt es keine Standardbasis!



Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Es sei eine Familie von Vektoren. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. Die Familie ist eine Basis von .
  2. Die Familie ist ein minimales Erzeugendensystem, d.h. sobald man einen Vektor weglässt, liegt kein Erzeugendensystem mehr vor.
  3. Für jeden Vektor gibt es genau eine Darstellung
  4. Die Familie ist maximal linear unabhängig, d.h. sobald man irgendeinen Vektor dazunimmt, ist die Familie nicht mehr linear unabhängig.

Wir führen einen Ringschluss durch. . Die Familie ist ein Erzeugendensystem. Nehmen wir einen Vektor, sagen wir , aus der Familie heraus. Wir müssen zeigen, dass dann die verbleibende Familie, also kein Erzeugendensystem mehr ist.  Wenn sie ein Erzeugendensystem wäre, so wäre insbesondere als Linearkombination der Vektoren darstellbar, d.h. man hätte

Dann ist aber

eine nichttriviale Darstellung der , im Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit der Familie. . Nach Voraussetzung ist die Familie ein Erzeugendensystem, sodass sich jeder Vektor als Linearkombination darstellen lässt.  Angenommen, es gibt für ein eine mehrfache Darstellung, d.h.

wobei mindestens ein Koeffizient verschieden sei. Ohne Einschränkung sei . Dann erhält man die Beziehung

Wegen kann man durch diese Zahl dividieren und erhält eine Darstellung von durch die anderen Vektoren. Nach Aufgabe 11.1 ist auch die Familie ohne ein Erzeugendensystem von , im Widerspruch zur Minimalität. . Wegen der eindeutigen Darstellbarkeit besitzt insbesondere der Nullvektor nur die triviale Darstellung, d.h. die Vektoren sind linear unabhängig. Nimmt man einen Vektor hinzu, so besitzt dieser eine Darstellung

und daher ist

eine nichttriviale Darstellung der , sodass die verlängerte Familie nicht linear unabhängig ist. . Die Familie ist linear unabhängig, wir müssen zeigen, dass sie auch ein Erzeugendensystem bildet. Es sei dazu . Nach Voraussetzung ist die Familie nicht linear unabhängig, d.h. es gibt eine nichttriviale Darstellung

Dabei ist , da andernfalls dies eine nichttriviale Darstellung der allein mit den linear unabhängigen Vektoren wäre. Daher können wir

schreiben, sodass eine Darstellung von möglich ist.



Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einem endlichen Erzeugendensystem.

Dann besitzt eine endliche Basis.

Es sei , , ein Erzeugendensystem von mit einer endlichen Indexmenge . Wir wollen mit der Charakterisierung aus Satz 11.5  (2) argumentieren. Falls die Familie schon minimal ist, so liegt eine Basis vor. Andernfalls gibt es ein derart, dass die um reduzierte Familie, also , , ebenfalls ein Erzeugendensystem ist. In diesem Fall kann man mit der kleineren Indexmenge weiterargumentieren.
Mit diesem Verfahren gelangt man letztlich zu einer Teilmenge derart, dass , , ein minimales Erzeugendensystem, also eine Basis ist.


Es gilt allgemeiner, dass nicht nur die endlich erzeugten, sondern überhaupt jeder Vektorraum eine Basis besitzt. Der Beweis dazu benutzt aber andere Methoden und ist nicht konstruktiv. Z.B. ist es nicht möglich, eine -Basis für die reellen Zahlen (vgl. Beispiel 10.6) explizit anzugeben.



Dimensionstheorie

Ein endlich erzeugter Vektorraum hat im Allgemeinen ganz unterschiedliche Basen. Allerdings ist die Anzahl der Elemente in einer Basis stets konstant und hängt nur vom Vektorraum ab. Diese wichtige Eigenschaft werden wir jetzt beweisen und als Ausgangspunkt für die Definition der Dimension eines Vektorraums nehmen.



Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einer Basis . Es sei ein Vektor mit einer Darstellung

wobei sei für ein bestimmtes .

Dann ist auch die Familie

eine Basis von .

Wir zeigen zuerst, dass die neue Familie ein Erzeugendensystem ist. Zunächst kann man wegen

und den Vektor als

schreiben. Es sei nun beliebig vorgegeben. Dann kann man schreiben


Zum Nachweis der linearen Unabhängigkeit nehmen wir zwecks Notationsvereinfachung an. Es sei

eine Darstellung der Null. Dann ist

Aus der linearen Unabhängigkeit der Ausgangsfamilie folgt insbesondere und wegen ergibt sich . Deshalb ist und daher gilt für alle .



Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einer Basis

Ferner sei

eine Familie von linear unabhängigen Vektoren in .

Dann gibt es eine Teilmenge

derart, dass die Familie

eine Basis von ist.

Insbesondere ist .

Wir führen Induktion über , also über die Anzahl der Vektoren in der Familie. Bei ist nichts zu zeigen. Es sei die Aussage für schon bewiesen und seien linear unabhängige Vektoren

gegeben. Nach Induktionsvoraussetzung, angewandt auf die

(ebenfalls linear unabhängigen) Vektoren

gibt es eine Teilmenge derart, dass die Familie

eine Basis von ist. Wir wollen auf diese Basis das Austauschlemma anwenden. Da eine Basis vorliegt, kann man

schreiben.  Wären hierbei alle Koeffizienten ,  so ergäbe sich sofort ein Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit der , . Es gibt also ein mit . Wir setzen . Damit ist eine -elementige Teilmenge von . Nach dem Austauschlemma kann man den Basisvektor durch ersetzen und erhält die neue Basis

  Der Zusatz folgt sofort, da eine -elementige Teilmenge einer -elementigen Menge vorliegt.



Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einem endlichen Erzeugendensystem.

Dann besitzen je zwei Basen von die gleiche Anzahl von Basisvektoren.

Es seien und zwei Basen von . Aufgrund des Basisaustauschsatzes, angewandt auf die Basis und die linear unabhängige Familie ergibt sich . Wendet man den Austauschsatz umgekehrt an, so folgt , also insgesamt .


Dieser Satz erlaubt die folgende Definition.


Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einem endlichen Erzeugendensystem. Dann nennt man die Anzahl der Vektoren in einer Basis von die Dimension von , geschrieben

Wenn ein Vektorraum nicht endlich erzeugt ist, so setzt man . Der Nullraum hat die Dimension . Einen eindimensionalen Vektorraum nennt man auch eine Gerade, einen zweidimensionalen Vektorraum eine Ebene, einen dreidimensionalen Vektorraum einen Raum, wobei man andererseits auch jeden Vektorraum einen Raum nennt.



Es sei ein Körper und .

Dann besitzt der Standardraum die Dimension .

Die Standardbasis , , besteht aus Vektoren, also ist die Dimension .



Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei ein Untervektorraum.

Dann ist ebenfalls endlichdimensional und es gilt

Es sei . Jede linear unabhängige Familie in ist auch linear unabhängig in . Daher kann es aufgrund des Basisaustauschsatzes in nur linear unabhängige Familien der Länge geben. Es sei derart, dass es in eine linear unabhängige Familie mit Vektoren gibt, aber nicht mit Vektoren. Es sei eine solche Familie. Diese ist dann insbesondere eine maximal linear unabhängige Familie in und daher wegen Satz 11.5 eine Basis von .



Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit endlicher Dimension . Es seien Vektoren in gegeben.

Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.

  1. bilden eine Basis von .
  2. bilden ein Erzeugendensystem von .
  3. sind linear unabhängig.

Beweis

Siehe Aufgabe 11.8.



Es sei ein Körper. Man kann sich einfach einen Überblick über die Untervektorräume des verschaffen, als Dimension von Untervektorräumen kommt nach Korollar 11.12 nur  mit in Frage. Bei gibt es nur den Nullraum selbst, bei gibt es den Nullraum und selbst. Bei gibt es den Nullraum, die gesamte Ebene , und die eindimensionalen Geraden durch den Nullpunkt. Jede solche Gerade hat die Gestalt

mit einem von verschiedenen Vektor . Zwei von verschiedene Vektoren definieren genau dann die gleiche Gerade, wenn sie linear abhängig sind. Bei gibt es den Nullraum, den Gesamtraum , die eindimensionalen Geraden durch den Nullpunkt und die zweidimensionalen Ebenen durch den Nullpunkt.




Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum der Dimension . Es seien

linear unabhängige Vektoren in .

Dann gibt es Vektoren

derart, dass

eine Basis von bilden.

Es sei eine Basis von . Aufgrund des Austauschsatzes findet man Vektoren aus der Basis , die zusammen mit den vorgegebenen eine Basis von bilden.




Fußnoten




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