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Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 25

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Zahlbereiche als Gitter

Es sei eine endliche Körpererweiterung vom Grad . Gemäß Satz 7.12 gibt es verschiedene Einbettungen von in . Diese kann man zur komplexen Gesamteinbettung

zusammenfassen. Insbesondere ist das Bild des Ganzheitsringes unter dieser Abbildung interessant und erlaubt einen Zugang zu , bei dem Methoden der diskreten Geometrie, der linearen Algebra, der Maßtheorie eingesetzt werden können. Nach Korollar 8.6 ist

wobei die Standardbasis einer Ganzheitsbasis von entspricht. Diese legt die komplexe Ganzheitsmatrix

fest. Sie definiert ein „komplexes Gitter“ im , das Quadrat ihrer Determinante ist nach Lemma 8.9 die Diskriminante, u.s.w. Allerdings entwickeln die angesprochen Methoden ihre Schlagkraft deutlicher, wenn man zu der komplexen Gesamteinbettung eine reelle Version entwickelt.

Bei einer Einbettung

unterscheidet man, ob das Bild innerhalb der reellen Zahlen liegt oder nicht. Im ersten Fall spricht man von einer reellen Einbettung. Wenn keine reelle Einbettung ist, so spricht man von einer komplexen Einbettung, in diesem Sinn ist also eine reelle Einbettung nicht komplex. Zu einer komplexen Einbettung ist auch die konjugiert-komplexe Einbettung

eine komplexe Einbettung, und zwar ist , denn sonst wäre eine reelle Einbettung. Komplexe Einbettungen treten also immer paarweise auf. Es sei die Anzahl der reellen Einbettungen und die Anzahl der komplexen Einbettungen, also sei die Anzahl der Paare von komplexen Einbettungen. Dann gilt

Häufig fixiert man zu jedem Paar von komplexen Einbettungen eine Einbettung davon, da sich die andere daraus direkt ablesen lässt. Die Wahl ist dabei willkürlich. Alle numerisch möglichen Kombinationen von und treten auch auf.

Es seien , die reellen Einbettungen und , Repräsentanten der Paare von komplexen Einbettungen. Dies definiert eine Gesamteinbettung

die wir die reelle Gesamteinbettung nennen. Wenn man einzelne komplexe Einbettungen durch ihre konjugierten Einbettungen ersetzt, so ergibt sich ein natürlicher -linearer Isomorphismus. Dabei gilt als reeller Vektorraum

d.h. die reelle Dimension des Einbettungsraumes stimmt mit dem Grad der Körpererweiterung überein. Zwischen der reellen Gesamteinbettung und der komplexen Gesamteinbettung besteht der Zusammenhang

wobei in den ersten Komponenten die natürliche Einbettung und in den hinteren Komponenten die Abbildung , , ist. Somit ist eine -lineare Abbildung. Ein Element wird unter der reellen Gesamteinbettung auf

und unter der komplexen Gesamteinbettung auf

abgebildet.

Das Gitter zum Zahlbereich und zum Ideal (blau, mit einer Grundmasche).


Die reelle Gesamtabbildung ist trivialerweise injektiv, da sie ja sogar in jeder einzelnen Komponente injektiv ist. Für die Gittertheorie der algebraischen Zahlen (Minkowski-Theorie) ist aber entscheidend, dass das Bild des Rings der ganzen Zahlen ein Gitter in diesem ist, also nicht in einem reellen Untervektorraum kleinerer Dimension liegt. Der Zahlbereich wird auf ein Gitter abgebildet, eine Ganzheitsbasis auf eine Gitterbasis.


Es sei ein Zahlbereich vom Grad mit reellen Einbettungen und Paaren von komplexen Einbettungen. Es sei

die reelle Gesamteinbettung. Es sei eine Ganzheitsbasis von . Dann nennt man die reelle - Matrix

die reelle Ganzheitsmatrix (zu dieser Basis).

Die reelle Ganzheitsmatrix steht mit der komplexen Ganzheitsmatrix in dem oben durch beschriebenen Zusammenhang.



Es sei eine endliche Körpererweiterung vom Grad mit reellen Einbettungen und Paaren von komplexen Einbettungen. Es sei

die reelle Gesamteinbettung.

Dann ist das Bild des Ganzheitsringes von unter ein Gitter in

Es sei eine Ganzheitsbasis von . Es ist zu zeigen, dass die , , linear unabhängig sind. Über die -lineare Abbildung

erhält man aus der reellen Gesamteinbettung die komplexe Gesamteinbettung. Wären die Elemente -linear abhängig, so würde das auch für die Bilder unter der komplexen Gesamteinbettung gelten. Doch dies wäre ein Widerspruch zur Tatsache, dass die Diskriminante von nicht ist, siehe Lemma 8.3.


Wir werden dieses Gitter im zumeist mit oder oder bezeichnen. Die reelle Gesamteinbettung liefert einen Gruppenisomorphismus .


Es sei quadratfrei und der zugehörige imaginär-quadratische Zahlbereich. Dann liefert eine fixierte Einbettung direkt eine Realisierung als Gitter im Sinne von Satz 25.2. Dem Element entspricht in der reellen Ebene das Element . Die Ganzheitsbasis bei bzw. bei (vergleiche Satz 9.8) wird unter der reellen Gesamteinbettung auf die reelle Ganzheitsmatrix

bzw.

abgebildet.



Es sei quadratfrei und der zugehörige reell-quadratische Zahlbereich. Es sei einerseits ein fixierte Quadratwurzel aus in und andererseits die positive reelle Quadratwurzel. Die Abbildung

ist dann die reelle Gesamteinbettung und liefert insbesondere eine explizite Realisierung von als Gitter im Sinne von Satz 25.2. Das Gitter hängt wie die Ganzheitsbasis für vom Rest von modulo ab, siehe Satz 9.8.

Die Ganzheitsbasis bei bzw. bei (vergleiche Satz 9.8) wird unter der reellen Gesamteinbettung auf die reelle Ganzheitsmatrix

bzw.

abgebildet.


Wenn eine Galoiserweiterung mit einer fixierten reellen Einbettung ist, so sind alle Einbettungen reell, und die gesamte Gitterabbildung wird durch

realisiert.


Die Körpererweiterung ist eine Galoiserweiterung, wenn eine Nullstelle von , so sind auch und Nullstellen, siehe Aufgabe 5.31. Die Galoisgruppe permutiert diese Nullstellen. Der Automorphismus, der auf abbildet, schickt auf

Wegen

wird die gesamte Gitterabbildung durch

gegeben. Die Basis wird auf die Gitterbasis

abgebildet.

Wenn man als Ganzheitsbasis nimmt, so wird die Abbildung durch

beschrieben. Diese Basis wird dann auf die Gitterbasis

abgebildet.




Es sei ein Zahlbereich mit reellen Einbettungen und Paaren von komplexen Einbettungen. Es sei eine Grundmasche des Gitters unter der reellen Gesamteinbettung

Dann ist das Volumen der Grundmasche bezüglich der euklidischen Standardmetrik des gleich

Wir haben die Zusammenstellung zu allen komplexen Einbettungen

und die reelle Gittereinbettung

die durch die Einbettung

miteinander verbunden sind.

Zu einer -Basis von haben wir einerseits die reelle Ganzheitsmatrix

und andererseits die komplexe Ganzheitsmatrix

Wenn man diese komplexe Matrix mit der Matrix (diese steht links)

multipliziert, wobei der quadratische Block sich auf und bezieht, so erhält man in der Zeile zu das Doppelte des Realteils von und in der darauf folgenden Zeile das Doppelte des Imaginärteils von . Die Determinante der zuletzt notierten Matrix ist . Wenn man diese Multiplikation für jede komplexe Doppelzeile durchführt ( Multiplikationen), so erhält man die Matrix, die aus der reellen Ganhzeitsmatrix hervorgeht, indem man die hinteren Zeilen jeweils mit multipliziert. Deshalb gilt insgesamt

Nach Lemma 8.9 und Satz 24.8 ist



Es sei quadratfrei und der zugehörige imaginär-quadratische Zahlbereich. Es gibt also Paare von zueinander komplex-konjugierten Einbettungen. Zur Ganzheitsbasis bei bzw. bei gehört wie in Beispiel 25.3 berechnet die reelle Ganzheitsmatrix

bzw.

Deren Determinante, also bis auf das Vorzeichen der Flächeninhalt der Grundmasche des Gitters, ist

bzw.

Die Diskriminante ist nach Lemma 9.9 gleich bzw. . In beiden Fällen erhält man also eine direkte Bestätigung von Satz 25.6.



Es sei quadratfrei und der zugehörige reell-quadratische Zahlbereich. Es gibt also zwei reelle Einbettungen und somit ist . Zur Ganzheitsbasis bei bzw. bei gehört wie in Beispiel 25.4 berechnet die reelle Ganzheitsmatrix

bzw.

Deren Determinante ist

bzw.

Die Diskriminante ist nach Lemma 9.9 gleich bzw. . In beiden Fällen erhält man also wieder eine direkte Bestätigung von Satz 25.6.




Es sei ein Zahlbereich mit reellen Einbettungen und Paaren von komplexen Einbettungen. Es sei ein von verschiedenes Ideal und es sei eine Grundmasche des vollständigen Gitters .

Dann ist das Volumen von (bezüglich der euklidischen Standardmetrik des ) gleich

Das wird ähnlich wie Satz 25.6 bewiesen.


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