Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 26

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Die Endlichkeit der Klassenzahl

Das Ziel dieser Vorlesung ist es, die Endlichkeit der Idealklassengruppe eines Zahlbereichs zu beweisen. Dies geschieht mit den Gittermethoden der beiden letzten Vorlesungen. Diese Methoden erlauben es prinzipiell auch, die Idealklassengruppe algorithmisch zu berechnen und zu entscheiden, ob ein Zahlbereich faktoriell ist oder nicht.



Lemma  

Es sei ein Zahlbereich. Dann gibt es nur endlich viele Ideale in , deren Norm unterhalb einer gewissen Zahl liegt.

Beweis  

Es genügt zu zeigen, dass es zu einer natürlichen Zahl nur endlich viele Ideale in mit gibt. Es sei also ein solches Ideal. Dann ist nach Lemma 10.5 und damit entspricht einem Ideal aus . Dieser Ring ist aber nach Satz 9.14 endlich und besitzt somit überhaupt nur endlich viele Ideale.



Lemma  

Es sei ein Zahlbereich mit Diskriminante und Paaren von komplexen Einbettungen. Es sei ein Ideal. Es sei eine Familie von positiven reellen Zahlen zu jeder reellen oder komplexen Einbettung, wobei für konjugiert komplexe Einbettungen die gleiche Zahl vorliege. Ferner gelte

Dann gibt es ein , , mit der Eigenschaft

für alle .

Beweis  

Wir nummerieren die Einbettungen mit für die reellen und durch, wobei die konjugiert-komplexen Einbettungen nebeneinander stehen. Wir betrachten die Menge

Dies ist eine Produktmenge aus Intervallen der Länge und Kreisscheiben mit den Radien . Diese Menge ist offensichtlich zentralsymmetrisch und konvex ist. Die Menge ist so nicht kompakt. Wir können aber jedes derart verkleinern, dass die Bedingung nach wie vor erfüllt ist und dann in der entsprechenden Menge statt schreiben. Da die Menge ein Produkt aus Intervallen und Kreisen ist, ist ihr Volumen gleich

(man beachte, dass der Flächeninhalt des Kreises durch das zweifache Vorkommen der höheren berücksichtigt wird). Nach Voraussetzung und nach Satz 25.9 ist dieses Volumen größer als

wobei die Grundmasche des Gitters zum Ideal unter der reellen Gesamteinbettung bezeichnet. Nach dem Gitterpunktsatz von Minkowski gibt es einen Gitterpunkt , der in liegt. D.h. es gibt ein mit für alle .



Korollar  

Es sei ein Zahlbereich mit Diskriminante und Paaren von komplexen Einbettungen. Es sei eine Familie von positiven reellen Zahlen zu jeder reellen oder komplexen Einbettung, wobei für konjugiert komplexe Einbettungen die gleiche Zahl vorliege. Ferner gelte

Dann gibt es ein , , mit der Eigenschaft

für alle .

Beweis  

Dies folgt direkt aus Lemma 26.2, angewendet auf das Einheitsideal .



Korollar  

Es sei ein Zahlbereich mit Diskriminante und mit Paaren von komplexen Einbettungen.

Dann enthält jedes Ideal ein Element , , das die Normschranke

erfüllt.

Beweis  

Für jede Wahl von positiven reellen Zahlen (wobei die komplexen Einbettungen durchläuft, und wobei die Paarbedingung für nichtreelles gelte) mit

gibt es nach Lemma 26.2 ein , , mit

für jede komplexe Einbettung . Nach Lemma 7.14 ist somit

Würde es kein mit Betragsnorm unterhalb (einschließlich) der angegebenen Grenze geben, könnte man daraus direkt einen Widerspruch produzieren.



Lemma  

Es sei ein Zahlbereich mit Diskriminante und mit Paaren von komplexen Einbettungen. Dann enthält jede Idealklasse aus der Klassengruppe ein Ideal , das die Normschranke

erfüllt.

Beweis  

Es sei die Idealklasse. Die inverse Idealklasse sei durch das Ideal repräsentiert, siehe Lemma 13.5. Nach Korollar 26.4 gibt es ein mit

Dann ist ein Ideal, da ja alle Elemente aus nach multipliziert, und das repräsentiert. Nach Korollar 12.14 ist



Satz  

Es sei ein Zahlbereich.

Dann ist die Divisorenklassengruppe von eine endliche Gruppe.

Beweis  

Nach Lemma 26.5 wird jede Klasse in der Klassengruppe durch ein Ideal mit einer Norm repräsentiert, die durch die dort angegebene Schranke beschränkt ist. D.h., dass die Ideale mit einer Norm unterhalb dieser Schranke alle Klassen repräsentieren. Nach Lemma 26.1 gibt es aber überhaupt nur endlich viele Ideale mit einer Norm unterhalb einer gegebenen Schranke.


Das im Beweis verwendete Lemma bietet prinzipiell eine Abschätzung für die Anzahl der Klassengruppe.


Definition  

Es sei ein Zahlbereich. Dann nennt man die Anzahl der Elemente in der Klassengruppe von die Klassenzahl von .

Es ist üblich, die Klassenzahl mit (oder , wenn der Quotientenkörper ist) zu bezeichnen.



Korollar  

Es sei ein Zahlbereich und sei ein Ideal in . Dann gibt es ein derart, dass ein Hauptideal ist.

Beweis  

Für das Nullideal ist die Aussage richtig, sei also von verschieden. Die zugehörige Idealklasse besitzt aufgrund von Satz 26.6 in der Idealklassengruppe endliche Ordnung, d.h., dass für ein

ist. Dies bedeutet aber gerade, dass ein Hauptideal ist.


Wir formulieren noch explizit die folgenden Kriterien für Faktorialität.



Korollar  

Es sei ein Zahlbereich mit Diskriminante und Paaren von komplexen Einbettungen. Es sei vorausgesetzt, dass jedes Primideal in , das die Normbedingung

erfüllt, ein Hauptideal sei.

Dann ist faktoriell.

Beweis  

Es sei ein Ideal unterhalb der angegebenen Normschranke. Nach Satz 12.2 ist mit Primidealen , und wegen Korollar 12.14 sind die Normen dieser Primideale ebenfalls unter der Schranke. Da all diese Primideale nach Voraussetzung Hauptideale sind, ist auch ein Hauptideal. Da nach Lemma 26.5 jede Idealklasse durch ein Ideal unterhalb der Normschranke repräsentiert wird, bedeutet dies, dass jede Idealklasse durch ein Hauptideal repräsentiert wird. Das heißt die Klassengruppe ist trivial und damit ist nach Satz 14.2 der Ring faktoriell.



Korollar  

Es sei ein Zahlbereich mit Diskriminante und Paaren von komplexen Einbettungen. Es sei vorausgesetzt, dass jede Primzahl , die die Normbedingung

erfüllt, ein Primfaktorzerlegung besitzt.

Dann ist faktoriell.

Beweis  

Es sei ein Primideal derart, dass unterhalb der angegebenen Schranke liegt, und es sei mit einer Primzahl . Nach Korollar 8.8 ist die Norm von gleich mit , so dass auch unterhalb der Schranke ist und somit nach Voraussetzung eine Primfaktorzerlegung für besteht. Daraus folgt aber, dass ein Hauptideal ist. Aus Korollar 26.9 folgt die Behauptung.



Korollar

Es sei eine quadratfreie Zahl und sei der zugehörige quadratische Zahlbereich mit Diskriminante . Es sei vorausgesetzt, dass jede Primzahl mit

in eine Primfaktorzerlegung besitzt. Dann ist faktoriell.

Beweis

Für folgt dies direkt aus Korollar 26.10, für erfordert dies eine zusätzliche Überlegung.



Beispiel  

Es sei , also und . Jede Idealklasse enthält ein Ideal der Norm

so dass nur Ideale mit Norm zu betrachten sind. Ein Ideal mit ist ein Primideal mit . Daher ist

die einzige Möglichkeit. Nach Beispiel 10.7 ist kein Hauptideal. Daher ist die Idealklassengruppe isomorph zu , wobei das Nullelement durch die Hauptdivisoren (oder Hauptideale) repräsentiert wird und das andere Element durch .



Beispiel  

Es sei der quadratische Zahlbereich zu , also bzw. . Wir wissen aufgrund von Satz Anhang 2.9, dass nicht euklidisch ist. Dennoch ist faktoriell und nach [[Zahlbereich/Divisorenklassengruppe/Charakterisierung von faktoriell/Fakt|Satz 14.2]] ein Hauptidealbereich und die Klassengruppe ist trivial. Hierfür benutzen wir Korollar 26.11, d.h. wir haben für alle Primzahlen zu zeigen, dass sie eine Primfaktorzerlegung in besitzen. Diese Abschätzung wird nur von erfüllt. Für ist der Restklassenring

ein Körper, so dass träge in ist und insbesondere eine Primfaktorzerlegung besitzt.



Beispiel  

Wir wollen zeigen, dass der fünfte Kreisteilungsring

faktoriell ist. Es gibt vier komplexe Einbettungen und die Diskriminante ist nach Lemma 17.16 gleich . Wegen

ist nach Korollar 26.10 nur zu überprüfen, ob die Primzahlen in eine Primfaktorzerlegung besitzen. Da und Körper sind (vergleiche Satz 23.2), sind und sogar Primelemente in .


Bemerkung  

Für ein vorgegebenes quadratfreies kann man grundsätzlich effektiv entscheiden, ob der quadratische Zahlbereich faktoriell ist oder nicht. Für ist dies genau für

der Fall. Es war bereits von Gauß vermutet worden, dass dies alle sind, es wurde aber erst 1967 von Heegner und Stark bewiesen. Man weiß auch, für welche von diesen der Ganzheitsbereich euklidisch ist, nämlich nach Satz Anhang 2.9 für , aber nicht für die anderen vier Werte.

Für wird vermutet, dass für unendlich viele Werte der Ganzheitsbereich faktoriell ist. Für liegt ein faktorieller Bereich für die Werte

vor. Dagegen weiß man (Chatland und Davenport 1950), für welche positiven der Ganzheitsbereich euklidisch ist, nämlich für .



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