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Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil III/Vorlesung 76

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Der Satz über implizite Abbildungen und Mannigfaltigkeiten

Die Einheitssphäre, die wir in der letzten Vorlesung als ein motivierendes Beispiel einer Mannigfaltigkeit besprochen haben, ist die Faser zur differenzierbaren Abbildung

über . Diese Abbildung ist mit Ausnahme des Nullpunkts regulär. Der Satz über implizite Abbildung macht in dieser Situation weitreichende Aussagen über die lokale Gestalt der Faser zu einer Abbildung , nämlich, dass es lokal Homöomorphismen zwischen der Faser in einem regulären Punkt und einer offenen Menge des gibt, wobei die Differenz zwischen der Dimension des Ausgangsraumes und der Dimension des Zielraumes ist. Wir werden gleich sehen, dass solche Fasern nicht nur topologische Mannigfaltigkeiten, sondern auch differenzierbare Mannigfaltigkeiten sind. Wir formulieren den Satz über implizite Abbildungen in einer Version, aus der sich ablesen lässt, dass die regulären Fasern differenzierbare Mannigfaltigkeiten sind.



Es sei offen und sei

eine stetig differenzierbare Abbildung. Es sei die Faser über , und sei in jedem Punkt der Faser regulär.

Dann gibt es zu jedem Punkt eine offene Umgebung , offene Mengen und , und einen - Diffeomorphismus

mit , der eine Bijektion zwischen und induziert, und so, dass das totale Differential für jedes eine Bijektion zwischen und stiftet.

Diese Aussage wurde im Beweis des Satzes über implizite Abbildungen mitbewiesen. Der Zusatz ergibt sich aus


Für die Faser selbst ergibt sich daraus die Struktur einer Mannigfaltigkeit. Der Satz über implizite Abbildungen beschert uns also mit einer riesigen Klasse von Mannigfaltigkeiten. Es handelt sich dabei um sogenannte abgeschlossene Untermannigfaltigkeiten, die wir bald, wenn wir Tangentialräume zur Verfügung haben, systematischer behandeln werden.



Es sei offen und sei

eine stetig differenzierbare Abbildung. Es sei die Faser über einem Punkt . Das totale Differential sei surjektiv für jeden Punkt .

Dann ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit der Dimension .

Wir setzen Aufgrund von Satz 76.1 gibt es zu jedem Punkt eine offene Umgebung und einen - Diffeomorphismus

mit offenen Mengen und derart, dass eine Bijektion zwischen und induziert. Die Einschränkungen dieser Diffeomorphismen auf bzw. nehmen wir als Karten für . Zum Nachweis, dass dies eine differenzierbare Struktur auf definiert, seien offene Umgebungen (im ) und von gegeben zusammen mit Diffeomorphismen

und

Durch Übergang zu können wir annehmen, dass beide offenen Mengen gleich sind. Die Übergangsabbildung ist ein -Diffeomorphismus zwischen (offenen Teilmengen von) und , der in überführt. Daher ist nach Aufgabe 52.16 auch die auf diese Teilmengen eingeschränkte Übergangsabbildung ein -Diffeomorphismus (zwischen offenen Teilmengen des ).



Differenzierbare Abbildungen

Es seien und zwei -Mannigfaltigkeiten mit Atlanten und . Es sei . Eine stetige Abbildung

heißt eine -differenzierbare Abbildung, wenn für alle und alle die Abbildungen

-differenzierbar sind.

Da die offen sind, ist durch diese Definition der Differenzierbarkeitsbegriff für Abbildungen zwischen Mannigfaltigkeiten auf den Differenzierbarkeitsbegriff von Abbildungen zwischen offenen Mengen in reellen Vektorräumen zurückgeführt. Da man eine -Mannigfaltigkeit als eine -Mannigfaltigkeit für auffassen kann, genügt es im Wesentlichen, von -Abbildungen zwischen -Mannigfaltigkeiten zu sprechen. Wichtig sind insbesondere die Fälle . Man beachte, dass wir bei von einer differenzierbaren Abbildung sprechen, ohne dass es (bisher) eine „Ableitung“ gibt.



Es seien und - Mannigfaltigkeiten. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Identität

    ist eine - Abbildung.

  2. Jede konstante Abbildung

    ist eine -Abbildung.

  3. Für jede offene Teilmenge ist die offene Einbettung eine -Abbildung.
  4. Es seien

    und

    -Abbildungen. Dann ist auch die Hintereinanderschaltung

    eine -Abbildung.

(1). Die zu überprüfenden Abbildungen sind genau die Kartenwechsel , die nach Definition einer - differenzierbaren Mannigfaltigkeit - Diffeomorphismen sind.
(2). Die zu überprüfenden Abbildungen sind bezüglich jeder Karte konstant, also beliebig oft differenzierbar.
(3). Die zu überprüfenden Abbildungen zu sind gleich

also eine offene Einbettung gefolgt von einem differenzierbaren Kartenwechsel.
(4). Es seien

die Karten für . Dann sind für alle möglichen Indexkombinationen die (auf gewissen offenen Teilmengen eingeschränkten) Hintereinanderschaltungen

nach der Kettenregel differenzierbar. Bei verwendet man Aufgabe *****.



Es seien und zwei - Mannigfaltigkeiten. Ein Homöomorphismus

heißt ein -Diffeomorphismus, wenn sowohl als auch - Abbildungen sind.


Zwei - Mannigfaltigkeiten und heißen -diffeomorph, wenn es zwischen ihnen einen - Diffeomorphismus gibt.

Zu einer - Mannigfaltigkeit mit einem -Atlas gibt es einen maximalen Atlas, der mit der durch den Atlas gegebenen differenzierbaren Struktur verträglich ist. Er besteht aus der Menge aller Homöomorphismen

mit offenen Mengen und mit der Eigenschaft, dass diese Abbildungen - Abbildungen (bezüglich der durch den Atlas gegebenen Struktur) sind. Dieser maximale Atlas enthält natürlich den Ausgangsatlas, ist aber im Allgemeinen bei weitem größer. Beispielsweise enthält er zu jeder Karte und jeder offenen Teilmenge auch die auf eingeschränkte Kartenabbildung. Wichtig ist, dass die identische Abbildung

wobei den Ausgangsatlas und den maximalen Atlas bezeichnet, ein - Diffeomorphismus von Mannigfaltigkeiten ist, wie unmittelbar aus der Definition folgt. Wichtiger als der Atlas ist die durch ihn vertretene differenzierbare Struktur auf der Mannigfaltigkeit, die festlegt, welche Abbildungen differenzierbar und welche Diffeomorphismen sind. Die Karten des maximalen Atlas werden manchmal auch (verallgemeinerte) Karten der Mannigfaltigkeit genannt.




Differenzierbare Funktionen

Eine - differenzierbare Abbildung

von einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit in die reellen Zahlen nennt man auch eine -differenzierbare Funktion. Nach Definition bedeutet das einfach, dass für jede Karte

die zusammengesetzte Funktion

eine - Funktion ist. Die Menge aller -Funktionen auf werden mit bezeichnet.



Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und

differenzierbare Funktionen auf . Dann gelten die folgenden Aussagen.

  1. Die Abbildung
    ist differenzierbar.
  2. ist differenzierbar.
  3. ist differenzierbar.
  4. Wenn keine Nullstelle besitzt, so ist auch differenzierbar.

Beweis

Siehe Aufgabe 76.3.

Insbesondere bilden die differenzierbaren Funktionen auf einer Mannigfaltigkeit einen kommutativen Ring.

Wenn

eine Karte ist mit offen, so liefert jede Projektion eine differenzierbare Funktion

die meistens wieder mit bezeichnet wird. Man sagt dann, dass die Funktionen differenzierbare Koordinaten für bilden. Für eine stetig differenzierbare Funktion

ist nach Definition die Funktion

stetig differenzierbar, d.h. für jedes existieren die partiellen Ableitungen

die wiederum (stetige) Funktionen auf sind. Daher sind

Funktionen auf . Diese werden im Allgemeinen einfach wieder mit bezeichnet.

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