Zum Inhalt springen

Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009)/Vorlesung 17

Aus Wikiversity

Wir wollen für den Polynomring in einer Variablen über einem Körper zeigen, dass dort viele wichtige Sätze, die für den Ring der ganzen Zahlen gelten, ebenfalls Gültigkeit haben. Dass ein Hauptidealbereich vorliegt, haben wir schon gesehen. Es gilt aber auch wieder der euklidische Algorithmus und die eindeutige Primfaktorzerlegung. Um diese adäquat formulieren zu können, brauchen wir einige Vorbereitungen zur allgemeinen Teilbarkeitslehre.



Teilbarkeitsbegriffe

Es sei ein kommutativer Ring, und Elemente in . Man sagt, dass das Element teilt (oder dass von geteilt wird, oder dass ein Vielfaches von ist), wenn es ein derart gibt, dass ist. Man schreibt dafür auch .



In einem kommutativen Ring gelten folgende Teilbarkeitsbeziehungen.

  1. Für jedes Element gilt und .
  2. Für jedes Element gilt .
  3. Gilt und , so gilt auch .
  4. Gilt und , so gilt auch .
  5. Gilt , so gilt auch für jedes .
  6. Gilt und , so gilt auch für beliebige Elemente .

Beweis

Siehe Aufgabe 17.5.


Mit dem Idealbegriff lassen sich Teilbarkeitsbeziehungen ausdrücken.


Es sei ein kommutativer Ring und . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Das Element ist ein Teiler von (also ), genau dann, wenn .
  2. ist eine Einheit genau dann, wenn .
  3. Jede Einheit teilt jedes Element.
  4. Teilt eine Einheit, so ist selbst eine Einheit.

Beweis

Das ist trivial.



Zwei Elemente und eines kommutativen Ringes heißen assoziiert, wenn es eine Einheit derart gibt, dass ist.

Die Assoziiertheit ist eine Äquivalenzrelation, siehe Aufgabe 17.2. In sind zwei Zahlen genau dann zueinander assoziiert, wenn ihr Betrag übereinstimmt. Bei sind zwei Polynome zueinander assoziiert, wenn sie durch Multiplikation mit einem Skalar , , ineinander übergehen. Durch diese Operation kann man erreichen, dass der Leitkoeffizient eins wird. Jedes Polynom ist also assoziiert zu einen normierten Polynom.

Das folgende Lemma besagt, dass es für die Teilbarkeitsrelation nicht auf Einheiten und Assoziiertheit ankommt.


In einem kommutativen Ring gelten folgende Teilbarkeitsbeziehungen.

  1. Sind und assoziiert, so gilt genau dann, wenn .
  2. Ist ein Integritätsbereich, so gilt

    genau dann, wenn und assoziiert sind.

Beweis

Siehe Aufgabe 17.6.



Es sei ein kommutativer Ring und . Dann heißt ein Element gemeinsamer Teiler der , wenn jedes teilt (). Ein Element heißt größter gemeinsamer Teiler der , wenn ein gemeinsamer Teiler ist und wenn jeder gemeinsame Teiler dieses teilt.

Die Elemente heißen teilerfremd, wenn ihr größter gemeinsamer Teiler ist.

Eine Einheit ist immer ein gemeinsamer Teiler für jede Auswahl von Elementen. Ein größter gemeinsamer Teiler muss im Allgemeinen nicht existieren. Ist ein gemeinsamer Teiler der und eine Einheit, so ist auch ein gemeinsamer Teiler der . Die Elemente sind teilerfremd genau dann, wenn jeder gemeinsame Teiler davon eine Einheit ist.




Es sei ein kommutativer Ring, und das davon erzeugte Ideal. Ein Element ist ein gemeinsamer Teiler von genau dann, wenn ist, und ist ein größter gemeinsamer Teiler genau dann, wenn für jedes mit folgt, dass ist. Ein größter gemeinsamer Teiler erzeugt also ein minimales Hauptoberideal von .

Aus folgt sofort für , was gerade bedeutet, dass diese Elemente teilt, also ein gemeinsamer Teiler ist. Es sei umgekehrt ein gemeinsamer Teiler. Dann ist und da das kleinste Ideal ist, das alle enthält, muss gelten. Der zweite Teil folgt sofort aus dem ersten.




Irreduzibel und prim

Für Teilbarkeitsuntersuchungen sind die beiden folgenden Begriffe fundamental. Unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn ein Hauptidealbereich vorliegt, sind sie äquivalent.


Eine Nichteinheit in einem kommutativen Ring heißt irreduzibel (oder unzerlegbar), wenn eine Faktorisierung nur dann möglich ist, wenn einer der Faktoren eine Einheit ist.

Diese Begriffsbildung orientiert sich offenbar an den Primzahlen. Dagegen taucht das Wort „prim“ in der folgenden Definition auf.


Eine Nichteinheit in einem kommutativen Ring heißt prim (oder ein Primelement), wenn folgendes gilt: Teilt ein Produkt  mit , so teilt einen der Faktoren.

Eine Einheit ist also nach Definition nie ein Primelement. Dies ist eine Verallgemeinerung des Standpunktes, dass keine Primzahl ist. Dabei ist die nicht deshalb keine Primzahl, weil sie „zu schlecht“ ist, sondern weil sie „zu gut“ ist. Für die ganzen Zahlen und für viele weitere Ringe fallen die beiden Begriffe zusammen. Im Allgemeinen ist irreduzibel einfacher nachzuweisen, und prim ist der stärkere Begriff, jedenfalls für Integritätsbereiche.



In einem Integritätsbereich ist ein Primelement stets irreduzibel.

Angenommen, wir haben eine Zerlegung . Wegen der Primeigenschaft teilt einen Faktor, sagen wir . Dann ist bzw. . Da kein Nullteiler ist, folgt , sodass also eine Einheit ist.




Teilbarkeitslehre in Hauptidealbereichen



Es sei ein Hauptidealring. Dann gilt:

Elemente besitzen stets einen größten gemeinsamen Teiler , und dieser lässt sich als Linearkombination der darstellen, d.h. es gibt Elemente mit .

Insbesondere besitzen teilerfremde Elemente eine Darstellung der .

Es sei das von den Elementen erzeugte Ideal. Da wir in einem Hauptidealring sind, handelt es sich um ein Hauptideal; es gibt also ein Element mit . Wir behaupten, dass ein größter gemeinsamer Teiler der ist. Die Inklusionen zeigen, dass es sich um einen gemeinsamen Teiler handelt. Es sei ein weiterer gemeinsamer Teiler der . Dann ist wieder , was wiederum bedeutet. Die Darstellungsaussage folgt unmittelbar aus .

Im teilerfremden Fall ist .


Es sei ein Körper und sei der Polynomring über . Dies ist ein Hauptidealbereich und daher gibt es zu gegebenen Polynomen einen größten gemeinsamen Teiler, und diesen kann man darstellen als Linearkombination der gegebenen Polynome. Es gibt sogar ein effektives Verfahren, eine solche Darstellung explizit zu finden, das man (wie bei den ganzen Zahlen ) den euklidischen Algorithmus nennt. Wir beschränken uns auf den Fall von zwei Polynomen und . Man führt nun sukzessive eine Division mit Rest durch und erhält zunächst

Dann erhält man
usw., bis schließlich der Rest ist. Dieser Fall muss letztlich eintreten, da sich bei jedem Divisionsschritt der Grad der Reste reduziert. Der vorletzte Rest ist dann der größte gemeinsame Teiler, und man kann durch Zurückrechnen entlang der Gleichungen eine Darstellung dieses ggTs mit

und finden.




Es sei ein Hauptidealbereich und . Es seien und teilerfremd und teile das Produkt . Dann teilt den Faktor .

Da und teilerfremd sind, gibt es nach dem Lemma von Bezout Elemente mit . Die Voraussetzung, dass das Produkt teilt, schreiben wir als . Damit gilt

was zeigt, dass ein Vielfaches von ist.



Es sei ein Hauptidealbereich. Dann ist ein Element genau dann prim,

wenn es irreduzibel ist.

Ein Primelement in einem Integritätsbereich ist nach Lemma 17.11 stets irreduzibel. Es sei also umgekehrt irreduzibel, und nehmen wir an, dass das Produkt teilt, sagen wir . Nehmen wir an, dass kein Vielfaches von ist. Dann sind aber und teilerfremd, da eine echte Inklusionskette der Irreduzibilität von widerspricht. Damit teilt nach dem Lemma von Euklid den anderen Faktor .



In einem Hauptidealbereich lässt sich jede Nichteinheit als ein Produkt von irreduziblen Elementen darstellen.

Angenommen, jede Zerlegung enthalte nicht irreduzible Elemente. Dann gibt es in jedem solchen Produkt einen Faktor, der ebenfalls keine Zerlegung in irreduzible Faktoren besitzt. Wir erhalten also eine unendliche Kette , wobei ein nicht-trivialer Teiler von ist. Somit haben wir eine echt aufsteigende Idealkette

Die Vereinigung dieser Ideale ist aber nach Aufgabe ***** ebenfalls ein Ideal und nach Voraussetzung ein Hauptideal. Dies ist ein Widerspruch.



<< | Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009) | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)