Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2019-2020)/Teil I/Repetitorium/Vorlesung 27
- Eigentheorie
Unter einer Achsenspiegelung in der Ebene verhalten sich gewisse Vektoren besonders einfach. Die Vektoren auf der Spiegelungsachse werden auf sich selbst abgebildet, und die dazu senkrechten Vektoren werden auf ihr Negatives abgebildet. Für all diese Vektoren liegt das Bild unter der linearen Abbildung in dem von diesem Vektor aufgespannten eindimensionalen Unterraum. In der Theorie der Eigenwerte und Eigenvektoren untersucht man, ob es zu einer linearen Abbildung Geraden (also eindimensionale Unterräume) gibt, die unter der Abbildung auf sich selbst abgebildet werden. Eine Zielsetzung ist dabei, zu einer gegebenen linearen Abbildung eine Basis zu finden, bezüglich der die beschreibende Matrix möglichst einfach ist. Eine wichtige Anwendung ist dabei, Lösungen für ein lineares Differentialgleichungssystem zu finden.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und
eine lineare Abbildung. Dann heißt ein Element , , ein Eigenvektor von (zum Eigenwert ), wenn
mit einem gilt.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und
eine lineare Abbildung. Dann heißt ein Element ein Eigenwert zu , wenn es einen von verschiedenen Vektor mit
gibt.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und
eine lineare Abbildung. Zu nennt man
den Eigenraum von zum Wert .
Wir erlauben also beliebige Werte (nicht nur Eigenwerte) in der Definition der Eigenräume. Die gehört zu jedem Eigenraum, obwohl sie kein Eigenvektor ist. Den von einem Eigenvektor erzeugten Untervektorraum nennt man eine Eigengerade. Wir betrachten einige einfache Beispiele über .
Eine lineare Abbildung von nach ist die Multiplikation mit einer festen Zahl (dem Streckungsfaktor oder Proportionalitätsfaktor). Daher ist jede Zahl ein Eigenvektor zum Eigenwert und der Eigenraum zu diesem Eigenwert ist ganz . Es gibt neben keinen weiteren Eigenwert, sämtliche Eigenräume zu sind .
Eine lineare Abbildung von nach ist bezüglich der Standardbasis durch eine - Matrix gegeben. Wir betrachten die Eigenwerte zu einigen elementaren Beispielen. Eine Streckung ist durch mit einem Streckungsfaktor gegeben. Jeder Vektor ist ein Eigenvektor zum Eigenwert und der Eigenraum zu diesem Eigenwert ist ganz . Es gibt neben keinen weiteren Eigenwert, sämtliche Eigenräume zu sind . Die Identität besitzt den einzigen Eigenwert .
Eine Achsenspiegelung an der -Achse wird durch die Matrix beschrieben. Der Eigenraum zum Eigenwert ist die -Achse, der Eigenraum zum Eigenwert ist die -Achse. Ein Vektor mit kann kein Eigenvektor sein, da die Gleichung
dann keine Lösung besitzt.
Eine ebene Drehung wird durch die Drehmatrix zu einem Drehwinkel , , gegeben. Bei liegt die Identität vor, bei liegt die Halbdrehung vor, also die Punktspiegelung bzw. die Streckung mit dem Faktor . Bei allen anderen Drehwinkeln wird keine Gerade auf sich selbst abgebildet, sodass diese Drehungen keine Eigenwerte und keine Eigenvektoren besitzen (und alle Eigenräume sind).
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum
eine lineare Abbildung und . Dann gelten folgende Aussagen.
- Der
Eigenraum
ist ein Untervektorraum von .
- ist genau dann ein Eigenwert zu , wenn der Eigenraum nicht der Nullraum ist.
- Ein Vektor , ist genau dann ein Eigenvektor zu , wenn ist.
Beweis
Für Matrizen verwenden wir die entsprechenden Begriffe. Ist
eine lineare Abbildung und eine beschreibende Matrix bezüglich einer Basis, so gilt für einen Eigenwert und einen Eigenvektor
mit dem Koordinatentupel bezüglich dieser Basis die Beziehung
Die Matrix bezüglich einer weiteren Basis steht dann zu nach Lemma 25.8 in der Beziehung , wobei eine invertierbare Matrix ist. Es sei
das Koordinatentupel bezüglich der anderen Basis. Dann ist
d.h. die beschreibenden Matrizen besitzen dieselben Eigenwerte, wobei sich allerdings die beschreibenden Koordinatentupel für die Eigenvektoren mit den Basen ändern.
Wir betrachten die durch eine Diagonalmatrix
gegebene lineare Abbildung
Die Diagonaleinträge sind Eigenwerte von , und zwar ist der -te Standardvektor ein zugehöriger Eigenvektor. Die Eigenräume sind
Diese Räume sind genau dann von verschieden, wenn mit einem Diagonaleintrag übereinstimmt. Die Dimension der Eigenräume ist durch die Anzahl gegeben, wie oft der Wert in der Diagonalen vorkommt. Die Summe dieser Dimensionen ergibt .
Bei einer orthogonalen Spiegelung des an einem -dimensionalen Untervektorraum wird dieser Untervektorraum fixiert und jeder Vektor wird senkrecht zu auf die andere Seite von abgebildet. Wenn eine Basis von und ein zu orthogonaler Vektor ist, so wird die Spiegelung bezüglich dieser Basis durch die Matrix
beschrieben.
Wir betrachten die durch die Matrix
definierte lineare Abbildung
Die Frage, ob diese Abbildung Eigenwerte besitzt, führt zur Frage, ob es derart gibt, dass die Gleichung
eine nichtriviale Lösung besitzt. Bei gegebenem kann dies auf ein lineares Problem zurückgeführt werden, das mit dem Eliminationsalgorithmus einfach gelöst werden kann. Die Frage aber, ob es Eigenwerte überhaupt gibt, führt wegen des variablen „Eigenwertparameters“ zu einem nichtlinearen Problem. Das obige Gleichungssystem bedeutet ausgeschrieben
Bei ist auch , der Nullvektor ist aber kein Eigenvektor. Es sei also . Aus den beiden Gleichungen erhält man die Bedingung
woraus folgt. Da in die Zahl keine Quadratwurzel besitzt, gibt es keine Lösung und das bedeutet, dass keine Eigenwerte und damit auch keine Eigenvektoren besitzt.
Wir fassen nun die Matrix als eine reelle Matrix auf und untersuchen die zugehörige Abbildung
Die gleichen Rechnungen führen auf die notwendige Lösungsbedingung , die jetzt von den beiden reellen Zahlen
erfüllt wird. Für diese beiden Werte kann man unabhängig voneinander nach Eigenvektoren suchen. Wir betrachten zuerst den Fall , was zum linearen Gleichungssystem
führt. Dies schreibt man als
bzw. als lineares Gleichungssystem
Dieses ist einfach lösbar, der Lösungsraum ist eindimensional und
ist eine Basislösung.
Für führen dieselben Umformungen zu einem weiteren linearen Gleichungssystem, für das der Vektor
eine Basislösung ist. Über sind also und Eigenwerte und die zugehörigen Eigenräume sind
- Weiteres zu Eigenräumen
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und
eine lineare Abbildung.
Dann ist
Insbesondere ist genau dann ein Eigenwert von , wenn nicht injektiv ist.
Beweis
Allgemeiner gilt die folgende Charakterisierung.
Sei . Dann ist genau dann, wenn ist, und dies ist genau bei der Fall, was man als schreiben kann.
Neben dem Eigenraum zu , der der Kern der linearen Abbildung ist, sind die Eigenwerte und besonders interessant. Der Eigenraum zu besteht aus allen Vektoren, die auf sich selbst abgebildet werden. Auf diesem Untervektorraum wirkt also die Abbildung wie die Identität, man nennt ihn den Fixraum. Der Eigenraum zu besteht aus allen Vektoren, die auf ihr Negatives abgebildet werden. Auf diesem Untervektorraum wirkt die Abbildung wie eine Punktspiegelung.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und
eine lineare Abbildung. Es seien Eigenvektoren zu (paarweise) verschiedenen Eigenwerten .
Dann sind linear unabhängig.
Wir beweisen die Aussage durch Induktion nach . Für ist die Aussage richtig. Es sei die Aussage also für weniger als Vektoren bewiesen. Betrachten wir eine Darstellung der , also
Wir wenden darauf an und erhalten einerseits
Andererseits multiplizieren wir die obige Gleichung mit und erhalten
Die so entstandenen Gleichungen zieht man voneinander ab und erhält
Aus der Induktionsvoraussetzung folgt, dass alle Koeffizienten , , sein müssen. Wegen folgt für und wegen ist dann auch .
Es sei ein Körper und es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei
eine lineare Abbildung.
Dann gibt es maximal viele Eigenwerte zu .
Beweis
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