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Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 27

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Einheitswurzeln in Zahlbereichen

Eine Einheitswurzel in einem kommutativen Ring ist das gleiche wie eine Torsionseinheit, also ein Element mit für ein . Die Menge aller Einheitswurzeln bilden eine Untergruppe der Einheitengruppe . Wir bezeichnen sie mit . Ebenso bildet die Menge aller -ten Einheitswurzeln eine Untergruppe, die wir mit bezeichnen. Da eine -te Einheitswurzel eine Nullstelle des Polynoms ist, gibt es über einem Körper und damit auch über einem Integritätsbereich nach Korollar 19.9 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)) maximal Nullstellen. Für einen Integritätsbereich ist also eine endliche Gruppe mit höchstens Elementen. Nach Satz 9.5 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)) handelt es sich um eine zyklische Gruppe. Wenn sie die Ordnung besitzt, so nennt man einen Erzeuger eine primitive Einheitswurzel. Für die abstrakte multiplikative geschrieben zyklische Gruppe mit Elementen schreiben wir und die Eigenschaft, dass ein Körper -te Einheitswurzeln besitzt schreiben wir kurz als .



Es sei ein normaler Integritätsbereich mit Quotientenkörper .

Dann ist .

Die Inklusion ist klar. Sei , sagen wir . Da die Ganzheitsgleichung

erfüllt, folgt aus der Normalität direkt, dass gehört.


Diese Beobachtung kann man für Zahlbereiche anwenden. Wir werden im Folgenden die Aussagen für die Zahlbereiche formulieren, wobei die Argumente teilweise über die Quotientenkörper, also über endliche Erweiterungen von , gehen, teilweise über den Zahlbereich selbst. Ohne die Voraussetzung normal ist die Aussage nicht richtig, wie das folgende Beispiel zeigt.


Wir betrachten den Ring

Der Quotientenkörper von ist , ist nicht normal. In gibt es nur die Einheitswurzeln und , im Quotientenkörper gibt es dagegen die Einheitswurzeln .




Es sei ein Zahlbereich, für den es zumindest eine reelle Einbettung gebe.

Dann ist die Gruppe der Einheitswurzeln gleich .

Dies folgt direkt aus einer Inklusion , da es in nur die beiden Einheitswurzeln und gibt und da Einheitswurzeln unter einem Ringhomomorphismus auf Einheitswurzeln abgebildet werden.


In den komplexen Zahlen gibt es alle Einheitswurzeln. Die Kreisteilungskörper und Kreisteilungsringe zeigen, dass man Einheitswurzeln in endlichen Erweiterungen von bzw. realisieren lassen. Die folgenden Aussagen zeigen, dass die Kreisteilungskörper im Wesentlichen durch ihre enthaltenen Einheitswurzeln bestimmt sind.


Es sei ein Körper der Charakteristik und sei .

Dann enthält genau dann eine primitive -te Einheitswurzel, wenn für den -ten Kreisteilungskörper gilt.

Die eine Richtung ist klar. Für die Rückrichtung sei eine primitive -te Einheitswurzel. Dies definiert einen Einsetzungshomomorphismus

Somit gibt es nach Lemma 19.9 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)) einen induzierten Ringhomomorphismus

mit einem Teiler von . Doch dann gibt es auch einen Ringhomomorphismus

Bei ist dies ein Widerspruch zur Ordnung von . Also ist und es gibt einen Ringhomomorphismus



Die Einheitswurzelgruppe des -ten Kreisteilungskörpers ist

bei gerade und

bei ungerade.

Nach Konstruktion der Kreisteilungskörper ist klar, dass die -ten Einheitswurzeln enthält. Wenn ungerade und eine primitive -te Einheitswurzel ist, so ist eine primitive -te Einheitswurzel und somit sind die Inklusionen klar. Es ist also noch zu zeigen, dass die Kreisteilungskörper keine weiteren Einheitswurzeln enthält. Dazu können wir annehmen, dass gerade ist. Es sei eine zusätzliche Einheitswurzel der Ordnung . Wir können annehmen, dass gerade und ein echtes Vielfaches von ist, da die von und einer primitiven -ten Einheitswurzel erzeugte Untergruppe wieder endlich und zyklisch und ihre Ordnung ein Vielfaches der beiden Ordnungen sein muss. Aus folgt nach Lemma 27.4. Es ist und mit und . Da ein Exponent echt größer ist, ergibt sich ein Widerspruch zu Satz 17.10.



Es sei ein Zahlbereich.

Dann ist endlich und zyklisch.

Wir argumentieren in der endlichen Erweiterung , die den Grad habe. Wir behaupten zunächst, dass die Ordnungen in beschränkt ist. Nehmen wir an, dass dies nicht der Fall ist, und sei , , eine streng wachsende (und damit unbeschränkte) Folge von natürlichen Zahlen, die als Ordnungen von Elementen aus vorkommen. Dann gilt nach Lemma 27.4 für die Kreisteilungskörper

Für der Grad gilt dann unter Verwendung von Satz 17.10

Wenn in den Primfaktorzerlegungen der Folgenglieder unendlich viele Primzahlen vorkommen, so ist

Wenn hingegen in den Primfaktorzerlegungen nur endlich viele Primzahlen vorkommen, so gibt es darin eine Teilfolge mit Primzahlpotenzen als Teiler mit . In diesem Fall ist . In beiden Fällen ergibt sich ein Widerspruch zur Endlichkeit von . Die Endlichkeit der Gruppe folgt daher mit Korollar 19.9 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)). Die Zyklizität folgt aus Satz 9.5 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)).



Es sei der imaginär-quadratische Zahlbereich mit Diskriminante .

Dann stimmt die Einheitengruppe mit der Einheitswurzelgruppe überein. Für diese gibt es die folgenden drei Möglichkeiten.

  1. Bei ist .
  2. Bei ist .
  3. Bei ist .

Wegen der expliziten Gestalt der Norm und Lemma 10.1 ist die Einheitengruppe endlich, stimmt also mit der Einheitswurzelgruppe überein. Es sei der quadratische Zahlbereich zur quadratfreien Zahl . Bei ist der Ring der Gaußschen Zahlen und es gibt die vier Einheiten , und es ist nach Lemma 9.9. Dies ist der einzige quadratische Zahlbereich mit Diskriminante . Bei liegt der Ring der Eisensteinzahlen vor, siehe Beispiel 7.4. Er ist zugleich der dritte und der sechste Kreisteilungsring und seine Einheitswurzelgruppe ist nach Lemma 27.5 gleich . Es sei also die Diskriminante . Die Norm von (mit ) ist durch gegeben. Wenn das Element zum Ganzheitsring gehört, so sind bei nach Satz 9.8 die Koeffizienten ganzzahlig und aus folgt und aus Lemma 10.1 folgt . Bei sind ebenfalls nach Satz 9.8 die Koeffizienten ganzzahlige Vielfache von und aus folgt wieder und .


Zu einer kommutativen Gruppe bezeichnen wir die Menge der Automorphismen mit . Dies ist selbst eine Gruppe mit der Hintereinanderschaltung als Verknüpfung. Für die kommutative Gruppe ist ein Gruppenhomomorphismus in sich durch das Bild des Erzeugers festgelegt, und ein Automorphismus liegt genau dann vor, wenn der Erzeuger auf einen Erzeuger abgebildet wird. Deshalb ist

einer Einheit rechts entspricht der Gruppenhomomorphismus . Für , die multiplikativ geschriebene zyklische Gruppe der Ordnung , gilt entsprechend

und der Einheit entspricht das Potenzieren . Die Beschreibung der Galoisgruppe für Kreisteilungskörper aus Satz 17.11 kann man somit als einen Gruppenisomorphismus

verstehen. Zwischen diesen beiden Gruppen besteht nun stets der folgende Zusammenhang.



Es sei eine endliche Körpererweiterung mit der Galoisgruppe und es sei

die Einheitswurzelgruppe zu .

Dann operiert in natürlicher Weise auf , d.h. es gibt einen Gruppenhomomorphismus

Wenn eine Galoiserweiterung vorliegt, so ist diese Abbildung surjektiv.

Nach Voraussetzung enthält die -ten Einheitswurzeln und damit ist nach Lemma 27.4. Insbesondere ist . Die Abbildung

ist nach Satz 17.11 ein Isomorphismus. Wenn galoissch ist, so ist nach Korollar 16.7 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)) auch galoissch über und die -Automorphismen lassen sich wegen Korollar 15.8 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)) nach fortsetzen.


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