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Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil II/Vorlesung 32

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Die Fakultätsfunktion


Die Fakultät einer natürlichen Zahl ist . Dabei gilt die rekursive Beziehung . Gibt es eine Möglichkeit, diese für die natürlichen Zahlen definierte Funktion auf durch eine differenzierbare Funktion fortzusetzen? Ist es sogar möglich, dass dabei die Beziehung für jedes gilt? Wir werden mit Hilfe von uneigentlichen Integralen zeigen, dass dies in der Tat möglich ist.


Es sei . Wir betrachten die Funktion

Wir behaupten, dass das uneigentliche Integral

existiert. Für den rechten Rand (also ) betrachten wir eine natürliche Zahl . Da die Exponentialfunktion schneller wächst als jede Polynomfunktion (siehe Aufgabe 15.15), gibt es ein derart, dass für alle gilt. Daher ist

Für wächst das linke Integral und ist durch beschränkt, sodass der Grenzwert existiert. Für das Verhalten am linken Rand (das nur bei problematisch ist) müssen wir wegen nach Lemma 31.4 nur betrachten. Eine Stammfunktion davon ist , deren Exponent positiv ist, sodass der Limes für existiert.


Das uneigentliche Integral

existiert also für . Dies ist der Ausgangspunkt für die Definition der Fakultätsfunktion.


Für , , heißt die Funktion

die Fakultätsfunktion.

Die für durch

definierte Funktion heißt Gammafunktion, mit der häufiger gearbeitet wird. Mit der Fakultätsfunktion werden aber die Formeln etwas schöner und insbesondere wird der Zusammenhang zur Fakultät, der in der folgenden Aussage aufgezeigt wird, deutlicher.



Die Fakultätsfunktion besitzt die folgenden Eigenschaften.

  1. Es ist für .
  2. Es ist .
  3. Es ist für natürliche Zahlen .
  4. Es ist .

(1) Mittels partieller Integration ergibt sich (für reelle Zahlen bei fixiertem )

Für geht und für geht (da positiv ist). Wendet man auf beide Seiten diese Grenzwertprozesse an, so erhält man .
(2). Es ist


(3) folgt aus (1) und (2) durch Induktion.
(4). Es ist

Dies ergibt sich mit der Substitution und dem sogenannten Fehlerintegral.

Die Fakultätsfunktion ist auch stetig und differenzierbar, was wir aber nicht beweisen werden.



Euklidische Vektorräume

Wir beginnen nun mit der höherdimensionalen Analysis. Dazu müssen wir zunächst die topologischen Grundbegriffe (Abstand, Folgen, Stetigkeit, Grenzwerte) auf den erweitern. Wir beginnen mit Vektorräumen mit einem Skalarprodukt.

Im Anschauungsraum kann man nicht nur Vektoren addieren und skalieren, sondern ein Vektor hat auch eine Länge, und die Lagebeziehung von zwei Vektoren zueinander wird durch den Winkel zwischen ihnen ausgedrückt. Länge und Winkel werden beide durch den Begriff des Skalarprodukts präzisiert. Dafür muss ein reeller Vektorraum oder ein komplexer Vektorräume vorliegen.


Es sei ein reeller Vektorraum. Ein Skalarprodukt auf ist eine Abbildung

mit folgenden Eigenschaften:

  1. Es ist

    für alle , und ebenso in der zweiten Komponente.

  2. Es ist

    für alle .

  3. Es ist für alle und genau dann, wenn ist.

Die dabei auftretenden Eigenschaften heißen Bilinearität, Symmetrie und positive Definitheit.


Auf dem ist die Abbildung

ein Skalarprodukt, das man das Standardskalarprodukt nennt. Einfache Rechnungen zeigen, dass dies in der Tat ein Skalarprodukt ist.


Beispielsweise ist im mit dem Standardskalarprodukt


Ein reeller, endlichdimensionaler Vektorraum, der mit einem Skalarprodukt versehen ist, heißt euklidischer Vektorraum.

Zu einem euklidischen Vektorraum ist jeder Untervektorraum selbst wieder ein euklidischer Vektorraum, da man das Skalarprodukt auf einschränken kann und dabei die definierenden Eigenschaften erhalten bleiben.

Im komplexen Fall sieht die Definition etwas anders aus. Es liegt keine Bilinearität und keine Symmetrie im strengen Sinne vor, sondern nur bis auf komplexe Konjugation. Diese Variante ist nötig, um die positive Definitheit zu sichern, auf der der Abstandsbegriff beruht.


Es sei ein komplexer Vektorraum. Ein Skalarprodukt auf ist eine Abbildung

mit folgenden Eigenschaften:

  1. Es ist

    für alle , und

    für alle , .

  2. Es ist

    für alle .

  3. Es ist für alle und genau dann, wenn ist.

Das auf dem durch

gegebene Skalarprodukt heißt (komplexes) Standardskalarprodukt.

Wir werden die beiden Fälle parallel behandeln. Wenn man zu einem komplexen Vektorraum mit einem Skalarprodukt den zugrunde liegenden reellen Vektorraum betrachten, so ist der Realteil des komplexen Skalarprodukts ein reelles Skalarprodukt, siehe Aufgabe 32.8. Daher kann man sich bei Abstandsfragen auf den reellen Fall konzentrieren.



Norm und Abstand

Mit einem Skalarprodukt kann man die Länge eines Vektors und damit auch den Abstand zwischen zwei Vektoren erklären.


Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt . Dann nennt man zu einem Vektor die reelle Zahl

die Norm von .



Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt und der zugehörigen Norm .

Dann gilt die Cauchy-Schwarzsche Abschätzung, nämlich

für alle .

Bei ist die Aussage richtig. Es sei also und damit auch . Damit hat man die Abschätzungen

Multiplikation mit und Wurzelziehen ergibt das Resultat.


Für von verschiedene Vektoren und in einem euklidischen Vektorraum folgt aus der der Ungleichung von Cauchy-Schwarz, dass

ist. Damit kann man mit Hilfe der trigonometrischen Funktion Kosinus (als bijektive Abbildung ) bzw. der Umkehrfunktion den Winkel zwischen den beiden Vektoren definieren, nämlich durch

Der Winkel ist also eine reelle Zahl zwischen und . Die obige Gleichung kann man auch als

schreiben, was die Möglichkeit eröffnet, das Skalarprodukt in dieser Weise zu definieren. Allerdings muss man dann für den Winkel eine unabhängige Definition finden. Dieser Zugang ist etwas intuitiver, hat aber rechnerisch und beweistechnisch viele Nachteile.




Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt . Dann gelten für die zugehörige Norm folgende Eigenschaften.

  1. Es ist .
  2. Es ist genau dann, wenn ist.
  3. Für und gilt
  4. Für gilt

Die ersten beiden Eigenschaften folgen direkt aus der Definition des Skalarprodukts.
Die Multiplikativität folgt aus


Zum Beweis der Dreiecksungleichung schreiben wir

Aufgrund von Satz 32.10 ist dies . Diese Abschätzung überträgt sich auf die Quadratwurzeln.


Die folgende Aussage heißt Polarisationsformel.


Es sei ein - Vektorraum mit Skalarprodukt und der zugehörigen Norm .

Dann gilt bei die Beziehung

und bei die Beziehung

Beweis

Siehe Aufgabe *****.



Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt . Zu Vektoren nennt man

den Abstand zwischen und .



Es sei ein Vektorraum über mit einem Skalarprodukt . Dann besitzt der zugehörige Abstand die folgenden Eigenschaften (dabei sind ).

  1. Es ist .
  2. Es ist genau dann, wenn .
  3. Es ist .
  4. Es ist

Beweis

Siehe Aufgabe 32.10.

Damit ist ein euklidischer Raum insbesondere ein metrischer Raum, womit wir uns in den nächsten Vorlesungen beschäftigen werden.



Isometrien

Es seien und euklidische Vektorräume und sei

eine lineare Abbildung. Dann heißt eine Isometrie, wenn für alle gilt:



Es seien und euklidische Vektorräume und sei

eine lineare Abbildung. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. ist eine Isometrie.
  2. Für alle ist .
  3. Für alle ist .

Die Richtungen und sind Einschränkungen und folgt aus Lemma 32.13.



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