Kurs:Analysis (Osnabrück 2021-2023)/Teil II/Vorlesung 36
- Weitere Stetigkeitsbegriffe
Bei der Stetigkeit von Abbildungen zwischen metrischen Räumen weiß man lediglich, dass jede gewünschte Zielgenauigkeit durch eine gewisse Startgenauigkeit erreicht werden kann, wobei die Beziehung zwischen Ziel- und Startgenauigkeit vom jeweiligen Punkt abhängt. Wir führen einige stärkere Stetigkeitsbegriffe ein, bei denen es einen globaleren Zusammenhang zwischen Ziel- und Startgenauigkeiten gibt.
Es sei
eine Abbildung zwischen den metrischen Räumen und . Dann heißt gleichmäßig stetig, wenn es zu jedem ein mit folgender Eigenschaft gibt: Für alle mit ist .
Es sei
eine Abbildung zwischen den metrischen Räumen und . Die Abbildung heißt Lipschitz-stetig, wenn es eine reelle Zahl mit
für alle gibt.
Eine solche Zahl heißt Lipschitz-Konstante. Lipschitz-stetige Funktionen mit einer Lipschitz-Konstanten bekommen einen eigenen Namen.
Es sei
eine Abbildung zwischen den metrischen Räumen und . Dann heißt stark kontrahierend, wenn es eine nichtnegative reelle Zahl gibt mit
für alle .
Die Zahl nennt man auch einen Kontraktionsfaktor.
- Der Banachsche Fixpunktsatz
Wenn man eine Karte von Osnabrück in die Osnabrücker Reithalle legt und einen beliebigen Punkt von Osnabrück nimmt, so definiert dieser Punkt einen Punkt auf der Karte und damit auch den zugehörigen Punkt in der Reithalle. Diesem Punkt entspricht ein Kartenpunkt, der wiederum ein Punkt in der Reithalle ist, und so weiter. Man erhält also eine Folge von Punkten, die - abhängig vom Maßstab - schnell konvergiert, und zwar gegen einen Punkt, der mit seinem Punkt auf der Karte übereinstimmt. Diese Beobachtung wird im Banachschen Fixpunktsatz präzisiert.
Eine Folge in einem metrischen Raum heißt Cauchy-Folge, wenn folgende Bedingung erfüllt ist.
Zu jedem , , gibt es ein derart, dass für alle die Beziehung
gilt.
Ein metrischer Raum heißt vollständig, wenn jede Cauchy-Folge in konvergiert.
Der euklidische Raum und jede abgeschlossene Teilmenge davon ist vollständig, siehe Aufgabe 36.9 und Aufgabe 36.22.
Es sei ein nicht-leerer vollständiger metrischer Raum und
stark kontrahierende Abbildung.
Dann besitzt genau einen Fixpunkt.
Es sei , , ein Kontraktionsfaktor, d.h. es gelte
für alle . Wenn Fixpunkte sind, so folgt aus
sofort
und somit
,
es kann also maximal einen Fixpunkt geben.
Es sei nun
ein beliebiger Punkt. Wir betrachten die durch
rekursiv definierte Folge in . Wir setzen
Dann gilt für jedes die Beziehung
Daher gilt aufgrund der Dreiecksungleichung und der geometrischen Reihe für die Beziehung
Zu einem gegebenen wählt man mit
Dies zeigt, dass eine
Cauchy-Folge
vorliegt, die aufgrund der
Vollständigkeit
gegen ein
konvergiert.
Wir zeigen, dass dieses ein Fixpunkt ist. Die Bildfolge konvergiert gegen , da eine kontrahierende Abbildung stetig ist. Andererseits stimmt diese Bildfolge mit der Ausgangsfolge bis auf die Indizierung überein, sodass der Grenzwert sein muss.
- Kompaktheit
Eine Teilmenge heißt kompakt, wenn sie abgeschlossen und beschränkt ist.
Es sei eine Teilmenge.
Dann ist genau dann kompakt, wenn jede Folge in eine in konvergente Teilfolge besitzt.
Wenn nicht
beschränkt
ist, so gibt es zu jeder natürlichen Zahl
ein
mit
.
Diese Folge kann keine konvergente Teilfolge besitzen. Wenn nicht
abgeschlossen
ist, so gibt es nach
Satz 33.16
eine Folge
,
die gegen ein ,
konvergiert.
Jede Teilfolge davon konvergiert ebenfalls gegen , sodass es keine in konvergente Teilfolge geben kann.
Es sei nun abgeschlossen und beschränkt, und sei eine Folge
vorgegeben. Für diese Folge ist insbesondere jede Komponentenfolge beschränkt. Wir betrachten die erste Komponente
.
Nach dem
Satz von Bolzano-Weierstrass
gibt es eine Teilfolge derart, dass die erste Komponente dieser Folge konvergiert. Aus dieser Teilfolge wählen wir nun eine weitere Teilfolge derart, dass auch die zweite Komponentenfolge konvergiert. Insgesamt erhält man durch dieses Verfahren eine Teilfolge, wo jede Komponentenfolge konvergiert. Nach
Lemma 33.14
konvergiert dann die gesamte Teilfolge in . Da abgeschlossen ist, liegt nach
Satz 33.16
der Grenzwert in .
Es sei eine kompakte Teilmenge und sei
eine stetige Abbildung in einen metrischen Raum .
Dann ist gleichmäßig stetig.
Wir nehmen an, dass nicht gleichmäßig stetig ist. Dann gibt es ein derart, dass für kein die Beziehung für alle erfüllt ist. Insbesondere gibt es also für jedes ein Paar mit , aber mit . Wegen der Kompaktheit gibt es aufgrund von Satz 36.9 eine Teilfolge (dabei ist unendlich) von , die gegen ein konvergiert. Die entsprechende Teilfolge konvergiert ebenfalls gegen . Wegen der Stetigkeit konvergieren die beiden Bildfolgen und gegen . Dies ergibt aber einen Widerspruch, da ist.
Es sei eine Folge, wobei wir mit schreiben können. Da kompakt ist, gibt es nach Satz 36.9 eine konvergente Teilfolge , die gegen ein konvergiert. Aufgrund der Stetigkeit konvergiert auch die Bildfolge gegen . Damit ist eine konvergente Teilfolge gefunden und ist kompakt nach Satz 36.9.
Es sei eine nichtleere kompakte Teilmenge und sei
eine stetige Funktion.
Dann gibt es ein mit
D.h., dass die Funktion ihr Maximum (und ihr Minimum) annimmt.
Aufgrund von Satz 36.11 ist kompakt, also abgeschlossen und beschränkt. Insbesondere ist für eine reelle Zahl . Wegen besitzt wegen Satz 7.5 ein Supremum in , das wegen der Abgeschlossenheit nach Korollar 33.18 zu gehört, also das Maximum von ist. Daher gibt es auch ein mit .
Es sei ein Polynom.
Dann gibt es ein mit
für alle .
D.h. das Minimum des Betrags eines Polynoms wird angenommen.
Es sei
(mit ). Wir setzen und . Bei ist die Aussage klar, sei also . Für mit gelten die Abschätzungen
Auf der kompakten Menge nimmt die stetige Funktion nach Satz 36.12 ihr Minimum an, d.h. es gibt ein mit für alle . Wegen und der Überlegung für mit ergibt sich, dass im Punkt überhaupt das Minimum der Funktion angenommen wird.
- Der Fundamentalsatz der Algebra
Jedes nichtkonstante Polynom über den komplexen Zahlen
besitzt eine Nullstelle.
Es sei ein nichtkonstantes Polynom. Aufgrund von Lemma 36.13 gibt es ein mit für alle . Wir müssen zeigen, dass dieses Betragsminimum ist. Wir nehmen also an, dass ist, und müssen dann ein finden, an dem der Betrag des Polynoms kleiner wird. Durch Verschieben (d.h. indem wir die Situation in der neuen Variablen betrachten) können wir annehmen, dass das Minimum an der Stelle angenommen wird, und durch Division durch können wir annehmen, dass das Polynom im Nullpunkt den Wert besitzt. D.h. wir können annehmen, dass ein Polynom
mit und vorliegt, das im Nullpunkt das Betragsminimum annimmt. Wegen Korollar 21.9 gibt es ein mit . Wir setzen (das ist eine Variablenstreckung). In der neuen Variablen erhalten wir ein Polynom der Form
das nach wie vor im Nullpunkt das Betragsminimum annimmt (hierbei ist ein Polynom). Aufgrund von Satz 36.12 gibt es ein mit für alle . Für reelles mit gilt
Wir haben also Stellen gefunden, wo der Betrag des Polynoms einen kleineren Wert annimmt, ein Widerspruch.
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