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Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil II/Vorlesung 53

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Die rationalen Exponentialfunktionen

Zu einer positiven Zahl aus einem angeordenten Körper haben wir in der 27. Vorlesung die ganzzahlige Exponentialfunktion , , zur Basis besprochen, die einer ganzen Zahl den Wert zuordnet. Für den Fall kann man den Definitionsbereich wesentlich erweitern, und zwar in zwei Schritten. Wir besprechen zunächst die Ausdehnung von auf und anschließend die Ausdehung von auf , ohne dafür die Einzelheiten zu beweisen. Ausgangspunkt ist die Bezeichnungsweise für , die zu Beginn willkürlich erscheinen mag, die sich aber durch eine schlagkräftige Gesetzmäßigkeit überzeugend rechtfertigen lässt.


Zu und mit () setzt man

Insbesondere setzt man

Bei stimmt diese Schreibweise mit den früher gemachten Festlegungen überein. Die Existenz und Eindeutigkeit der Zahlen (wenn also Zähler und Nenner fixiert sind) ist durch Satz 48.7 gesichert (insbesondere sind dies stets positive Zahlen). Auf dieser Eindeutigkeit beruht auch das Potenzprinzip, mit dem man in der Regel die Gleichheit von Wurzelausdrücken begründet: Zwei positive reelle Zahlen stimmen bereits dann überein, wenn eine gewisse gleichnamige Potenz von ihnen übereinstimmt. Eine erste Anwendung dieses Prinzips ist die Wohldefiniertheit der Definition von . Man muss sich nämlich noch klar machen, dass bei verschiedenen Bruchdarstellungen

das gleiche herauskommt. Dies ergibt sich aus

Dabei gilt die erste Gleichung, da die -te Potenz auch links ergibt.

Statt mit kann man genauso gut mit arbeiten. Die -te Potenz von ist natürlich . Es ist aber nach Lemma 23.13  (4) auch



Es sei eine positive reelle Zahl. Dann besitzt die Funktion

folgende Eigenschaften.

  1. Es ist für alle .
  2. Es ist .
  3. Für und ist .
  4. Für und ist .
  5. Für ist streng wachsend.
  6. Für ist streng fallend.
  7. Es ist für alle .
  8. Für ist .
  1. Wir können annehmen, dass die Exponenten mit einem gemeinsamen Nenner vorliegen, also und . Dann ist unter Verwendung von Lemma 27.7  (4) (angewendet für die Basis und die ganzzahligen Exponenten und )
  2. Sei . Dann ist unter Verwendung von Lemma 27.7  (5)
  3. Sei

    also . Mit ist nach Lemma 19.13  (8) auch und davon ist auch die -te Wurzel .

  4. Wird ähnlich wie (3) begründet.
  5. Dies folgt aus (1) und (3). Es sei nämlich . Dann ist

    mit . Dann ist

  6. Wird ähnlich wie (5) begründet.
  7. Sei und . Dann ist unter Verwendung von Lemma 23.13  (4) und Lemma 48.8  (1)
  8. Mit

    ist unter Verwendung von Lemma 48.8  (2) und Lemma 23.13  (5)


Diese Eigenschaften sind für ganzzahlige Argumente aus Lemma 27.7 und aus Lemma 27.8 vertraut. Die erste Eigenschaft nennt man auch die Funktionalgleichung der Exponentialfunktion. Sie bedeutet, dass zu jedem ein Gruppenhomomorphismus

vorliegt. Für sind diese nach Lemma 53.2  (6) bzw. Lemma 53.2  (7) und Lemma 25.14 injektiv.



Die reellen Exponentialfunktionen
Die Exponentialfunktionen für die Basen und .

Die oben auf den rationalen Zahlen definierten Exponentialfunktionen besitzen eine Fortsetzung auf die reellen Zahlen, die entsprechend mit

bezeichnet wird. Die Fortsetzbarkeit beruht auf folgendem Lemma.


Es sei

eine monotone Funktion.

Dann ist für jedes und jede rationale streng wachsende Folge , , die gegen konvergiert, die Folge konvergent mit einem nur von abhängigen Grenzwert.

Ohne Einschränkung sei wachsend. Es sei eine rationale streng wachsende Folge, die gegen konvergiert. Dann ist auch eine wachsende Folge. Es sei mit . Dann ist auch

für alle . Die Bildfolge ist also wachsend und nach oben beschränkt, daher besitzt sie nach Korollar 47.3 einen Grenzwert in . Es sei eine weitere rationale streng wachsende Folge, die gegen konvergiert. Dann gibt es zu jedem ein mit

Wegen der Monotonie von überträgt sich dies auf die Bildfolgen, d.h. es ist

Somit ist

und wegen der Symmetrie der Situation konvergieren beide Folgen gegen den gleichen Grenzwert.

Die vorstehende Situation bedeutet, dass man für Zahlen durch die Festlegung

mit einer beliebigen rationalen streng wachsenden Folge , die gegen konvergiert, eine auf ganz definierte Funktion erhält. Da wir für nicht die Stetigkeit voraussetzen, kann sich für rationale Zahlen der Funktionswert bei dieser Konstruktion ändern.

Dieses Fortsetzungsverfahren wenden wir auf die Exponentialfunktion an, d.h. für ist

Für rationale Zahlen ändert sich dabei der Wert nicht, da die rationale Exponentialfunktionen stetig sind. Dies ergibt sich genau so wie die Stetigkeit der auf definierten Exponentialfunktionen weiter unten aus der Funktionalgleichung und der Monotonie.


Es sei eine positive reelle Zahl. Die Funktion

heißt Exponentialfunktion zur Basis .

Die in Lemma 53.2 gezeigten Eigenschaften übertragen sich auf die reellen Zahlen.



Es sei eine positive reelle Zahl. Dann besitzt die Exponentialfunktion

folgende Eigenschaften.

  1. Es ist für alle .
  2. Es ist .
  3. Für und ist .
  4. Für und ist .
  5. Für ist streng wachsend.
  6. Für ist streng fallend.
  7. Es ist für alle .
  8. Für ist .

Wir beweisen (1), die anderen Eigenschaften ergeben sich ähnlich, siehe Aufgabe 53.10. Es sei eine wachsende rationale Folge, die gegen konvergiert, und eine wachsende Folge, die gegen konvergiert. Dann ist nach Lemma 44.11  (1) die Folge eine wachsende rationale Folge, die gegen konvergiert. Somit ist unter Verwendung der rationalen Funktionalgleichung und von Lemma 44.11  (2)



Es sei eine positive reelle Zahl. Dann ist die Exponentialfunktion

stetig.

Sei . Wir zeigen zuerst die Stetigkeit im Nullpunkt. Da nach Aufgabe ***** die Folge , , gegen konvergiert, und da die Exponentialfunktion wachsend ist, gibt es zu jedem positiven ein positives mit der Eigenschaft, dass aus

die Abschätzung

folgt. Es sei nun beliebig und vorgegeben. Wir betrachten ein , das zu

die Stetigkeit im Nullpunkt sichert. Dann gilt unter Verwendung von Lemma 53.5  (1) für mit

die Abschätzung



Es sei eine positive reelle Zahl. Dann ist die Exponentialfunktion

ein bijektiver Gruppenhomomorphismus.

Die Homomorphieeigenschaft folgt direkt aus der Funktionalgleichung, die Injektivität folgt aus der der Monotonieeigenschaft in Zusammenhang mit Lemma 25.14. Zum Nachweis der Surjektivität sei vorgegeben. Nach Lemma 27.9 gibt es ganze Zahlen mit

Aufgrund des Zwischenwertsatzes, den wir wegen der in Satz 53.6 bewiesenen Stetigkeit der Exponentialfunktionen anwenden können, gibt es ein mit

was die Surjektivität bedeutet.


Eine besonders wichtige Exponentialfunktion ergibt sich, wenn man als Basis die Eulersche Zahl nimmt, die wir als

eingeführt haben. In Bemerkung 48.12 haben wir erwähnt, dass diese Zahl mit

übereinstimmt. Für diese Exponentialfunktion gibt es ebenfalls eine weitere Darstellung, die sich an dieser Reihe orientiert, die Darstellung als Potenzreihe. Diese Übereinstimmung können wir hier nicht beweisen.


Für die Exponentialfunktion zur Basis gilt die Darstellung

Eine Besonderheit dieser Funktion ist, dass sie mit ihrer Ableitung übereinstimmt. Die Steigung der Tangenten an einem Punkt des Graphen stimmt also stets mit dem Funktionswert überein. Der Satz bedeutet insbesondere, dass die Reihe für jedes konvergiert, wobei diese Konvergenz im Allgemeinen recht schnell ist.



Logarithmen

Zu sind die reellen Exponentialfunktionen

stetig, streng wachsend oder streng fallend und bijektiv. Wir betrachten die Umkehrfunktionen dazu.


Zu einer positiven reellen Zahl , , wird der Logarithmus zur Basis als Umkehrfunktion zur reellen Exponentialfunktion zur Basis definiert. Der Wert dieser Funktion an der Stelle wird mit

bezeichnet.

Aus der Umkehreigenschaft ergeben sich direkt die Beziehungen

und

Der Logarithmus zur Basis wird auch als natürlicher Logarithmus, geschrieben , bezeichnet. Die Logarithmen sind nach Satz 53.6 und Satz 52.10 stetige, bijektive Abbildungen

Logarithmen zu verschiedenen Basen

Die folgenden Regeln ergeben sich direkt aus der Definition der Logarithmen als Umkehrfunktionen der Exponentialfunktionen.


Die Logarithmen zur Basis erfüllen die folgenden Rechenregeln.

  1. Es gilt .
  2. Es gilt für .
  3. Es gilt

Beweis

Siehe Aufgabe 53.23.


Ein Rechenschieber kann eine Multiplikation durch eine vektorielle Addition (verschieben) ausführen, da die Zahlen logarithmisch angeordnet sind.

Das Prinzip des Rechenschiebers beruht auf den Logarithmen. Man möchte die reellen Zahlen und miteinander multiplizieren. Man berechnet zu einer fixierten Basis die zugehörigen Logarithmen, also und . Dann addiert man und berechnet davon den Wert der Exponentialfunktion zur Basis . Dies ist nach Lemma 53.10  (1) gleich

also das gesuchte Produkt. Die Berechnungen des Logarithmus und der Exponentialfunktion können dabei durch hinreichend genaue Wertetabellen oder eben durch eine logarithmische Skala auf dem Rechenschieber ersetzt werden. Die Addition der Logarithmen wird dabei mechanisch durch das Verschieben der beweglichen Skala bewerkstelligt. Auf einer logarithmischen Skala werden die Zahlen zwischen und auf einer Strecke so angeordnet, dass die (auf der üblichen Skala) Stelle mit bezeichnet wird. Die Skala ergibt sich auch, wenn man auf dem Graphen des Logarithmus die Werte an den Stellen zwischen und markiert und diese Punkte auf die -Achse projiziert.



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