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Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 22/kontrolle

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Orthonormalsysteme

Es sei ein - Vektorraum mit Skalarprodukt . Eine Familie von Vektoren , , von heißt Orthonormalsystem, wenn

gilt.

Zu einem gegebenen Orthonormalsystem , , und einem Vektor spielen die Koeffizienten eine wichtige Rolle, man spricht von den Fourierkoeffizienten des Vektors bezüglich des Systems, wobei diese Sprechweise insbesondere im Kontext von Fourierreihen verwendet wird. Eine wichtige Frage ist, in welcher Beziehung zu steht, wobei bei unendlich zuerst zu klären ist, in welchem Sinne eine solche unendlich Summe verstanden werden kann. Im endlichen Fall haben wir folgende Beschreibung, auf die man weitere Resultate zurückführen kann.



Lemma  Lemma 22.2 ändern

Es sei ein - Vektorraum mit einem Skalarprodukt , sei , , ein endliches Orthonormalsystem mit dem davon erzeugten Untervektorraum .

Dann gilt für die orthogonale Projektion

Es sei

es ist nach Korollar 21.8 lediglich zu zeigen, dass orthogonal zu den ist. Dies ergibt sich direkt aus



Es sei eine endliche Menge und

die Menge der -wertigen Funktionen auf , versehen mit dem Standardskalarprodukt. Eine Funktion kann einfach durch eine vollständige Wertetabelle beschrieben werden. Es kann aber auch sinnvoll sein, die Funktion durch eine Funktion aus einem vorgegebenen Untervektorraum zu approximieren. Dabei liefert das Skalarprodukt und die zugehörige orthogonale Projektion auf ein naheliegendes Hilfsmittel, um eine optimale Approximation zu finden. Nach Korollar 21.7 ist diejenige Funktion, die unter allen Funktionen aus zu den minimalen Abstand besitzt, wobei der Abstand zu über das Skalarprodukt gegeben ist, also durch

Wenn , , eine Orthonormalbasis von ist, so ist

nach Lemma 22.2 die beste Approximation. Das so bestimmte minimiert also die Summe der einzelnen Differenzquadrate, man spricht von der Methode der kleinsten Fehlerquadrate.

Eine typische Anwendung ist, wenn Messtellen repräsentiert, etwa , und Messergebnisse, die eventuell fehlerhaft sein können. Man weiß aus physikalischen Gründen, dass die Abhängigkeit einer gewissen Gesetzmäßigkeit gehorchen muss, beispielsweise ein linearer Zusammenhang sein muss oder als Flugbahn eines Planeten eine Ellipse sein muss oder ähnliches. Diese Gesetzmäßigkeit legt den (typischerweise niedrigdimensionalen) Untervektorraum fest, in dem nach einer optimalen Approximation gesucht wird, das den Messergebnissen möglichst nahe kommt.



Beispiel  Beispiel 22.4 ändern

Von einer unbekannten Funktion sei der Datensatz gegeben und es sei bekannt, dass eine affin-lineare Funktion sein muss. Der Datensatz beruht auf Messungen, in denen Fehler und Ungenauigkeiten vorkommen können, die drei Punkte liegen nicht wirklich auf einer Geraden. Es wird nach der affin-linearen Funktion gesucht, die gut zu den Daten passt. Wir betrachten die Abbildung

die einem Parameterpaar , das die affin-lineare Funktion repräsentiert, die Auswertung an den drei Punkten zuordnet. Dabei ist eine injektive lineare Abbildung und das Bild ist ein zweidimensionaler Untervektorraum von . Diese Ebene steht senkrecht zum Vektor , eine Basis ist durch und gegeben (die unter von der Basis und des herrührt). Die optimale Approximation (im Sinne der euklidischen Norm bzw. im Sinne der kleinsten Fehlerquadrate) ist die orthogonale Projektion des Wertetupels auf die Ebene. Dies führt zum linearen Gleichungssystem

mit den Lösungen , und . Daher ist

Der entsprechende Punkt auf dem ist

Die beste Approximation ist also

Es ist , und .




Satz  Satz 22.5 ändern

Es seien verschiedene reelle Zahlen, , und reelle Zahlen. Es sei[1] und .

Dann ist die affin-lineare Funktion mit

und

die optimale lineare Approximation für den Datensatz

im Sinne der minimalen Fehlerquadrate.

D.h. die Summe der Fehlerquadrate wird für die angegebenen Koeffizienten und minimal.

Wir betrachten die Abbildung

Diese Abbildung ist linear und injektiv, da

und

linear unabhängig sind. Es sei

Es geht darum, die orthogonale Projektion von auf zu bestimmen. Der Vektor

ist normiert. Wegen

bildet

zusammen mit eine Orthonormalbasis von . Es entspricht der konstanten Funktion und der affin-linearen Funktion . Nach Lemma 22.2 ist

dabei ist

und

Somit ist die optimale affin-lineare Funktion gleich

also ist

und


Den Graphen der approximierenden affin-linearen Funktion im vorstehenden Satz nennt man Ausgleichsgerade.


In der Situation von Beispiel 22.4 kommt man mit Satz 22.5 deutlich schneller ans Ziel. Es ist

und daher

und




Vollständige Orthonormalsysteme

Ein Orthonormalsystem , , in einem - Vektorraum mit Skalarprodukt heißt vollständig oder eine Hilbertbasis, wenn der von den erzeugte Untervektorraum dicht in ist.

Die folgende Aussage heißt Besselsche Abschätzung.


Lemma  Lemma 22.8 ändern

Es sei ein - Vektorraum mit einem Skalarprodukt und sei , , ein Orthonormalsystem.

Dann ist für jeden Vektor die Familie , , summierbar und es gilt

Für jede endliche Teilmenge schreiben wir

(dabei ist orthogonal zu und hängt von ab) und erhalten aufgrund der Orthogonalitätsbeziehungen

Nach Aufgabe 17.14 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) ist die Familie summierbar und ihre Summe ist durch beschränkt.



Es sei ein - Hilbertraum und sei , , ein Orthonormalsystem.

Dann ist zu einem Vektor die Vektorenfamilie , , summierbar.

Für jede endliche Teilmenge ist

was nach Lemma 22.8 durch beschränkt ist. Daher ist die Familie eine Cauchy-Familie und somit wegen der Vollständigkeit des Raumes nach Lemma 19.3 summierbar.


Im Allgemeinen gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen und , man denke etwa an kleine Orthonormalsysteme. Der folgende Satz charakterisiert die vollständigen Orthonormalsysteme.


Satz  Satz 22.10 ändern

Es sei ein - Vektorraum mit einem Skalarprodukt und sei , , ein Orthonormalsystem. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. Die Familie ist vollständig.
  2. Für jedes gilt
  3. Für jedes gilt

Von (1) nach (2). Die Vollständigkeit des Orthonormalsystems bedeutet, dass es zu jedem Vektor und jedem ein Koeffiziententupel mit einer endlichen Trägermenge mit

gibt. Nach Lemma 22.2 erfüllt erst recht diese Eigenschaft. Dies heißt aber, dass die Summe gleich ist. Von (2) nach (1) ergibt sich aus Lemma 19.4.

Zum Nachweis der Äquivalenz von (2) und (3) ziehen wir für eine endliche Teilmenge die Gleichung

heran. (2) bedeutet, dass die linke Seite beliebig klein wird, (3) bedeutet, dass die rechte Seite beliebig klein wird, daher sind die Eigenschaften äquivalent.

Die Gleichung in (3) des vorstehenden Satzes nennt man auch Parsevalsche Gleichung.



Es sei , , ein Orthonormalsystem in einem - Hilbertraum .

Dann kann man das System zu einem vollständigen Orthonormalsystem ergänzen.

Beweis

Siehe Aufgabe 22.12.


In einem - Vektorraum mit Skalarprodukt kann man ein gegebenes System von linear unabhängigen Vektoren , , mit Hilfe des Orthonomalisierungsverfahrens im endlichdimensionalen Fall in ein abzählbar unendliches Orthonormalsystem überführen. Speziell kann man in einem separablen Hilbertraum aus jeder linear unabhängigen Familie, die einen dichten Untervektorraum erzeugt, ein abzählbares vollständiges Orthonormalsystem gewinnen.




Es sei ein - Hilbertraum und sei , , ein vollständiges Orthonormalsystem. Dann nennt man zu die Darstellung

die Fourierentwicklung von und die rechte Seite eine Fouriersumme. Die Koeffizienten heißen Fourierkoeffizienten.

Im separablen Fall, wenn das vollständige Orthonormalsystem abzählbar ist und durch , , (oder als geordnete Indexmenge) gegeben ist, so nennt man die Darstellung

auch die Fourierreihe zu bezüglich des gegebenen Systems. Die Sprechweise wird insbesondere bei periodischen Funktionen der Periodenlänge mit dem trigonometrischen Orthonormalsystem verwendet, siehe insbesondere Satz 23.6. Bei anderer Periodenlänge ist der Sprachgebrauch nicht einheitlich.



Fußnoten
  1. bzw. bezeichnen also den Durchschnitt der Messstellen bzw. der Messwerte.