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Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I/Vorlesung 22

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Kriterien für Extrema

In der zwanzigsten Vorlesung haben wir gesehen, dass es eine notwendige Bedingung für die Existenz eines Extremums einer differenzierbaren Funktion ist, dass die Ableitung an der in Frage stehenden Stelle gleich ist. Wir formulieren nun ein wichtiges hinreichendes Kriterium, das auf die höheren Ableitungen Bezug nimmt.


Es sei ein reelles Intervall,

eine -mal stetig differenzierbare Funktion, und ein innerer Punkt des Intervalls. Es gelte

Dann gelten folgende Aussagen.
  1. Wenn gerade ist, so besitzt in kein lokales Extremum.
  2. Es sei ungerade. Bei besitzt in ein isoliertes lokales Minimum.
  3. Es sei ungerade. Bei besitzt in ein isoliertes lokales Maximum.

Unter den Voraussetzungen wird die Taylor-Formel zu

mit (abhängig von ) zwischen und . Je nachdem, ob oder ist, gilt auch (wegen der vorausgesetzten Stetigkeit der -ten Ableitung) bzw. für für ein geeignetes . Für diese ist auch , sodass das Vorzeichen von vom Vorzeichen von abhängt.
Bei gerade ist ungerade und daher wechselt das Vorzeichen bei (bei ist das Vorzeichen negativ und bei ist es positiv). Da das Vorzeichen von sich nicht ändert, ändert sich das Vorzeichen von . Das bedeutet, dass kein Extremum vorliegen kann.
Es sei nun ungerade. Dann ist gerade, sodass für alle in der Umgebung ist. Das bedeutet in der Umgebung bei , dass ist und in ein isoliertes Minimum vorliegt, und bei , dass ist und in ein isoliertes Maximum vorliegt.


Ein Spezialfall davon ist, dass bei und ein isoliertes Minimum und bei und ein isoliertes Maximum vorliegt.




Die Taylor-Reihe
Die reelle Sinusfunktion zusammen mit verschiedenen approximierenden Taylorpolynomen (von ungeradem Grad).

Es sei ein Intervall,

eine unendlich oft differenzierbare Funktion und . Dann heißt

die Taylor-Reihe zu im Entwicklungspunkt .



Es sei eine Potenzreihe, die auf dem Intervall konvergiere, und es sei

die dadurch definierte Funktion.

Dann ist unendlich oft differenzierbar und die Taylor-Reihe im Entwicklungspunkt stimmt mit der vorgegebenen Potenzreihe überein.

Die unendliche Differenzierbarkeit folgt direkt aus Satz 21.1 durch Induktion. Daher existiert die Taylor-Reihe insbesondere im Punkt . Es ist also lediglich noch zu zeigen, dass die -te Ableitung von in den Wert besitzt. Dies folgt aber ebenfalls aus Satz 21.1.



Wir betrachten die Funktion

mit

Wir behaupten, dass diese Funktion unendlich oft differenzierbar ist, was nur im Nullpunkt nicht offensichtlich ist. Man zeigt zunächst durch Induktion, dass sämtliche Ableitungen von (und der rechtsseitige Differenzenquotient im Nullpunkt) die Form mit gewissen Polynomen besitzen und dass davon der Limes für stets ist (siehe Aufgabe 22.4 und Aufgabe 22.5.). Daher ist der (rechtsseitige) Limes für alle Ableitungen gleich und existiert. Alle Ableitungen am Nullpunkt haben also den Wert und daher ist die Taylor-Reihe im Nullpunkt die Nullreihe. Die Funktion ist aber in keiner Umgebung des Nullpunktes die Nullfunktion, da ist.




Potenzreihenansatz

Die Taylor-Reihe einer hinreichend oft differenzierbaren Funktion liefert häufig eine gute Approximation für die Funktion. Definitionsgemäß muss man zur Berechnung der Taylor-Reihe die Funktion ableiten. Für „implizit“ gegebene Funktionen kann man sie aber auch direkt bestimmen, was wir hier anhand typischer Beispiele demonstrieren (Potenzreihenansatz). Als Faustregel gilt dabei, dass man lediglich die -ten Ableitungen der die Funktion definierenden Daten kennen muss, um das -te Taylor-Polynom der Funktion zu bestimmen. Wir verzichten weitgehend auf Konvergenzüberlegungen. Wenn aber die Daten durch Potenzreihen gegeben sind, so konvergieren die im Folgenden beschriebenen Taylor-Reihen auf einem gewissen Intervall und stellen eine Funktion dar.

Es seien

und

Funktionen, für die die Taylor-Polynome in den Entwicklungspunkten und bis zum Grad bekannt seien (insbesondere seien also diese Funktionen bis zur Ordnung differenzierbar). Dann ist die hintereinandergeschaltete Funktion

bis zur Ordnung differenzierbar. Das zugehörige Taylor-Polynom lässt sich direkt berechnen: Es sei dazu das Taylor-Polynom zu und das Taylor-Polynom zu . Dann stimmt das Taylor-Polynom von bis zum Grad mit dem Polynom bis zum Grad überein (das Polynom hat im Allgemeinen einen Grad . Man denke an und und ). D.h. man muss in überall durch ersetzen, durch Umsortieren ein Polynom in erhalten und davon die Monome vom Grad weglassen (diese Monome muss man also nicht ausrechnen).


Es sei

eine -fach differenzierbare Funktion, für die das Taylor-Polynom im Entwicklungspunkt bis zum Grad bekannt sei und für die sei. Dann ist die Funktion auf einem offenen Intervall um definiert und nach Lemma 19.7  (4) differenzierbar in . Aufgrund von Satz 14.13 gilt (für )

bzw.

d.h. für die Funktion ist die Taylor-Reihe im Entwicklungspunkt bekannt. Wir ersetzen durch , sodass gilt. Dann kann man die Funktion als die Verknüpfung von mit der Funktion schreiben. Daher erhält man wegen Bemerkung 22.5 das Taylor-Polynom bis zum Grad von , indem man in das Taylor-Polynom (bis zum Grad ) von im Entwicklungspunkt einsetzt und beim Grad abschneidet. Das Taylor-Polynom von erhält man, indem man durch teilt.



Wir möchten die Taylor-Reihe bis zum Grad von im Entwicklungspunkt gemäß Bemerkung 22.6 bestimmen. Nach Definition 18.10 ist

Zur Berechnung des Taylor-Polynoms bis zum Grad braucht man nur die angeführte Entwicklung des Kosinus bis zum Grad . Das Taylorpolynom bis zum Grad von im Nullpunkt ist somit

Dabei wurden nur die für den Grad relevanten Monome ausgerechnet. Das gesuchte Taylorpolynom ist also


Es sei

( seien reelle Intervalle) eine bijektive, -mal differenzierbare Funktion, und in einem festen Punkt gelte . Nach Satz 19.9 ist die Umkehrfunktion

ebenfalls differenzierbar. Die Taylorreihe bis zum Grad der Umkehrfunktion kann man aus der Taylorreihe bis zum Grad von berechnen. Man macht dazu ausgehend von den Ansatz

Dabei steht rechts die Taylor-Reihe der Identität, und links muss man das zu bestimmende Polynom mit unbestimmten Koeffizienten ansetzen und in das Polynom einsetzen (die Gleichung kann nicht als eine polynomiale Identität gelten, sondern nur, wenn man Terme vom Grad ignoriert). Der Einfachheit halber sei und . Es sei (mit ) vorgegeben und gesucht. Dies führt zur Gesamtbedingung

Damit erhält man die Einzelbedingungen (durch Koeffizientenvergleich zu jedem Grad )

aus denen man sukzessive die Koeffizienten berechnen kann.



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Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF) (PDF englisch)