Zum Inhalt springen

Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 16

Aus Wikiversity

Wir besprechen in dieser Vorlesung Vorbereitungen, um die Multiplizität einer Singularität als Eigenschaft des lokalen Ringes algebraisch erfassen zu können.



Graduierte Moduln

Es sei ein kommutativer - graduierter Ring. Ein - Modul mit einer direkten Summenzerlegung

wobei die Moduln über sind und wobei die Skalarmultiplikation die Eigenschaft

für alle erfüllt, heißt -graduierter Modul über .

Dabei heißt die -te Stufe des Moduls. Wenn bzw. für negative ist, so spricht man -graduierten Ringen bzw. Moduln. Wenn

ein Körper ist, so sind sämtliche Stufen Vektorräume über . Ein -graduierter Ring ist ein graduierter Modul über sich selbst. Ebenso ist jedes homogene Ideal (also ein von homogenen Elementen erzeugtes Ideal) ein graduierter Untermodul und

ist ein graduierter Restklassenmodul.


Es sei ein kommutativer - graduierter Ring und seien und graduierte Moduln über . Ein - Modulhomomorphismus

heißt homogen, wenn für alle gilt.

Manchmal nennt man die vorstehenden Homomorphismen auch graduierte Homomorphismen vom Grad und nennt auch solche Homomorphismen homogen, bei denen der Grad um eine bestimmte Zahl verschoben wird. Solche Verschiebungen kann man aber auch durch Verschiebungen in der Graduierung beschreiben.


Es sei ein kommutativer graduierter Ring und ein - graduierter Modul über . Zu versteht man unter den gleichen, aber mit der Graduierung

versehenen Modul. Man nennt ihn den um den Grad verschobenen Modul.

Speziell spielen die eine wichtige Rolle. Wenn ein homogenes Element vom Grad eines graduierten -Moduls ist, so gehört dazu der homogene Modulhomomorphismus



Es sei ein kommutativer - graduierter Ring und ein - graduierter Modul über .

Wenn ein endlich erzeugter - Modul ist, so wird er auch von endlich vielen homogenen Elementen erzeugt und es gibt einen surjektiven homogenen Modulhomomorphismus der Form

Beweis

Siehe Aufgabe 16.4.



Die Hilbertfunktion

Es sei ein standard-graduierter Ring über einem Körper . Es sei ein - graduierter Modul über mit der Eigenschaft, dass die homogenen Stufen endlichdimensionale - Vektorräume sind. Dann nennt man die Funktion

die Hilbertfunktion zu .


Sei der Polynomring in Variablen über einem Körper . Dann gibt es nach Aufgabe 4.6 genau Monome vom Grad . Dies ist somit die - Vektorraumdimension der -ten Stufe des standard-graduierten Polynomringes. Die Hilbertfunktion des graduierten -Moduls ist also

Insbesondere ist die Hilbertfunktion ein Polynom mit Koeffizienten aus , das aber an jeder natürlichen Stelle eine natürliche Zahl als Wert besitzt.


In einer Variablen ist konstant , in zwei Variablen ist , in drei Variablen ist , in vier Variablen ist .



Es sei ein standard-graduierter Ring über einem Körper und sei ein endlich erzeugter - graduierter Modul über .

Dann sind die homogenen Stufen endlichdimensionale - Vektorräume.

Zunächst ist ein Restklassenring eines standard-graduierten Polynomringes und somit sind die homogenen Stufen von nach Beispiel 16.6 endlichdimensional. Nach Lemma 16.4 gilt dies auch für die Stufen des Moduls.



Eine Funktion heißt von polynomialen Typ, wenn es ein Polynom und ein mit für alle gibt.



Es sei ein standard-graduierter Ring über einem Körper und sei ein endlich erzeugter graduierter - Modul.

Dann ist die Hilbertfunktion von polynomialem Typ.

Zunächst sind nach Lemma 16.7 die Stufen endlichdimensional, sodass die Hilbertfunktion wohldefiniert ist. Nach Voraussetzung ist das irrelevante Ideal endlich erzeugt, und zwar wird es von Elementen aus erzeugt. Wir führen Induktion über die Erzeugendenanzahl dieses Ideals. Bei ist ein Körper und ist als ganzes ein endlichdimensionaler Vektorraum. Deshalb sind alle Stufen zu hinreichend großen gleich . Zum Induktionsschluss sei und ein endlicher erzeugter graduierter -Modul. Der Restklassenring ist ebenfalls standard-graduiert und sein irrelevantes Ideal besitzt einen Erzeuger weniger, auf ihn können wir also die Induktionsvoraussetzung anwenden. Der Restklassenmodul ist (ein graduierter - und damit auch) ein graduierter -Modul. Folglich gibt es ein Polynom

mit für hinreichend groß. Es liegt eine exakte Sequenz

von graduierten endlich erzeugten -Moduln vor. Dabei ist der Modul links ebenfalls ein -Modul, und somit gibt es nach Induktionsvoraussetzung ein weiteres Polynom mit für hinreichend groß. Da sich die Vektorraumdimensionen für exakte Komplexe von -Vektorräumen additiv verhalten, gilt

für hinreichend groß. Ab einem gewissen verhält sich also der Zuwachs von polynomial und daher ist nach Lemma Anhang 9.4 die Funktion selbst polynomial.



Es sei ein homogenes Polynom vom Grad .

Dann ist die Hilbertfunktion von gleich (die zweite Gleichung gilt für )

Es liegt eine kurze exakte Sequenz von graduierten -Moduln

und damit auch für jede Stufe eine kurze exakte Sequenz von endlichdimensionalen - Vektorräumen

vor. Daher gilt

Nach Beispiel 16.6 ist

für . Somit ist für


Aufgrund von Lemma 16.9 ist die folgende Definition sinnvoll.


Es sei ein standard-graduierter Ring über einem Körper und sei ein endlicher erzeugter - graduierter Modul über . Dann nennt man das eindeutig bestimmte Polynom

mit für das Hilbertpolynom zu .


Es sei ein standard-graduierter Ring über einem Körper und sei ein endlicher erzeugter - graduierter Modul über . Das Hilbertpolynom zu habe die Form

mit . Dann nennt man

die Multiplizität von .

Wenn das Hilbertpolynom das Nullpolynom ist, so betrachtet man als die Multiplizität. Diesen Ausnahmefall kann man umschiffen, wenn man das kumulative Hilbertpolynom betrachtet, siehe die Aufgaben.



Die Multiplizität des Polynomringes über einem Körper

ist .

Nach Beispiel 16.6 ist das Hilbertpolynom eines Polynomringes in Variablen gleich . Multiplikation des Leitkoeffizienten mit der Fakultät des Grades ergibt .



Es sei ein homogenes Polynom vom Grad .

Dann ist die Multiplizität von gleich .

Dies folgt aus der expliziten Berechnung in Lemma 16.10.



Es sei ein standard-graduierter Ring über einem Körper und sei ein endlicher erzeugter - graduierter Modul über .

Dann ist die Multiplizität von eine natürliche Zahl.

Diese Eigenschaft gilt nach Korollar Anhang 9.6 für jede Funktion von polynomialen Typ.


<< | Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019) | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)