- Stetige Abbildungen zwischen metrischen Räumen
Ein
metrischer Raum
ist dadurch ausgezeichnet, dass es in ihm eine Abstandsfunktion gibt, und dass dadurch zwei Punkte „näher“ zueinander liegen können als zwei andere Punkte. Bei einer Abbildung
-
zwischen zwei metrischen Räumen kann man sich fragen, inwiefern der Abstand im Werteraum durch den Abstand im Definitionsraum kontrollierbar ist. Sei
und
der Bildpunkt. Man möchte, dass für Punkte , die „nahe“ an sind, auch die Bildpunkte „nahe“ an sind. Um diese intuitive Vorstellung zu präzisieren, sei ein
vorgegeben. Dieses repräsentiert eine „gewünschte Zielgenauigkeit“
(oder „Zieltoleranz“).
Die Frage ist dann, ob man ein
finden kann
(eine „Startgenauigkeit“ oder „Starttoleranz“)
mit der Eigenschaft, dass für alle mit
die Beziehung
gilt. Dies führt zum Begriff der stetigen Abbildung.
Es seien
und
metrische Räume,
-
eine
Abbildung
und
.
Die Abbildung heißt stetig in , wenn für jedes
ein
derart existiert, dass
-
gilt. Die Abbildung heißt stetig, wenn sie stetig in für jedes
ist.
Statt mit den abgeschlossenen Ballumgebungen könnte man hier genauso gut mit den offenen Ballumgebungen arbeiten. Die einfachsten Beispiele für stetige Abbildungen sind konstante Abbildungen, die Identität eines metrischen Raumes und die Inklusion
einer mit der induzierten Metrik versehenen Teilmenge eines metrischen Raumes. Siehe dazu die Aufgaben. Bei
stimmt diese Definition mit der bisherigen überein.
Der folgende Satz heißt Folgenkriterium und ist eine direkte Verallgemeinerung von
Fakt *****.
Es sei
-
eine
Abbildung
zwischen den
metrischen Räumen
und und sei
ein Punkt. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist
stetig
im Punkt .
- Für jedes
gibt es ein
mit der Eigenschaft, dass aus
folgt, dass
-
ist.
- Für jede
konvergente Folge
in mit
ist auch die
Bildfolge
konvergent mit dem Grenzwert .
Die Äquivalenz von (1) und (2) ist klar.
Es sei nun (2) erfüllt und sei eine Folge in , die gegen konvergiert. Wir müssen zeigen, dass
ist. Dazu sei
gegeben. Wegen (2) gibt es ein mit der angegebenen Eigenschaft und wegen der Konvergenz von gegen gibt es eine natürliche Zahl derart, dass für alle
die Abschätzung
-
gilt. Nach der Wahl von ist dann
-
sodass die Bildfolge gegen
konvergiert.
Es sei (3) erfüllt und
vorgegeben. Wir nehmen an, dass es für alle
Elemente
gibt, deren Abstand zu maximal gleich ist, deren Wert unter der Abbildung aber zu einen Abstand größer als besitzt. Dies gilt dann insbesondere für die Stammbrüche
, .
D.h. für jede natürliche Zahl gibt es ein
mit
-
Diese so konstruierte Folge konvergiert gegen , aber die Bildfolge konvergiert nicht gegen , da der Abstand der Bildfolgenwerte zu zumindest ist. Dies ist ein Widerspruch zu (3).
Es sei
-
eine
Abbildung
zwischen den
metrischen Räumen
und . Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist
stetig
in jedem Punkt
.
- Für jeden Punkt
und jedes
gibt es ein
mit der Eigenschaft, dass aus
folgt, dass
ist.
- Für jeden Punkt
und jede
konvergente Folge
in mit
ist auch die Bildfolge konvergent mit dem Grenzwert .
- Für jede
offene Menge
ist auch das
Urbild
offen.
Die Äquivalenz der ersten drei Formulierungen folgt direkt aus
Lemma 34.2.
Es sei (1) erfüllt und eine offene Menge
gegeben mit dem Urbild
.
Sei
ein Punkt mit dem Bildpunkt
.
Da offen ist, gibt es nach Definition ein
mit
.
Nach (2) gibt es ein
mit
.
Daher ist
-
und wir haben eine offene Ballumgebung von innerhalb des Urbilds gefunden. Deshalb ist offen.
Es sei (4) erfüllt und
mit
und
vorgegeben. Da der offene Ball offen ist, ist wegen (4) auch das Urbild offen. Da zu dieser Menge gehört, gibt es ein
mit
-
sodass (1) erfüllt ist.
Es seien
metrische Räume
und seien
-
stetige Abbildungen.
Dann ist auch die
Hintereinanderschaltung
-
stetig.
Dies folgt am einfachsten aus der Charakterisierung von stetig mit offenen Mengen, siehe
Satz 34.3.
Bei einer bijektiven stetigen Abbildung zwischen metrischen Räumen ist die Umkehrfunktion nicht automatisch stetig, siehe
Aufgabe 34.15
und
Aufgabe 34.16.
Eine solche Abbildung heißt Homöomorphismus.
- Verknüpfungen und stetige Abbildungen
Die
Negation
-
und die
Inversenbildung
-
sind
stetig.
Die
Addition
-
und die
Multiplikation
-
sind
stetig.
Beweis
Es sei ein
metrischer Raum und seien
Funktionen
-
(für )
gegeben mit der zusammengesetzten Abbildung
-
Dann ist genau dann
stetig,
wenn alle Komponentenfunktionen stetig sind.
Es genügt, diese Aussage für
zu zeigen. Dafür folgt sie direkt aus
Lemma 33.14
unter Verwendung von
Lemma 34.2.
Die folgende Aussage ist eine Verallgemeinerung von
Lemma 12.7.
Es sei ein
metrischer Raum
und seien
-
stetige Funktionen.
Dann sind auch die Funktionen
-
-
-
stetig. Für eine Teilmenge
,
auf der keine Nullstelle besitzt, ist auch die Funktion
-
stetig.
Wir betrachten Abbildungsdiagramme der Form
-
Die Abbildung links ist stetig aufgrund von
Lemma 34.8.
Die rechte Abbildung ist stetig aufgrund von
Lemma 34.7.
Daher ist wegen
Lemma 34.4
auch die Gesamtabbildung stetig. Die Gesamtabbildung ist aber die Addition der beiden Funktionen. Für die Multiplikation verläuft der Beweis gleich, für die Negation und die Division muss man zusätzlich
Lemma 34.6
heranziehen und
(für die Division)
das Diagramm
-
betrachten.
Es sei mit der
euklidischen Metrik
versehen und sei
-
eine
lineare Abbildung.
Dann ist
stetig.
Eine komplex-lineare Abbildung ist auch reell-linear, und die euklidische Metrik hängt nur von der reellen Struktur ab. Wir können also
annehmen. Aufgrund von
Lemma 34.8
können wir
annehmen. Die Abbildung sei durch
-
mit
gegeben. Die Nullabbildung ist konstant und daher stetig, also sei
.
Es sei
und ein
vorgegeben. Für alle
mit
ist insbesondere
für alle und daher ist
- Polynomiale Funktionen
Wir haben schon Polynome in ein und in zwei Variablen
(beispielsweise bei einfachen Differentialgleichungen)
verwendet. Die folgende Definition verwendet Multiindex-Schreibweise, um Polynomfunktionen in beliebig
(endlich)
vielen Variablen einzuführen. Dabei steht ein Index für ein Tupel
-
und für Variablen verwendet man die Schreibweise
-
Eine
Funktion
-
die man als eine Summe der Form
-
mit
schreiben kann, wobei nur endlich viele
sind, heißt polynomiale Funktion.
Offenbar sind die Summe und die Produkte von polynomialen Funktionen wieder polynomial. Dies gilt auch, wenn man Polynome in andere Polynome einsetzt.