Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil III/Vorlesung 82
- Differentialformen auf Mannigfaltigkeiten
Zu einer Mannigfaltigkeit kann man zum Tangentialbündel (bzw. zum Kotangentialbündel ) das -te Dachprodukt (bzw. ) bilden. Es ist punktweise für durch
definiert und es gibt wieder eine Projektionsabbildung
Zu einer Karte
, und der zugehörigen Identifizierung
ergibt sich die Identifizierung
Mit Hilfe dieser Abbildungen kann man auf eine Topologie und auch eine Mannigfaltigkeitsstruktur definieren.
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine -Differentialform (oder -Form oder Form vom Grad ) ist ein Schnitt im -fachen Dachprodukt des Kotangentialbündels, also eine Abbildung
mit .
Wir bezeichnen die Menge der -Formen auf mit
Eine -Form ordnet also jedem Punkt der Mannigfaltigkeit ein Element aus zu. Dies ist nach Korollar 80.2 und Satz 80.5 das gleiche wie eine alternierende multilineare Abbildung
Diese zugehörige Abbildung bezeichnen wir ebenfalls mit ; für Tangentialvektoren ist also
eine reelle Zahl. Dabei treten zwei grundverschiedene Argumente auf, einerseits der Punkt der Mannigfaltigkeit und andererseits Elemente aus dem Tangentialraum an diesem Punkt. Die Abhängigkeit von den Tangentialvektoren ist verhältnismäßig einfach, da es sich ja um eine alternierende multilineare Abbildung handelt, dagegen ist die Abhängigkeit von der Mannigfaltigkeit beliebig kompliziert. Da die Dachprodukte des Kotangentialbündels nach Aufgabe 82.2 selbst Mannigfaltigkeiten sind, kann man sofort von stetigen oder (wenn eine -Mannigfaltigkeit ist) differenzierbaren Differentialformen sprechen.
Für kommt der Kotangentialraum nur formal vor, eine -Form ist nichts anderes als eine Funktion . Eine -Form (man spricht auch von einer Pfaffschen Form) ordnet jedem Punkt und jedem Tangentialvektor an eine reelle Zahl zu. Für ist das -fache Dachprodukt der Nullraum und daher gibt es gar keine nichttrivialen Formen von diesem Grad. Besonders wichtig ist der Fall . Dann besitzt das -te Dachprodukt den Rang (d. h. die Dimension ist in jedem Punkt ) und ein Schnitt darin wird lokal durch eine einzige Funktion beschrieben. Eine empfehlenswerte Vorstellung ist dabei, dass zu Tangentialvektoren die Zahl das („orientierte“) Volumen des durch die Vektoren im Tangentialraum aufgespannten Paralleltops angibt. Diese Vorstellung ist auch bei kleineren hilfreich, mit den kann man das -dimensionale Volumen des durch Tangentialvektoren erzeugten Parallelotops berechnen. Diese Vorstellung wird präzisiert, wenn man über eine -dimensionale abgeschlossene Untermannigfaltigkeit integriert.
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und zu sei die Menge der - Formen auf . Dann gelten folgende Eigenschaften.
- Die bilden mit den natürlichen Operationen versehen reelle Vektorräume.
- Zu einer Differentialform
und einer Funktion
ist auch , wobei durch
definiert ist.
- Jede
-
differenzierbare Funktion
definiert über die Tangentialabbildung eine - Differentialform
wobei der Tangentialraum von in mit identifiziert wird. Dies ergibt eine Abbildung
- Wenn
eine offene Teilmenge ist, so ist bei der Identifizierung
die Abbildung aus (3) gleich
- Die Abbildung aus (3) ist - linear.
(1) und (2) folgen unmittelbar aus einer punktweisen Betrachtung.
(3). Für jeden Punkt
ist
eine nach
Lemma 77.10 (3)
lineare Abbildung
und somit ein Element in , das wir mit bezeichnen. Die Zuordnung ist daher eine
Differentialform.
(4) folgt aus
Lemma 77.10 (1).
(5). Die Abbildung in (3) ist für jeden Punkt
auf jeder offenen Umgebung festgelegt. Wir können daher annehmen, dass
eine offene Menge ist, sodass die Aussage aus (4) und
Proposition 45.6
folgt.
Zu einer offenen Menge
hat man die Koordinatenfunktionen
zur Verfügung, die sich bei einer gegebenen Karte auf eine offene Teilmenge einer Mannigfaltigkeit übertragen. In jedem Punkt bilden die , , eine Basis des Kotangentialraumes an . Dies ist einfach die Dualbasis der Standardbasis im umgebenden Raum , den man auf ganz als Tangentialraum nimmt. Zu einer -elementigen Teilmenge
setzt man
dies ist eine besonders einfache -Form auf . Für jeden Punkt ist
Die Wirkungsweise von dieser Form auf ist nach Satz 80.5 gegeben durch
Gemäß Satz 80.3 bilden die Auswertungen der Differentialformen (mit )
für jeden Punkt eine Basis von , und daher lässt sich jede auf definierte -Differentialform eindeutig als
schreiben mit eindeutig bestimmten Funktionen
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und eine offene Teilmenge mit einer Karte
und offen. Es seien
die zugehörigen Koordinatenfunktionen, .
Dann lässt sich jede auf definierte -Differentialform eindeutig schreiben als
mit eindeutig bestimmten Funktionen
Dies folgt aus Satz 80.3.
Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und eine offene Teilmenge mit einer Karte
und offen. Es seien
die zugehörigen Koordinatenfunktionen, . Es sei
eine differenzierbare Funktion.
Dann gilt für die zugehörige - Differentialform die Darstellung[1]
Wir können sofort annehmen, dass sich alles auf der offenen Menge abspielt. Für jeden Punkt gilt die folgende Gleichheit von Linearformen auf dem ,
- Das Zurückziehen von Differentialformen
Es seien und differenzierbare Mannigfaltigkeiten und es sei
eine differenzierbare Abbildung. Es sei eine -Differentialform auf . Dann nennt man die -Form auf , die der durch
gegebenen alternierenden Abbildung entspricht, die mit zurückgezogene -Form. Sie wird mit
bezeichnet.
Es seien und differenzierbare Mannigfaltigkeiten und
eine differenzierbare Abbildung. Dann erfüllt das Zurückziehen von Differentialformen folgende Eigenschaften.
- Für eine Funktion ist .
- Die Abbildungen
sind - linear.
- Wenn eine offene Untermannigfaltigkeit ist, so ist das Zurückziehen einer Differentialform einfach die Einschränkung auf diese Teilmenge.
- Es sei eine weitere differenzierbare Mannigfaltigkeit und
eine weitere differenzierbare Abbildung. Dann gilt
für jede Differentialform .
(1) folgt unmittelbar aus der
Definition 82.6.
(2). Wir müssen für Differentialformen
und
und Skalare
zeigen, dass
gilt. Eine solche Gleichheit von Differentialformen bedeutet, dass die Gleichheit in jedem Punkt
und für jedes -Tupel von Tangentialvektoren
gilt. Daher folgt die Behauptung aus
(3) folgt unmittelbar aus der Definition.
(4). Es sei
,
und eine -Form auf . Dann gilt
unter Verwendung von Lemma 77.10 (4)
und dies ist die Behauptung.
Es seien und offene Teilmengen, deren Koordinaten mit bzw. mit bezeichnet seien. Es sei
eine differenzierbare Abbildung und es sei eine - Differentialform auf mit der Darstellung
wobei Funktionen sind.
Dann besitzt die zurückgezogene Form die Darstellung
Die zweite Gleichung beruht auf einer einfachen Umordnung. Aufgrund von Lemma 82.7 (2) kann man sich auf den Fall beschränken. Wir setzen und dürfen annehmen. Wir zeigen die Gleichheit der beiden -Formen auf , indem wir zeigen, dass sie für jeden Punkt und jedes Dachprodukt mit den gleichen Wert liefern. Es ist einerseits
Wenn man andererseits die Summe auf anwendet, so ist außer bei , wo sich der Wert ergibt, sodass sich also der gleiche Wert ergibt.
Es seien offene Teilmengen, deren Koordinaten mit bzw. mit bezeichnet seien. Es sei
eine differenzierbare Abbildung und es sei eine - Differentialform auf mit der Darstellung
Dann besitzt die zurückgezogene Form die Darstellung
Dies folgt unmittelbar aus Lemma 82.8.
Die beschreibenden Funktionen zu einer Differentialform haben also das gleiche Transformationsverhalten wie die Dichten, die auf einer Karte ein kontinuierliches Maß auf einer Mannigfaltigkeit beschreiben.
Es seien und offene Teilmengen, deren Koordinaten mit bzw. mit bezeichnet seien. Es sei
eine differenzierbare Abbildung mit konstant für ein und es sei eine - Differentialform auf mit der Darstellung
mit .
Dann ist .
Nach Lemma 82.8 gilt
Da
ist für alle , ist für jedes eine Zeile der Matrix , sodass die Determinanten stets sind.
- Fußnoten
- ↑ Die Ableitungen wurden in der Vorlesung 76 eingeführt.