Kurs:Differentialgeometrie (Osnabrück 2023)/Vorlesung 6/kontrolle
- Kovariante Ableitung
Zu einer differenzierbaren Hyperfläche möchte man Ableitungskonzepte, die im umgebenden Raum einfach definiert sind, mit einem natürlichen Bezug zu definieren. Man spricht von kovarianter Ableitung, das wichtigste Hilfsmittel ist die orthogonale Projektion
zu einem Punkt .
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche, sei ein Punkt und ein Tangentialvektor. Es sei
ein differenzierbares Vektorfeld, das auf einer offenen Umgebung definiert sei und das auf tangential an sei. Dann nennt man
wobei
die orthogonale Projektion bezeichnet, die kovariante Ableitung von in Richtung .
Es liegt insgesamt die Situation
vor und ist das Ergebnis, wenn man vorne den Tangentialvektor einsetzt. Wenn ein Einheitsnormalenfeld bezeichnet, so ist die kovariante Ableitung gleich
da man ja so das orthogonale Komplement berechnet.
Definition Definition 6.2 ändern
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche und sei
ein tangentiales Vektorfeld auf . Es sei
ein differenzierbares Vektorfeld, das auf einer offenen Umgebung definiert sei und das auf tangential an sei. Dann nennt man das tangentiale Vektorfeld
das durch
definiert ist, die kovariante Ableitung von in Richtung .
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche, sei ein Punkt. Dann gelten folgende Aussagen.
- Zu einem fixierten differenzierbaren
tangentialen Vektorfeld
ist die Zuordnung
- Zu einem fixierten Tangentialvektor
ist die Zuordnung
die einem differenzierbaren Vektorfeld die kovariante Ableitung längs zuordnet, linear.
- Zu einer differenzierbaren Funktion
und einem differenzierbaren tangentialen Vektorfeld ist
- Dies folgt unmittelbar aus der Beschreibung
da die beiden Summanden linear in sind.
- Dies folgt auch aus der Beschreibung
da bei fixiertem Vektor die beiden Summanden gemäß Lemma 43.6 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) linear von abhängen.
- Nach
Lemma 45.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))
ist
Daher ist
da das Vektorfeld senkrecht auf steht.
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche. Dann gelten für tangentiale Vektorfelder auf folgende Aussagen.
- Zu einem fixierten differenzierbaren tangentialen Vektorfeld ist die Zuordnung
linear
in . Ferner ist für eine stetige Funktion
- Zu einem fixierten tangentialen Vektorfeld ist die Zuordnung , die einem tangentialen differenzierbaren Vektorfeld die kovariante Ableitung längs zuordnet, linear.
- Zu einer differenzierbaren Funktion
und einem differenzierbaren tangentialen Vektorfeld ist
Alle Aussagen folgen aus Lemma 6.3.
In der letzten Gleichung bedeutet
es wird also von der Funktion die Richtungsableitung in Richtung genommen.
Definition Definition 6.5 ändern
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche, sei
eine differenzierbare Kurve und sei
ein differenzierbares Vektorfeld längs , das tangential an sei. Dann nennt man
die kovariante Ableitung von längs .
Man leitet also einfach das Vektorfeld , das ja eine vektorwertige Kurve mit ist, als Kurve im ab und nimmt vom Ergebnis die orthogonale Projektion auf den Tangentialraum. Manchmal schreibt man auch oder .[1]
- Parallele Vektorfelder
Definition Definition 6.6 ändern
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche und sei eine differenzierbare Kurve. Man sagt, dass ein längs definiertes differenzierbares tangentiales Vektorfeld parallel längs ist, wenn
für alle gilt.
Ein Vektorfeld ist genau dann parallel längs , wenn stets senkrecht zum Tangentialraum ist, also zur Normalengerade gehört.
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche und sei eine differenzierbare Kurve. Dann gelten folgende Aussagen.
- Zu einem längs parallelen Vektorfeld und ist auch ein paralleles Vektorfeld.
- Zu längs parallelen Vektorfelder ist auch ein paralleles Vektorfeld.
Beweis
Zu einer differenzierbaren Kurve
ist insbesondere das Geschwindigkeitsfeld ein Vektorfeld längs , daher ist das Konzept, ob dieses Feld parallel ist, anwendbar.
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche und sei eine zweimal stetig differenzierbare Kurve.
Dann ist genau dann eine geodätische Kurve, wenn das Ableitungsfeld (Geschwindigkeitsfeld) ein paralleles Vektorfeld längs ist.
Es sei
die zweite Ableitung. Nach Definition ist eine geodätische Kurve wenn stets senkrecht auf dem Tangentialraum ist, was genau dann der Fall ist, wenn die orthogonale Projektion von auf den Tangentialraum gleich ist. Dies ist äquivalent zu
für alle , was bedeutet, dass ein paralleles Vektorfeld längs ist.
Die folgende Aussage ist die Grundlage für die Existenz des Paralleltransportes.
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche und sei eine differenzierbare Kurve. Es sei , und sei ein Tangentialvektor.
Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes tangentiales Vektorfeld längs , das parallel ist und
erfüllt.
Wir suchen nach einer differenzierbaren Abbildung
das die Bedingungnen
-
für alle ,
für alle ,
erfüllt. Die erste Bedingung bedeutet, dass senkrecht auf dem Normaleneinheitsvektors steht, also
Daher ist auch
Die zweite Bedingung, dass im Normalenraum liegt, bedeutet
für alle , was wir mit Hilfe der vorstehenden Gleichung zu
für alle bzw. zu
für alle umformen können. Hier steht eine gewöhnliche lineare Differentialgleichung erster Ordnung für , die zusammen mit der Anfangsbedingung nach Satz 56.2 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) eine eindeutige Lösung besitzt. Es kann also höchstens eine Lösung der Ausgangsgleichung geben. Wenn die eindeutige Lösung der Differentialgleichung ist, so liegt in der Tat eine Lösung der Ausgangsgleichung vor.
In der Situation von Satz 6.9 ist die zu lösende Differentialgleichung das System
für oder in Matrixschreibweise
mit den Einträgen
Wir betrachten den Viertelgroßkreis
auf der Einheitskugeloberfläche . Es ist und mit den Tangentialräumen und . Der nach innen zeigende Einheitsnormalenvektor längs des Weges ist . Die Matrix aus Bemerkung 6.10, die die Differentialgleichung für ein paralleles Vektorfeld beschreibt, ist
Die konstante Funktion
ist eine Lösung. Ferner ist
eine Lösung, es ist ja einerseits
und andererseits
- Paralleltransport
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche. Zu Punkten gibt es keine natürliche Beziehung zwischen dem Tangentialraum und dem Tangentialraum . Es sei
eine differenzierbare Kurve in mit und . Man kann sich fragen, ob es entlang dieses Weges eine sinnvolle Beziehung zwischen den Tangentialräumen gibt.
Zu einer fixierten differenzierbaren Kurve in , die die Punkte und verbindet, ist durch Satz 6.9 eine Abbildung
festgelegt. Diese ordnet dem Anfangsvektor den Vektor zu, wobei das eindeutig bestimmte parallele Vektorfeld längs ist. Diese Abbildung heißt der Paralleltransport längs . Sie wird mit
bezeichnet.
Es sei , offen, eine differenzierbare Hyperfläche und sei eine differenzierbare Kurve mit und .
Dann ist der Paralleltransport längs eine Isometrie
Zum Nachweis der Linearität seien and gegeben. Es seien bzw. die gemäß Satz 6.9 eindeutig bestimmten parallelen Vektorfelder längs mit und . Nach Lemma 6.7 ist ein paralleles Vektorfeld mit . Wegen der Eindeutigkeit aus Satz 6.9 ist somit das parallele Vektorfeld zum Tangentialvektor . Daher ist
Zum Nachweis der Verträglichkeit mit dem Skalarprodukt seien wieder gegeben und es seien die zugehörigen parallelen Vektorfelder. Es ist
da tangential sind und orthogonal zum Tangentialraum sind. Daher ist konstant längs des Weges. Daher ist
Die Bijektivität ist damit auch klar.
Wir betrachten den Viertelgroßkreis
auf der Einheitskugeloberfläche und knüpfen an Beispiel 6.11 an. Es ist und mit den Tangentialräumen und . Nach den Berechnungen im angegebenen Beispiel gilt für den Paralleltransport und .
Wenn
eine stetige, stückweise differenzierbare Kurve ist, so definiert man den Paralleltransport längs , indem man die einzelnen Paralleltransporte zu den differenzierbaren Kurvenstücken hintereinander ausführt.
- Fußnoten
- ↑ Zu
Definition 6.2
und
Definition 6.5
gibt es die folgende Verallgemeinerung. Es sei die differenzierbare Hyperfläche
(oder eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit einem Zusammenhang auf dem Tangentialbündel),
sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit, sei
eine differenzierbare Abbildung, sei
ein differenzierbares tangentiales Vektorfelder längs und ein Vektorfeld auf . Dann ist (zu und ) die kovariante Ableitung von bezüglich (längs ) durch
definiert. ist wieder eine Abbildung . In der ersten Definition ist und die Identität, in der zweiten Definition ist ein Intervall, der Weg und das konstante Vektorfeld auf dem Intervall mit der Richtung .