Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2015)/Vorlesung 24

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Quadratische Körpererweiterungen

Die aller einfachste Körpererweiterung ist die identische Körpererweiterung , die den Grad besitzt. Die nächst einfachsten sind die vom Grad zwei.


Definition  

Eine endliche Körpererweiterung vom Grad zwei heißt eine quadratische Körpererweiterung.

Beispiele sind , wobei eine Primzahl ist (oder sonst eine rationale Zahl ohne rationale Quadratwurzel) oder zu einem irreduziblen quadratischen Polynom .



Lemma  

Es sei ein Körper mit einer Charakteristik und es sei eine quadratische Körpererweiterung.

Dann gibt es ein  ,  und .

Beweis  

Nach Voraussetzung ist ein zweidimensionaler Vektorraum über , und darin ist ein eindimensionaler Untervektorraum. Nach dem Basisergänzungssatz gibt es ein Element derart, dass und eine -Basis von bilden. Wir können

schreiben, bzw. (da eine Einheit ist),

Mit gilt also und und bilden ebenfalls eine -Basis von .



Satz  

Sei

eine endliche Körpererweiterung der reellen Zahlen.

Dann ist isomorph zu oder zu .

Beweis  

Das reelle normierte Polynom zerfällt über den komplexen Zahlen nach dem Fundamentalsatz der Algebra in Linearfaktoren, d.h. es ist

mit . Da reelle Koeffizienten hat, stimmt es mit seinem komplex-konjugierten überein, d.h. es ist insgesamt

Wegen der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung gibt es zu jedem ein mit . D.h. entweder, dass ist, und dann liegt ein reeller Linearfaktor vor, oder aber und dann ist

ein reelles Polynom. In der reellen Primfaktorzerlegung von kommen also nur lineare und quadratische Faktoren vor, und insbesondere haben im Reellen alle irreduziblen Polynome den Grad eins oder zwei.

Sei nun eine endliche Körpererweiterung. Sei und , . Dann ist algebraisch über und nach Satz 23.1 ist mit einem irreduziblen Polynom (dem Minimalpolynom zu ). Das Polynom besitzt in Nullstellen, so dass es einen - Algebrahomomorphismus gibt. Da beides reell-zweidimensionale Körper sind, muss eine Isomorphie vorliegen. Wir erhalten also eine endliche Körpererweiterung . Da algebraisch abgeschlossen ist, muss nach Aufgabe 23.4 sein.




Die Gradformel



Satz  

Seien und endliche Körpererweiterungen.

Dann ist auch eine endliche Körpererweiterung und es gilt

Beweis  

Wir setzen und . Es sei eine - Basis von und eine -Basis von . Wir behaupten, dass die Produkte

eine -Basis von bilden. Wir zeigen zuerst, dass diese Produkte den Vektorraum über erzeugen. Es sei dazu . Wir schreiben

Wir können jedes als  mit Koeffizienten ausdrücken. Das ergibt

Daher ist eine -Linearkombination der Produkte .
Um zu zeigen, dass diese Produkte linear unabhängig sind, sei

angenommen mit . Wir schreiben dies als . Da die linear unabhängig über sind und die Koeffizienten der zu gehören, folgt, dass ist für jedes . Da die linear unabhängig über sind und ist, folgt, dass für alle ist.




Zerfällungskörper



Lemma  

Es sei ein Körper und ein Polynom aus .

Dann gibt es einen Erweiterungskörper derart, dass über in Linearfaktoren zerfällt.

Beweis  

Sei die Zerlegung in Primpolynome in , und sei nicht linear. Dann ist

eine Körpererweiterung von nach Satz 15.1. Wegen in ist die Restklasse von in eine Nullstelle von . Daher gilt in die Faktorisierung , wobei einen kleineren Grad als hat. Das Polynom hat also über mindestens einen Linearfaktor mehr als über . Induktive Anwendung von dieser Konstruktion liefert eine Kette von Erweiterungen , die stationär wird, sobald in Linearfaktoren zerfällt.



Definition  

Es sei ein Körper, ein Polynom und eine Körpererweiterung, über der in Linearfaktoren zerfällt. Es seien die Nullstellen von . Dann nennt man

einen Zerfällungskörper von .

Es handelt sich hierbei wirklich um einen Körper, wie wir gleich sehen werden. Ferner ist er eindeutig bestimmt, es gibt also bis auf Isomorphie nur einen Zerfällungskörper zu einem Polynom. Er wird mit bezeichnet. Häufig beschränkt man sich auf Polynome vom Grad , bei konstanten Polynomen sehen wir einfach selbst als Zerfällungskörper an. Über dem Zerfällungskörper zerfällt das gegebene Polynom in Linearfaktoren, da er ja nach Definition alle Nullstellen enthält, mit denen alle beteiligten Linearfaktoren formuliert werden können.



Lemma

Es sei ein Körper, ein Polynom und der Zerfällungskörper von . Es sei ein Zwischenkörper.

Dann ist auch ein Zerfällungskörper des Polynoms .

Beweis

Das ist trivial.



Lemma  

Es sei ein Körper, ein Polynom und der Zerfällungskörper von .

Dann ist eine endliche Körpererweiterung.

Beweis  

Es sei eine Körpererweiterung, über der in Linearformen zerfällt und , wobei die Nullstellen von seien. Es liegt eine Kette von - Algebren

vor. Dabei ist sukzessive algebraisch über , da ja eine Nullstelle von ist. Daher sind die Inklusionen nach Satz 23.4 endliche Körpererweiterungen und nach Satz 24.4 ist dann die Gesamtkörpererweiterung ebenfalls endlich.



Satz  

Es sei ein Körper und sei ein Polynom. Es seien und zwei Zerfällungskörper von .

Dann gibt es einen -Algebraisomorphismus

Insbesondere gibt es bis auf Isomorphie nur einen Zerfällungskörper zu einem Polynom.

Beweis  

Wir beweisen die Aussage durch Induktion über den Grad . Wenn der Grad eins ist, so ist und das Polynom zerfällt bereits über in Linearfaktoren. Dann gehören alle Nullstellen von in einem beliebigen Erweiterungskörper zu selbst. Also ist auch . Es sei nun und die Aussage sei für kleinere Grade bewiesen. Dann zerfällt über nicht in Linearfaktoren. Daher gibt es einen irreduziblen Faktor von mit und ist nach Satz 15.1 und nach Proposition 22.1 eine Körpererweiterung von vom Grad . Da als Faktor von ebenfalls über und über in Linearfaktoren zerfällt, gibt es -Algebrahomomorphismen und . Diese sind injektiv, so dass sowohl von als auch von ein Unterkörper ist. Nach Lemma 24.4 sind dann und Zerfällungskörper von . Nach Satz 24.4 ist

so dass wir auf die Induktionsvoraussetzung anwenden können. Es gibt also einen -Algebraisomorphismus

Dieser ist erst recht ein -Algebraisomorphismus.



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